MieterEcho 311/August 2005: Berliner Mietspiegel von 1988 bis 2005

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MieterEcho 311/August 2005

 TITEL

Berliner Mietspiegel von 1988 bis 2005

Ein historischer Abriss

Gerhard Eichmann

In der BRD wurde 1975 mit dem Miethöhegesetz (MHG) der Mietspiegel* als Instrument zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete* eingeführt. Die wesentlichen Bestimmungen für Mieterhöhungen waren die zwölfmonatige Sperrfrist, die Kappungsgrenze* von 30% innerhalb von drei Jahren und ein dynamischerer Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete. Im Gegensatz zu dem seit 1960 geltenden so genannten "Lücke-Gesetz", das die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete auch aus unveränderten Bestandsmieten erlaubte, ließ das Miethöhegesetz hierfür nur noch erhöhte Mieten und Vertragsneuabschlüsse zu. Mehrfache Bestrebungen in Westberlin in der Mietgesetzgebung die so genannte Rechtseinheit mit dem Bundesgebiet herbeizuführen, waren immer auf den erbitterten Widerstand der Mieter/innen gestoßen.

Zum Ende des Jahres 1987 wurde gegen das eindeutige Mietervotum die Mietpreisbindung* für Altbauwohnungen auf Betreiben des CDU/FDP-Senats in Westberlin abgeschafft. Auch die Mauerstadt sollte ein "Weißer Kreis"* werden. Eine halbe Million Unterschriften für die Beibehaltung der politischen Kontrolle der Mietentwicklung, die die Berliner MieterGemeinschaft, der Berliner Mieterverein und der Mieterschutzbund unter tatkräftiger Unterstützung von SPD, AL, SEW, Gewerkschaften etc. im Mai 1987 im Rahmen der Mieterabstimmung gesammelt und dem Berliner Abgeordnetenhaus übergeben hatten, wurden ignoriert.

In der früheren BRD, wo die Mietpreisbindung* zuletzt in Hamburg und München um 1975 zu den Akten gelegt worden war, waren die Mehrheitsverhältnisse aufseiten der Liberalisierung des Wohnungsmarkts. Der Bund übte seine wohnungspolitische Gesetzgebungskompetenz auch in Westberlin aus. Der durch die Mauer abgeschottete Wohnungsmarkt Westberlins sollte die "Relikte der Wohnungszwangswirtschaft" vergessen und die "Freiheit des Fuchses im Hühnerstall" erfahren, wie Professor Uwe Wesel damals die Wirkungen der Marktwirtschaft auf das Berliner Wohnungswesen beschrieb. Für die Hälfte der ca. eine Million Wohnungen gab es eine Übergangsregelung in das "soziale Mietrecht der BRD". Die Berliner SPD hatte zugunsten der so genannten "Rechtseinheit mit dem Bundesgebiet" gegen ihre eigenen Prinzipien im Abgeordnetenhaus für die Übernahme des "Gesetzes zur dauerhaften Verbesserung der Wohnungssituation im Land Berlin" (GVW) gestimmt. Das GVW modifizierte die Regelungen des MHG für eine Übergangszeit von 5 Jahren. Neben den Altbauwohnungen (gebaut bis 1949) bildeten ca. 400.000 ab 1950 gebaute Sozialwohnungen, die dem Kostenmietrecht (Preisbindung) unterlagen und nur ca. 70.000 freifinanzierte Neubauwohnungen den übrigen Mietwohnungsbestand. Auf Grund ihrer preiswerten Mieten wurden die Altbauwohnungen als die eigentlichen Sozialwohnungen Westberlins bezeichnet.

Wesentliche Regelungen des GVW waren jährliche Mieterhöhungen um 5% unter der Voraussetzung, dass die ortsübliche Vergleichsmiete damit nicht überschritten wird. Ausschließlich hierfür wurde ein Mietspiegel benötigt, der bei der ersten Aufstellung auch Preisbindungsmieten enthalten und nur bis Ende 1989 gelten durfte. Gleichzeitig konnte der Vermieter die Miete wegen Modernisierungsmaßnahmen, Betriebskostenerhöhungen oder Kapitalkostenerhöhungen steigern. Bei Neuvermietung konnte die Miete um 10% gegenüber der Miete des Vormieters angehoben werden.

