Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

MieterEcho online 14.07.2011

Kandidatin mit Vergangenheit

Die ehemalige Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) will noch einmal ins Abgeordnetenhaus einziehen
Benedict Ugarte Chacón

Für die Wahlen zum Berliner Parlament am 18. September 2011 präsentiert sich die heutige Abgeordnete Fugmann-Heesing als wirtschaftsaffine Sozialdemokratin. „Eine gerechte und solidarische Welt ist nur möglich, wenn viele bereit sind, sich auch für andere und für gesamtgesellschaftliche Anliegen zu engagieren.“ So das Credo auf ihrer Website. Dabei ist höchst fraglich, ob ihr bisheriges politisches Engagement für „gesamtgesellschaftliche Anliegen“ vorteilhaft waren. Denn ob Bankenskandal oder Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe: Fugmann-Heesing war aktiv daran beteiligt.



Die gelernte Juristin wurde Anfang 1996 von Klaus Böger, dem damaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD, als Finanzsenatorin durchgesetzt. Zwei Jahre zuvor hatte sie die politische Verantwortung für die „Lotto-Affäre“ in Hessen übernommen und war als dortige Finanzministerin zurückgetreten. Schon damals war die Besetzung des eher karriereschädlichen Postens eines Berliner Finanzsenators keine einfache Angelegenheit, da seit der Wende keine Koalition den Landeshaushalt in den Griff bekommen hatte. Ein Zustand, der bis heute anhält.

Privatisierungskahlschlag


Fugmann-Heesing, die dem rechten Flügel der SPD zuzuordnen ist, präsentierte sich wie später auch ihr Nachfolger Thilo Sarrazin als resolute und tabubrechende Konsolidierungspolitikerin. Und genauso wie ihr Nachfolger schob sie vor allem Probleme vor sich her und stopfte mit einem strikten Privatisierungskurs kurzfristig ein paar Löcher im Landeshaushalt. „Sie kam, sah und verkaufte“, schrieb die Berliner Morgenpost damals über die neue Senatorin, die „alte Tabus und Grundsätze der Sozialdemokraten (…) mit dem Rechenschieber über den Haufen“ werfen würde. Opfer des Privatisierungskahlschlags waren neben Bewag und Gasag auch die Berliner Wasserbetriebe. Letztere wurden 1999 zu 49,9% an die privaten Investoren RWE und Vivendi (heute Veolia) verkauft. Fugmann-Heesing gilt hier als eine treibende Kraft für die Entstehung der komplexen Konzernstruktur, bei der es sich zum einen um eine Wiederauflage des Konzernmodells der Berliner Bankgesellschaft und zum anderen um eine neue Art einer „Public-Private-Partnership“ (PPP) handelt. Der Clou der Konstruktion ist, dass eine Anstalt öffentlichen Rechts einer privatrechtlich organisierten Holding unterstellt wird und die privaten Anteilseigner auf die Geschäfte des Gesamtkonzerns großen Einfluss ausüben können.

Geheimvertrag und Mehrfachmandate


Geregelt wird die Teilprivatisierung in einem umfangreichen und bis vor Kurzem geheimen Vertragswerk. Nach der Offenlegung der Verträge, die der Berliner Wassertisch mit dem von ihm initiierten Volksentscheid Anfang dieses Jahres erzwungen hatte, stellte sich schnell heraus, dass die Kritiker/innen der Teilprivatisierung recht hatten. Im § 23 des Teilprivatisierungsvertrags verpflichtet sich das Land Berlin, bei Ereignissen, die den Gewinn der privaten Anteilseigner schmälern, einen finanziellen Ausgleich zu leisten. Es muss hierzu entweder auf seine eigenen Gewinne verzichten oder, falls dies nicht ausreichen sollte, mit öffentlichen Geldern für die Rendite der Privaten aufkommen. Das unternehmerische Risiko für die Privaten ist somit fast ausgeschlossen, da die Berliner/innen entweder über ihre Wasserrechnung oder über ihre Steuergelder das unter Fugmann-Heesing verscherbelte Tafelsilber im Nachhinein vergolden. So stiegen seit der Teilprivatisierung die Wasserpreise in Berlin um rund 35%. Sogar mögliche Änderungen der Gesetzeslage oder Verfassungsgerichtsurteile sollen mit dem Vertrag umgangen werden, und eventuell daraus resultierende wirtschaftliche Nachteile der Privaten muss das Land Berlin ausgleichen. Wie eine Finanzsenatorin einen solchen Vertrag zulassen kann, der nicht nur privaten Investoren die Rendite garantiert, sondern zudem noch Verfassungsorgane aushebelt, bleibt ein Geheimnis, das wohl nur ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss klären könnte.

