MieterEcho 324/Oktober 2007: "Branding" oder wie aus einer Immobilie eine Marke gemacht wird

MieterEcho

MieterEcho 324/Oktober 2007

Quadrat TITEL

"Branding" oder wie aus einer Immobilie eine Marke gemacht wird

Wie sich das Immobilienmarketing der Zwischennutzungen und Kulturprojekte bedient und diese Totengräber ihrer selbst werden

Ingo Bader

Ingo Bader, geb. 1972 in Essen, studierte Geografie an der FU Berlin. Er ist Mitherausgeber des Buchs "Der Sound der Stadt. Musikindustrie und Subkultur in Berlin" und beschäftigt sich mit Stadt- und Regionalökonomie, Kulturwirtschaft und Stadtentwicklung.

Es ist keine neue Erkenntnis, dass Aufwertungsprozesse vor allem innerstädtischer Wohnquartiere oft kulturellen Nutzungen nachfolgen. Denn Kulturprojekte machen viele Gebiete erst interessant für Mittelschichten - und schaffen damit die notwendige Nachfrage für Modernisierungen.

Neu hingegen ist es, dass kulturelle Projekte aktiv in die Entwicklungsstrategien von einzel-nen Immobilien und auch ganzen Gebieten integriert werden. Die Zwischennutzung von Immobilien während des Prozesses ihrer Aufwertung soll aus der Immobilie oder dem Entwicklungsgebiet eine Marke machen; dies wird als "Branding" bezeichnet. In der öffentlichen Debatte wird diese 'Zusammenarbeit' zwischen Kultur und Immobilienwirtschaft im Allgemeinen als Win-Win-Situation dargestellt, d.h. dass beide Seiten davon profitieren. Systematisch ausgeblendet wird jedoch eine fehlende langfristige Perspektive für die sog. Kreativen und die Auswirkungen auf das Wohnumfeld.

"Branding" ist das englische Wort für das Verb brandmarken. Im übertragenen Sinn bedeutet es, dass eine Marke geschaffen wird. Dazu wird sich verschiedener Instrumente des Marketings bzw. der Kommunikationspolitik bedient, so z.B. klassische Werbung oder auch Sponsoring, Imagekampagnen etc.

Mediaspree: Kreative Hafenstadt

Schon nach der Wende war das Gebiet des alten Ostgüterbahnhofs durch vielfältige kulturelle Zwischennutzer geprägt - lange bevor es diesen Begriff gab. Clubs wie das Ostgut, Deli oder Non-Tox haben sich selbst allerdings auch nicht als Lückenfüller bis zu ihrer gewinnträchtigen Vermarktung verstanden, sondern wurden einfach vertrieben. Es wäre sicher übertrieben zu behaupten, dass diese subkulturellen Orte zentraler Grund für die Ansiedlung globaler Konzerne wie Universal Music oder MTV waren, aber ihr "Flair" hat Berlin anziehend für eine Kulturökonomie gemacht.

Mediaspree hat diese Erkenntnis aufgegriffen und Zwischennutzung sowie die vielen kleinen, subkulturellen Initiativen in ihr Marketing- und Entwicklungskonzept eingegliedert. Durch die vielen Strandbars, aber auch durch die Entwicklung des Gebiets um die Schlesische Straße zu einer neuen Ausgehmeile ist der Spreeraum inzwischen von einem Niemandsland zwischen Friedrichshain und Kreuzberg zu einem der hippen Orte Berlins aufgestiegen. Ob dies allerdings konkret für die Projekte der Groß-Investoren, die den Verein Mediaspree dominieren, ein entscheidender Faktor ist, ist fraglich. Allerdings: "Kreatives Quartier" klingt in der Öffentlichkeit besser als "Bürostandort".

Die eher kleinteiligen Strukturen auf der Kreuzberger Seite der Spree sind dagegen für eine Nutzung durch "Kreative" besser geeignet - sei es für Unternehmen oder als Wohnobjekte. Für verlässliche Prognosen über Vertreibungen aus diesen Kiezen ist es noch zu früh, aber die Veränderung des Straßenbilds weckt Befürchtungen einer dem Prenzlauer Berg vergleichbaren Entwicklung.