Mietspiegel 1988 für Altbauwohnungen

Bei Neuvermietung galt nach GVW bis zum 31.12.1991 die zehnprozentige Erhöhungsmöglichkeit gegenüber der Miete des Vormieters. Insofern war der erste Berliner Mietspiegel nur als Begründungsmittel für die fünfprozentige Mieterhöhung im bestehenden Mietverhältnis (bis 31.12.1994 galt diese Beschränkung gegenüber dem MHG) maßgeblich. Das Interesse des CDU-Bausenators Wittwer lag darin, im Rahmen der Mietspiegelverhandlungen einen möglichst breiten Konsens zwischen Mieter- und Vermieterverbänden zu schaffen. Die Eigentümerverbände hatten bereits vor Beginn der Verhandlungen einen Mietspiegel basierend auf eigenen Daten in ihrem Publikationsorgan "Das Grundeigentum" veröffentlicht, mit dem lakonischen Zusatz, dass der endgültige Mietspiegel kaum anders aussehen könnte. Die Mieterorganisationen, die ebenfalls eigene Daten eingebracht hatten, sollten zwar im Rahmen der Verhandlungen immer mehr Zugeständnisse machen, bekamen jedoch im Gegenzug nur Scheinangebote. Als sich die Eigentümerseite weitgehend durchsetzte, was die Höhe der auszuweisenden Miete und die Struktur des Mietspiegels anging, hat die Berliner MieterGemeinschaft die Mietspiegelrunde verlassen. Im Mietspiegel wurde als Mittelwert* der Median* und eine 2/3-Spanne ausgewiesen. Ferner enthielt er eine Orientierungshilfe* zur Spanneneinordnung. Nach unserer Einschätzung ging es nicht mehr um die Berücksichtigung von Mieterinteressen, sondern um die Legitimation eines Mietensystems, dessen Einführung wir eben noch verhindern wollten. Darüber hinaus versuchten die Hauseigentümerverbände, den Übergang in den "Weißen Kreis" vorzuverlegen, indem sie ihre Mitglieder agitierten, Mieterhöhungen statt im Januar 1988 zum 01.04.1988 bereits im Oktober 1987 zum 01.01.1988 zu erklären. Vor den Gerichten hatten sie diesbezüglich keinen Erfolg.

Mietspiegel 1988: Mittelwerte der Bruttokaltmiete
Baualtersklasse bis 1918 mit Vollausstattung
von 2,60 Euro bis 3,95 Euro.