Bankenskandal: Nichts gesehen


Auch bei den Vorgängen um die Bankgesellschaft Berlin spielte Fugmann-Heesing eine maßgebliche Rolle. Schließlich war sie von 1996 bis 2000 im Aufsichtsrat der Bankgesellschaft und von 1996 bis 2001 im Aufsichtsrat der zum Konzern gehörenden Landesbank Berlin. Unter dem Label der Landesbank legte die Konzerntochter IBG reihenweise geschlossene Immobilienfonds auf, die mit äußerst ungewöhnlichen Garantien ausgestattet waren. So wurde den Anlegern garantiert, ihre Anteile nach Ende der Laufzeit zu 100% des Kaufpreises zurück an die Bank geben zu können. Zudem garantierte die Bank die Mieteinnahmen. Für die Anleger war somit die Qualität der sich in den Fonds befindenden Immobilien egal. Für die Bank wurde es problematisch, da in die Fonds viele problembehaftete Objekte mit zu geringen Mieteinnahmen eingebracht wurden. Somit musste die Bank aus eigener Tasche für die Rendite der Anleger aufkommen. Das alles kam 2001 ans Licht, führte zum Berliner Bankenskandal und kostet das Land bis heute jährlich Millionen. All dies geschah unter den Augen des Aufsichtsrats, also auch der Finanzsenatorin.

Vergessliche Zeugin


Im letzten großen Prozess gegen den ehemaligen Bankdirektor und CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus-Rüdiger Landowsky (CDU) sowie weitere Vorstände des Konzerns ging es um die Frage, ob die Auflage solcher Garantiefonds den Straftatbestand der Untreue erfüllt. Wie sich Anfang 2011 zeigte, ist diese Art der Misswirtschaft nicht strafbar. Als Zeugin war auch das ehemalige Aufsichtsratsmitglied Fugmann-Heesing geladen. Sie gab zu Protokoll, dass sie sich nicht mehr genau an einzelne Vorgänge erinnern könne. Vor einigen Jahren konnte sich Fugmann-Heesing allerdings noch recht gut an ihre Arbeit bei der Bankgesellschaft erinnern. Vor dem Untersuchungsausschuss zum Bankenskandal gab sie im Mai 2004 zumindest an, dass sie als Aufsichtsratsmitglied ihre Kontrollfunktion in großem Umfang wahrgenommen habe. „Und ich war die Kritischste in Bezug auf diese Fonds“, wird sie im als „vertraulich“ eingestuften Protokoll ihrer Vernehmung zitiert. Allerdings geht aus diesem Protokoll auch hervor, dass die kritische Haltung Fugmann-Heesings darin bestand, sich auf die Aussagen der Vorstände der Bankgesellschaft-Tochter zu verlassen, die die Fonds auflegte. Schon 1997 hatten diese angekündigt, keine Fonds mit Mietgarantien mehr auflegen zu wollen, taten es aber dennoch. Dazu sagte Fugmann-Heesing: „Wenn ein Vorstand einer Tochtergesellschaft in einem Aufsichtsrat eine dezidierte Aussage macht und sagt, das ist unsere Geschäftspolitik für die Zukunft, dann kann ich davon ausgehen, dass das Aufsichtsgremium, das er hat, diese Geschäftspolitik für die Zukunft umsetzt.“ Besagte Mietgarantien sind jedoch in den Prospekten der jeweiligen Fonds ersichtlich – schließlich ging die Bank mit ihnen jahrelang hausieren und wurde vor allem wegen dieser Garantien zur Marktführerin im Bereich geschlossener Immobilienfonds in Deutschland. Die Prospekte sind allgemein zugänglich, nur Fugmann-Heesing will sie nicht gelesen haben. Vor dem Untersuchungsausschuss sagte sie: „Wenn es in Berlin Fondsprospekte gibt, dann können Sie, nur weil es diese Fondsprospekte in Berlin gibt, nicht sagen, dass das der Aufsichtsrat wissen muss.“


Doppelmandat beim BBI-Bau


In einem anderen Fall jedoch musste Fugmann-Heesing ihr Mandat als Mitglied des Aufsichtsrats niederlegen – wenn auch nicht aus Kompetenzgründen. Im August 1999 verließ sie den Aufsichtsrat der Berlin Brandenburg Flughafen Holding. Zuvor hatte das Oberlandesgericht Brandenburg mit einer Entscheidung ins Vergabeverfahren für den Bau des neuen Großflughafens in Schönefeld eingegriffen. Fugmann-Heesing bekleidete bis dahin ein Doppelmandat, denn neben ihrem Sitz im Aufsichtsrat der Flughafen-Holding war sie Mitglied im Aufsichtsrat der Bankgesellschaft. Und diese war beteiligt an einem Konsortium um den Bauriesen Hochtief, der sich im damaligen Bieterverfahren einbrachte. Fugmann-Heesing operierte zeitweise also sowohl auf der Seite eines potenziellen Auftragnehmers als auch auf der des Auftraggebers.
Die erneute Kandidatur von Fugmann-Heesing, die bislang weder in der Politik noch in der Medienöffentlichkeit umfassend thematisiert wurde, ist ein Beleg dafür, dass der vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Jahr 2001 proklamierte „Mentalitätswechsel“ in der Berliner Politik, wenn überhaupt, nur sehr verhalten stattgefunden hat.

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