Kunst als Immobilien-Marketing: Die Heeresbäckerei

Die Heeresbäckerei Köpenicker Straße ist Teil des Mediaspree-Gebiets und des Stadtumbaugebiets "Stadtumbau West Kreuzberg - Spreeufer" (MieterEcho Nr. 321 berichtete). Die Polaris Immobilien GmbH versucht, das zu Beginn des 18. Jahrhunderts gebaute, architektonisch attraktive Industriedenkmal in direkter Spreelage als Lofts zu vermarkten. Mieteinheiten ab einer Größe von 350 qm lassen die Zielgruppe im Vergleich zu der bisherigen Mieterstruktur in der Köpenicker Straße erahnen. In einer Kooperation mit "Loop Raum für aktuelle Kunst" wurden für mehrere Jahre Teile des Gebäudes zwischengenutzt. Von beiden Seiten bestand die Zielsetzung, eine Marke "Heeresbäckerei" zu schaffen, allgemein das Umfeld in den Blickpunkt zu bringen und konkret das Objekt zu vermieten.

Der inzwischen professionelle Galeriebetrieb und Förderer junger Kunst "Loop Raum für aktuelle Kunst" entstand 1997 als freies Kunstprojekt in den Edison-Höfen in Mitte. 2001 war er auf der Suche nach neuen Räumen, nachdem ihr ehemaliger Standort von einem großen Investor zu Bürolofts umgebaut wurde. Mit dem Besitzer der Heeresbäckerei wurde man sich 2002 handelseinig: Teile des Gebäudes konnten kostenlos genutzt werden, dafür integrierte man sich aktiv in die Vermarktungsstrategien. Beispielsweise bestand die Verpflichtung, den Namen "Heeresbäckerei" in jeder Presseveröffentlichung zu erwähnen, um die Immobilie als Marke zu platzieren. Die Herangehensweise von Loop war dabei sehr berechnend, anders als bei vielen anderen Zwischennutzern: In Zusammenarbeit mit Marketingagenturen wurde versucht, Polaris dazu zu bewegen, sich auch an den Kosten des Ausstellungsbetriebs zu beteiligen. Es blieb allerdings bei einer kostenlosen Nutzung über drei Jahre mit über 100 sehr unterschiedlichen Veranstaltungen - von Kunstpräsentationen, Filmaufnahmen bis zu Partys. Auch wenn sich der Erfolg für den Eigentümer schwer quantifizieren lässt - Mieter wurden beispielsweise nach Abschluss der Zwischennutzung nicht gefunden -, stellte diese Form der Nutzung eine sehr kostengünstige Marketingkampagne für den Investor dar.

Kultur gegen Mieterinteressen?

Man könnte sich fragen: Was ist schlecht daran, wenn Künstler und kreative Kleinunternehmer Immobilienbesitzer und Investoren dazu bewegen, ungenutzte Räume kostengünstig zeitlich begrenzt zur Verfügung zu stellen? Es kann nicht verleugnet werden, dass Zwischennutzung als Teil einer Aufwertungsstrategie und zum Branding des gesamten Mediaspree-Raums genutzt wird und negative Folgen für die Mieter/innen des angrenzenden Kiezes wahrscheinlich sind. Häufig sind die kulturellen Nutzer Totengräber ihrer selbst: Die kleinen Clubs, die auf günstige Mieten angewiesenen Kleinunternehmer und Strandbars haben in einem aufgewerteten Spreeraum keinen Platz mehr - sie produzieren lediglich kostengünstig das gewünschte Image eines kreativen, jungen und wilden Raums.

Es ist aber sinnlos, Künstler/innen gegen Mieter/innen auszuspielen. Eine Kritik sollte sich an die politische Ebene und den Planungsprozess richten. Eine Aufwertung lässt sich nicht verhindern, wenn die kulturelle Nutzung gestoppt wird, sondern nur, wenn Mieterinteressen, aber auch eine langfristige Perspektive lokaler Kultur, gegenüber den Verwertungsinteressen der Investoren durchgesetzt werden.

Zurück zum Inhalt MieterEcho Nr. 324