Mietspiegel 1990 für Altbauwohnungen

Anfang 1989 hatten SPD und AL die notwendige Mehrheit bei den Abgeordnetenhauswahlen gewonnen. Die Wähler hatten die CDU und die FDP - nicht zuletzt wegen der Abschaffung der Mietpreisbindung* - abgestraft. SPD-Bausenator Nagel beauftragte das Forschungsinstitut GEWOS mit einer repräsentativen Datenerhebung. Damit entfiel das unselige Feilschen um Mietdaten. Die Berliner MieterGemeinschaft unterstützte die Erhebung zum Mietspiegel als das kleinere Übel gegenüber dem Begründungsmittel der Vergleichswohnungen, um die Zeit bis zu der vom neuen Senat versprochenen gesetzlichen Regelung zur Mietpreisbegrenzung zu überbrücken. Angesichts des zunehmenden Wohnungsnotstands in der Stadt forderten die Haus- und Grundbesitzer weitere Lockerungen des Mietrechts und Abbau des Mieterschutzes. Im Herbst 1989 bestätigten die Ergebnisse der Datenerhebung zum Altbaumietspiegel 1990 unsere schlimmsten Befürchtungen: Nichteinhaltung der Kappungsgrenzen für Neuvermietung und Mieterhöhungen auf breiter Front. Innerhalb von zwei Jahren waren die Altbaumieten im Durchschnitt um 15% gestiegen. Bei kleineren und schlecht ausgestatteten Wohnungen war ein durchgängiger Mietanstieg von 20% bis 50% zu verzeichnen. Bei Vergleichen mit Mieten in Wohnungsanzeigen erwiesen sich die Mietspiegelwerte als Makulatur - die angebotenen Wohnungen waren weitaus teurer. Das Übergangsgesetz in den freien Wohnungsmarkt hatte seine Wirkungslosigkeit gezeigt. Anfang November 1989 wandte sich die Berliner MieterGemeinschaft an die Öffentlichkeit und beendete die Vertraulichkeit der Mietspiegelverhandlungen. Wir wollten kein Feigenblatt für einen "Vermietermietspiegel" sein und forderten den Senat auf, einen sofortigen Mietenstopp bis zur Wiedereinführung einer Mietpreisbindung* als Dauerrecht zu erlassen. Anfang Dezember 1989 wurde der Mietspiegel 1990 für Altbauwohnungen veröffentlicht. In den jeweiligen Mietspiegelfeldern wurde der Median als Mittelwert und eine 2/3-Spanne ausgewiesen. Neben der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung wurden Sondermerkmale* (Aufzug, Villenlage, Garage), die Zuschläge rechtfertigten, eingeführt.

Mietspiegel 1990: Mittelwerte der Bruttokaltmiete
Baualtersklasse bis 1918 mit Vollausstattung
von 2,76 Euro bis 4,45 Euro.

Mietspiegel 1992 für Altbau, Neubau in Westberlin und Nachwendewohnungen in Ostberlin

Mit dem Ende der Neuvermietungsregelung des GVW zum 01.01.1992 erhielt der Mietspiegel neben der Funktion als Begründungs- und Beweismittel für Mieterhöhungen Bedeutung für die Einschätzung, ob bei einer Neuvermietung Mietpreisüberhöhung oder gar Mietwucher vorliegt. Angesichts zunehmender Wohnungsnot in Berlin musste sich die Berliner MieterGemeinschaft direkt an Bausenator Nagel wenden, um wieder an den Mietspiegelverhandlungen beteiligt zu werden. Die Hausbesitzerverbände hatten schon im Vorfeld - auch mittels der in ihrer Zeitschrift "Das Grundeigentum" publizierenden Berliner Richter - versucht, die Verbindlichkeit der vorherigen und von ihnen unterzeichneten Mietspiegel anzugreifen. Allzu durchsichtiges Ziel war, auch Mieten erhöhen zu können, die weit über der Ortsüblichkeit lagen. Bei Neuvermietungen waren die Mietspiegelwerte bedingt durch die Wohnungsnot schon ohne jede Bedeutung. Ihr Hauptangriffspunkt in den Verhandlungsrunden war die Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung. Sie wollten sich mit ihren Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen frei innerhalb und auch außerhalb der im Mietspiegel abgebildeten Mietspannen* bewegen können. Als die Vermieter merkten, dass sie sich damit nicht durchsetzen konnten, haben sie die Verhandlungen abgebrochen. Ende Mai 1992 hat Bausenator Nagel den Mietspiegel verordnet. Ihn lediglich von einer Seite allein anerkennen zu lassen, blieb später seinem SPD-Nachfolger überlassen.

Mietspiegel 1992: Mittelwerte der Bruttokaltmiete
Baualtersklasse bis 1918 mit Vollausstattung
von 3,26 Euro bis 4,92 Euro.

Mietspiegel 1994 für Altbau, Neubau in Westberlin und Nachwendewohnungen in Ostberlin

Ein wichtiges Datum für die Altbauwohnungen in Westberlin war das Auslaufen des GVW mit seiner Übergangsregelung für die Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen (jährlich 5%).

