MieterEcho

MieterEcho 306/Oktober 2004

 MIETRECHT AKTUELL

Kündigungssperrfrist

Neue Verordnung zum Kündigungsschutz bei Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Berlin

Alle Mieter/innen, deren Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt und verkauft werden, können sich gegenüber dem Käufer auf einen gesetzlichen Schutz von drei Jahren berufen, bevor Kündigungen wegen Eigenbedarfs oder zum Zweck angemessener wirtschaftlicher Verwertung erfolgen können. Diese nicht allzu lange Frist kann auf bis zu zehn Jahre ausgedehnt werden, "wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil der Gemeinde besonders gefährdet ist". So räumt es der § 577 a des BGB ein. Erforderlich ist dafür eine entsprechende Rechtsverordnung der Landesregierung.

Bisher gab es in Berlin eine Rechtsverordnung, durch die der Kündigungsschutz auf zehn Jahre ausgedehnt worden war, weil man die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen für gefährdet hielt. Der Nachteil dieser Verordnung war allerdings, dass sie nur bis zum 31.08.2004 galt. Politisches Handeln des Senats wurde daher unvermeidlich und so ist am 20.07.2004 eine neue Rechtsverordnung mit einer Laufzeit von sieben Jahren erlassen worden.

Seit dem 01.09.2004 gilt in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf, Tempelhof-Schöneberg und Pankow eine siebenjährige Kündigungssperrfrist und in allen anderen Bezirken nur noch die gesetzliche von drei Jahren.

Bereits während seiner Amtszeit hatte der ehemalige Stadtentwicklungssenator Strieder dieser - für die Mieter/innen nun schlechteren - Regelung Vorschub geleistet, indem er permanent den Berliner Wohnungsmarkt als "entspannt" bezeichnete. Die Gerichte griffen wiederholt auf diese Aussagen zum Nachteil der Mieter/innen zurück. Kein Wunder, dass auch die der Rechtsverordnung zugrunde liegende Untersuchung mit einer politisch geschätzten Leerstandsquote von 100.000 Wohnungen operiert. Der Leerstand sei aber nicht gleichmäßig über die Stadt verteilt, sondern konzentriere sich auf die Großsiedlungen des komplexen Wohnungsbaus im Ostteil der Stadt sowie auf die unsanierten Altbauten im Innenstadtbereich und schlage nicht auf alle Teilmärkte durch, wird in der Untersuchung einschränkend festgestellt.

Diese Einschränkung ist notwendig, denn gäbe es einen flächendeckend "entspannten" Wohnungsmarkt, müsste er nach den Gesetzen des Markts niedrige Mieten zur Folge haben. Doch von Mietsenkungen ist in Berlin nichts zu spüren.

Ebenso schlecht wie mit den Mietpreisen ist es mit der Zahlungsfähigkeit der Mieter/innen bestellt. Nach den in Berlin geltenden Regeln zur Erlangung eines Wohnberechtigungsscheins haben 70% aller Berliner Haushalte Anspruch auf eine preisgebundene Sozialwohnung. Wenn das Gesetz "angemessene Bedingungen" für die Wohnungsversorgung verlangt, dann müssten diese Bedingungen der Berliner Einkommensschwäche angemessen sein. Aber das sind sie nicht. Und sie werden es in Zukunft noch viel weniger sein, wenn im Zuge der Streichung der Arbeitslosenhilfe die Nachfrage nach kleinen, bezahlbaren Wohnungen weiter steigt und kaum befriedigt werden kann (siehe auch Beiträge "Offene Fragen zu Hartz IV", "Hartz IV lässt die Verdrängungsfalle zuschnappen" und "Angemessene Unterkunft" in diesem Heft).

Dennoch hat, worauf auch in diesem Zusammenhang unbedingt hinzuweisen ist, diese dem Senat längst bekannte Tatsache den Verkauf der GSW an internationale Finanzjongleure nicht verhindert.

Bei rund 330.000 Wohnungen ist z. Zt. eine Umwandlung eingeleitet. Von diesem Potenzial geht eine ständige Verdrängungsgefahr für die nun rechtlich geschwächten Mieter/innen aus. Gefährdet sind alle Mieter/innen dieser Stadt und nicht nur diejenigen in einigen ausgewählten Bezirken. Es wird umgewandelt, was das Zeug hält. Und auch wenn in Plattenbausiedlungen Leerstände existieren, bieten sie keinen Schutz vor Verdrängung aus den anderen Bezirken. Doch gerade davor soll die Verordnung schützen. Die Logik des neu festgelegten verkrüppelten Mieterschutzes, der nur Verdrängungsgefahr in Teilbereichen dieser Stadt akzeptieren will, bleibt dunkel. Dagegen erhellt sich aber die politische Absicht sofort, wirft man einen Blick auf die Unterschrift unter dieser Verordnung. Es ist die des neoliberalen Finanzsenators und GSW-Verkäufers Dr. Thilo Sarrazin. Für das anlagesuchende Kapital ist jeder Mieterschutz ein Investitionshemmnis. Die neue Kündigungsschutzklausel hält es so gering wie möglich.

Neue Kündigungssperrfrist seit dem 01.09.2004:

1) Sieben Jahre in den Bezirken

2) Drei Jahre in allen anderen Bezirken

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