Ab dem 01.01.1995 galt die bundeseinheitli-che Kappungsgrenze des Miethöhegesetzes (MHG) von 30% innerhalb von drei Jahren. Ferner waren im Juli 1993 mit dem vierten Mietrechtsänderungsgesetz für die Mieter leichte Verbesserungen in Kraft getreten. Es änderte die Definition der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Verlängerung des Zeitraums, in dem rückblickend die erhöhten Mieten und die Neuabschlüsse im Mietspiegel erfasst werden sollen, von drei auf vier Jahre. Für Mieten ab 8 DM/qm nettokalt wurde die Kappungsgrenze von 30% auf 20 % abgesenkt und im Wirtschaftsstrafgesetz wurde genauer definiert, dass Mietpreisüberhöhung bei Überschreiten der ortsüblichen Vergleichsmiete um 20% vorliegt. Insbesondere Letzteres führte dazu, dass die Vermieterverbände mit Maximalforderungen die Geschäftsgrundlage für die Mietspiegel einseitig ändern wollten, um die Wirkungen des Gesetzes zu neutralisieren: Weg von der bisher üblichen 2/3-Spanne, so dass möglichst jede gezahlte Miete im Mietspiegel abgebildet werden sollte. Keine Orientierungshilfe, es sei denn mit empirisch nachweisbaren Faktoren, um sich frei in der Spanne eines Mietspiegelfelds bewegen zu können und Ausweisung des arithmetischen Mittels anstelle des Medians als Mittelwert, um die Mietendynamik besser zur Geltung kommen zu lassen. Trotz leichter Zugeständnisse, der Berliner Mittelwert als Mittelwert zwischen Median und arithmetischem Mittel wurde vom Bausenator ins Spiel gebracht, hat der Eigentümerverein Haus- und Grund die Verhandlungen im September 1993 abgebrochen. Der Bausenator verordnete daraufhin den Mietspiegel Ende Mai 1994. Dieser war ein Abbild von Mietenexplosion und Wohnungsnot und dokumentierte den stärksten Mietanstieg aller bisherigen Mietspiegel.

Mietspiegel 1994: Mittelwerte der Bruttokaltmiete
Baualtersklasse bis 1918 mit Vollausstattung
von 3,81 Euro bis 6,36 Euro.

Mietspiegel 1996

Von den zuständigen Gerichten wurde in Mieterhöhungsverfahren der Mietspiegel 1994 überwiegend als Begründungs- und Beweismittel anerkannt. Auch in Gerichtsverfahren zu Mietpreisüberhöhung gewann er zunehmend an Bedeutung. Etliche Vermieter wurden unter Zugrundelegung des Mietspiegels verurteilt, die vereinbarte Miete auf die gesetzlich zulässige Höhe zu reduzieren und zuviel kassierte Beträge zurückzuerstatten. Auch für die Höhe der Fehlbelegungsabgabe bei Sozialwohnungen spielte der Mietspiegel eine Rolle. Wenn die Sozialmiete plus Fehlbelegungsabgabe die ortsübliche Miete vergleichbarer preisfreier Neubauwohnungen überstieg, wurde die Fehlbelegungsabgabe entsprechend reduziert oder entfiel. Der Mietpreisanstieg verlangsamte sich im Vergleich zu den Nachwendejahren. Die Verhandlungen zum Mietspiegel 1996 verliefen zum ersten Mal von allen Seiten konstruktiv und kooperativ. Die Zeit der Maximalforderungen schien vergessen zu sein. Ende März 1996 wurde ein von Senat, Mieter- und Vermieterorganisationen einvernehmlich erstellter und gemeinsam anerkannter Mietspiegel mit Berliner Mittelwert und 2/3-Spanne veröffentlicht.

Mietspiegel 1996: Mittelwerte der Bruttokaltmiete
Baualtersklasse bis1918 mit Vollausstattung
von 3,96 Euro bis 6,31 Euro.

Mietspiegel 1997 für die östlichen Bezirke

Vor 1997 unterlagen die Wohnungen in Ostberlin bis auf die ab 01.10.1990 neu gebauten der Preisbindung. Die Mieterhöhungen der DDR-Mieten wurden durch die 1. und 2. Grundmietenverordnung von 1991 bzw. 1993 und durch das Mietüberleitungsgesetz (MÜG) von 1995 geregelt. Mietpreisdifferenzierungen waren durch den unterschiedlichen Instandhaltungs- und Modernisierungsgrad bedingt. Vor allem die nach Oktober 1990 durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen führten trotz einer Kappungsgrenze (ab Juli 1995) von 3 DM/qm und Monat im Mietüberleitungsgesetz zu einer erheblichen Ausdifferenzierung des Mietniveaus. Zum 01.07.1997 entfiel die Preisbindung für Neuvermietungen und zum 01.01.1998 auch für die bestehenden Mietverhältnisse. Ab dem 01.07.1997 wurde daher ein Mietspiegel zur Bestimmung der zulässigen Miete bei Neuvermietung und ab dem 01.01.1998 zur Begründung und Prüfung von Mieterhöhungen benötigt. Wegen des Zeitdrucks und wegen der angespannten Haushaltslage haben die Mieter- und Vermieterverbände die notwendigen Mietdaten selbst erhoben und GEWOS wurde mit der Auswertung beauftragt. Bedingt durch die Umstellung fast aller Mieten auf Nettokaltmiete* im Rahmen der Betriebskostenumlageverordnung wurden erstmals Nettokaltmieten ausgewiesen. Trotz der teilweisen Höherstufung der Wohnlage von Sanierungsgebieten, die wir als Vorwegnahme künftiger Ergebnisse bezeichnen mussten, und der wegen des erheblich gespreizteren Mietenspektrums ausgewiesenen 4/5-Spanne wurde wieder ein von Senat, Mieter- und Vermieterorganisationen einvernehmlich erstellter und gemeinsam anerkannter Mietspiegel veröffentlicht. Der Kompromiss bei der Spannenausweisung sollte sich später rächen.

Mietspiegel 1997: Mittelwerte der Nettokaltmiete
Baualtersklasse bis 1918 mit Vollausstattung
von 4,04 Euro bis 5,75 Euro.

Mietspiegel 1998 für die westlichen Bezirke

Die Erhebung der Mietspiegeldaten für den Mietspiegel 1998 ergab einen durchgängigen Anstieg der Altbaumieten, während die Neubaumieten leicht zurückgingen. Auf Grund einer zu geringen Anzahl von erhobenen Mieten mussten erstmals die Wohnungen mit Innentoilette, ohne Heizung und ohne Bad wie bereits vorher die Wohnungen mit Außentoilette durch Abschläge ausgewiesen werden. Die Wohnungen des Substandardbereichs wurden zunehmend durch Modernisierungen zu so genannten Feldwechslern. Bei den verbliebenen Wohnungen waren kaum Neuvermietungen oder Mieterhöhungen zu verzeichnen. Die Abbildung einer 2/3-Spanne und einer Extremwertbereinigung* von 5% war für die Geschäftsgrundlage. Da auch in den westlichen Bezirken durch einvernehmliche Umstellung von Brutto- auf Nettokaltmiete bzw. bei Neuvermietung fast ausnahmslos Nettokaltmietenvereinbarungen vorlagen, war nunmehr auch hier die Nettokaltmiete mit Vorauszahlungen für Betriebskostenabrechnungen bei 55% aller in die Erhebung eingehenden Mietverträge vorhanden. Als Konsequenz wurden im Mietspiegel Nettokaltmieten ausgewiesen. Da die Berliner MieterGemeinschaft empfahl, den Umstellungsversuchen der Vermieter von Brutto- auf Nettokaltmiete als Mieter nicht nachzugeben, sah sie in der Ausweisung von Nettokaltmieten im Mietspiegel 1998 eine Förderung der vermieterseitigen Umstellungsstrategien. Aus diesem Grund hat die Berliner MieterGemeinschaft den Mietspiegel 1998 nicht anerkannt.

Mietspiegel 1998: Mittelwerte der Nettokaltmiete
Baualtersklasse bis 1918 mit Vollausstattung
von 3,49 Euro bis 6,07 Euro.

Mietspiegel 1999 für die östlichen Bezirke

Zum Ende Juni 1999 lief gemäß Mietüberleitungsgesetz die Geltungsdauer des Mietspiegels 1997 für die östlichen Bezirke aus. Die Mietenentwicklung in der Zwischenzeit wurde vor allem durch die leichte Entspannung auf dem Wohnungsmarkt und die zunehmenden Modernisierungsmaßnahmen in Alt- und Neubau der Ostbezirke bestimmt. Mieten für Wohnungen mit Außentoilette konnten nur noch durch Abschläge von den Mieten besser ausgestatteter Mietspiegelfelder ausgewiesen werden. Die Spannenoberwerte der Mietspiegelfelder im Altbau gingen überwiegend zurück, während die der Neubaufelder anstiegen. Hier zeigte sich ein Zusammenhang zwischen Angebot und zahlungskräftiger Nachfrage. Im Vergleich mit dem Westmietspiegel 1998 war bei den Mittelwerten eine spürbare Angleichung der Mietniveaus zu verzeichnen. Mit 5% Extremwertbereinigung und einer 3/4-Spanne wurde nach zähen Verhandlungen schließlich ein Kompromiss zwischen Mieter- und Vermieterverbänden erzielt, sodass Ende Juli 1999 ein gemeinsam getragener Mietspiegel 1999 für die östlichen Bezirke veröffentlicht werden konnte. Hinsichtlich der 3/4-Spanne gab es einen Protokollvermerk, dass diese nicht die Geschäftsgrundlage für die Spannenausweisung zukünftiger Mietspiegeltabellen für die östlichen Bezirken darstellt.

Mietspiegel 1999: Mittelwerte der Nettokaltmiete
Baualtersklasse bis 1918 mit Vollausstattung
von 3,79 Euro bis 5,55 Euro.

Mietspiegel 2000
Bei der Erstellung des Mietspiegels 2000 kam vom Senat die Vorgabe, das Zusammenwachsen der beiden Stadthälften zu berücksichtigen und einen einheitlichen Mietspiegel zu erstellen. Die ersten Erhebungsdaten von GEWOS verdeutlichten die Vermutung der Mieter- und Vermieterverbände, dass weder eine einheitliche Mietspiegeltabelle, noch einheitliche Orientierungshilfen zur Spanneneinordnung den unterschiedlichen Gegebenheiten in den beiden Stadthälften Rechnung tragen könnten.
Die Verhandlungsstrategie der Vermieterverbände wurde darüber hinaus durch das Erscheinen eines Referentenentwurfs zur Mietrechtsreform bestimmt. Mit dem Konzept des "qualifizierten Mietspiegels", der Vergleichswohnungen zur Begründung von Mieterhöhungen und Sachverständigengutachten zum Beweis der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete so gut wie überflüssig machen sollte, würde die Bedeutung des Mietspiegels zum überlegenen Beweismittel aufgewertet. Die geplante Absenkung der Kappungsgrenze auf 20% innerhalb von drei Jahren lag ihnen ebenso schwer im Magen. Auf dem Wohnungsmarkt gab es erhebliche Leerstände in schlecht ausgestatteten und unattraktiven Wohnungen des Alt- und Neubaus, aber eine angespannte Situation bei gut ausgestatteten größeren Wohnungen in guter Lage. Im Vergleich der Mittelwerte ergaben sich demzufolge Mietsenkungen im Westen bei kleinen und schlecht ausgestatteten Wohnungen und im Osten überwiegend in den Feldern, wo die Mieten bisher über den der vergleichbaren Wohnungen des Westens lagen. In der Tabelle für die westlichen Bezirke wurde eine 2/3-Spanne ausgewiesen. Insoweit haben die Mieterorganisationen den Mietspiegel anerkannt und mitgetragen. In der Tabelle für die östlichen Bezirke wurde ohne wissenschaftlich begründbare Notwendigkeit eine 3/4-Spanne ausgewiesen. Hier war kein Einvernehmen zu erzielen. Damit der Anfang September 2000 veröffentlichte Mietspiegel die Anforderungen eines "qualifizierten Mietspiegels" gemäß des im nächsten Jahr in Kraft tretenden Mietrechtsreformgesetzes erfüllte, haben wir bezüglich der Spanne-Ost einen Anerkenntnisvorbehalt in die Mietspiegelbroschüre aufgenommen.

Mietspiegel 2000: Mittelwerte der Nettokaltmiete
Baualtersklasse bis 1918 mit Vollausstattung
von 3,82 Euro bis 5,08 Euro im Osten und
von 3,80 Euro bis 6,32 Euro im Westen.

Mietspiegel 2003

Im September 2001 war das von Rot-Grün versprochene Mietrechtsreformgesetz in Kraft getreten. Das Miethöherecht war nunmehr im novellierten BGB integriert. Die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen innerhalb von drei Jahren wurde auf 20% gesenkt. Der qualifizierte Mietspiegel wurde fast ausschließliches Begründungs- und Beweismittel für die ortsübliche Vergleichsmiete. Es wurden neue Hinweise der Bundesregierung zur Erstellung dieser Mietspiegel veröffentlicht. Mit der Erhebung und Auswertung der Mietspiegeldaten wurde diesmal als günstigster Anbieter das Forschungsinstitut Analyse und Konzepte beauftragt.

Vorab mussten die Wohnungen aussortiert werden, deren Miethöhe durch eine Förderzusage festgelegt wurde. Auch die Extremwertkappung konnte nicht mehr einvernehmlich festgelegt werden, sondern musste wissenschaftlichen Kriterien entsprechen. Ferner musste eine Spanne ausgewiesen werden, die der Streuung der üblichen Mieten eines Felds entspricht, wobei die 2/3-Spanne als Mindestmaß zu berücksichtigen ist. Die Mieterverbände hatten sich mit einer individuellen Spannenausweisung für jedes einzelne Mietspiegelfeld in Abhängigkeit von der Streubreite der Mietwerte in einer Bandbreite zwischen 2/3- und 3/4-Spanne einverstanden erklärt. Senat und Hausbesitzerverbände votierten für eine Bandbreite von 2/3- bis 4/5-Spanne. Die Vermieterorganisationen - erbost über die neue Verbindlichkeit von qualifizierten Mietspiegeln - wollten damit weitere Mieterhöhungsspielräume eröffnen. Der Landesverband freier Wohnungsunternehmen hat später in seiner Verbandszeitschrift das zusätzliche Mieterhöhungspotenzial mit ca. 50 Mio. Euro beziffert. Der Senat wollte die Folgen der Abschaffung der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau für das Investitionsklima kompensieren. Erstmals in der Geschichte der Mietspiegelerstellung haben nur Senat und Vermieter den Mietspiegel anerkannt. Stadtentwicklungssenator Strieder (SPD) hatte sich auf die Seite der Hausbesitzer geschlagen. Die Mieterverbände haben diese perfide Einkommensumverteilung nicht mitgetragen.

Mietspiegel 2003: Mittelwerte der Nettokaltmiete
Baualtersklasse bis 1918 mit Vollausstattung
von 4,22 Euro bis 5,24 Euro im Osten und
von 3,67 Euro bis 5,71 Euro im Westen.

Mietspiegel 2005

Zu Beginn der Verhandlungen haben die Vermieterverbände statt für eine Erhebung neuer Daten für eine Fortschreibung der Daten des Mietspiegels 2003 unter Verwendung des Lebenshaltungskostenindex plädiert. Dies hätte jedoch in keiner Weise der tatsächlichen, sehr heterogenen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt entsprochen, weil dadurch alle Werte des Mietspiegels 2003 um einen festenProzentsatz erhöht worden wären. Unter dem Deckmantel der Haushaltsprobleme versuchten sie, Mieterhöhungsspielräume zu realisieren, die keineswegs der Marktentwicklung entsprechen. Hierbei haben sie sich auch des Landesrechnungshofs bedient, was die Freigabe der Finanzmittel für den Mietspiegel und damit die Auftragsvergabe an GEWOS als günstigster Anbieter verzögert hat. Auf Grund der zunehmenden Angleichung der Mieten in beiden Stadthälften wurden die Daten für Altbauwohnungen und für Neubauwohnungen bis 1972 gemeinsam erhoben. Lediglich beim Neubau zwischen 1973 und 1990 erfolgte eine nach Ost und West getrennte Erhebung der Mietwerte. Im Ergebnis waren die Unterwerte bei fast allen Mietspiegelfeldern angestiegen und ein Rückgang der Oberwerte zu verzeichnen. Die Mieterorganisationen haben wegen dieser Stauchung bei den Spannen verlangt, zur 2/3-Spanne zurückzukehren, und als Kompromiss angeboten, eine variable Spanne von 2/3 bis 3/4 in Abhängigkeit zur Streubreite der Mietwerte jedes einzelnen Mietspiegelfelds auszuweisen. Senat und Hausbesitzerverbände votierten trotz Rückgang der Streubreite für eine variable Spannenausweisung von 2/3 bis 4/5. Damit unterstützt auch die neue SPD-Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reiher den neoliberalen Trend zur Einkommensumverteilung von den Mietern auf die Hauseigentümer. Ein von Senat und Vermietern anerkannter Mietspiegel scheint zur neuen Geschäftsgrundlage geworden zu sein.

Mietspiegel 2005: Mittelwerte der Nettokaltmiete
Baualtersklasse bis 1918 mit Vollausstattung
von 4,12 Euro bis 5,05 Euro.

Resümee

Von allen Beteiligten wird anerkannt, dass nicht jede gezahlte Miete als ortsübliche Vergleichsmiete im Mietspiegel auszuweisen ist. Aber hier hört dann schon die Gemeinsamkeit auf.

Wissenschaftlich gibt es keine hinreichende Evidenz dafür, bei den gegenwärtigen Bedingungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt bei abnehmender Streubreite der Mieten um den Mittelwert eine 4/5-Spanne als Maximum auszuweisen. Dass die Hausbesitzer naturgemäß in Richtung 9/10-Spanne wollen, ist angesichts ihrer Interessenlage nur allzu verständlich. Aber was treibt den schamroten Verordnungsgeber Senat zur einseitigen Intervention zugunsten der Vermieter? Gebetsmühlenartig haut die Senatorin den Mieter/innen Mietpreisvergleiche mit Hamburg und München um die Ohren, und absichtlich vergisst sie dabei zu erwähnen, dass Löhne und Gehälter allenfalls das Niveau von Bielefeld und Osnabrück erreichen. Von der Rekordmassenarbeitslosigkeit ganz zu schweigen. Aber unter Neoliberalen ist das Fehlen zahlungskräftiger Nachfrage kein Argument. Eher schon regiert der Shareholdervalue, bzw. dass der Wert von Wohnungsunternehmen an der Börse durch die Höhe von Mieteinnahmen und deren Steigerungsmöglichkeiten bestimmt wird. Um weitere Privatisierungsstrategien erfolgreich fahren zu können, besteht dringender Handlungsbedarf auf der Einnahmenseite und das freut den Finanzsenator. Die Mieter/innen sollen zahlen oder umziehen in die leerstehende "Platte" am Stadtrand.

*) Die mit einem * gekennzeichneten Begriffe werden auf Seite 15 erklärt.

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