MieterEcho

MieterEcho 306/Oktober 2004

 TITEL

Angemessene Unterkunft

Wie groß und wie teuer darf die Wohnung sein, damit die Wohnkosten mit ALG II übernommen werden?

Bisher erhielten Arbeitslosenhilfeempfänger/innen Wohngeld nach Tabelle und die Empfänger/innen von Sozialhilfe pauschaliertes Wohngeld. Zukünftig bekommen alle ALG II-Beziehenden "Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind", gibt § 22 Absatz 1 des II Sozialgesetzbuchs (SGB II) vor.

Was ist angemessen?

Was als angemessen gelten kann, legen die örtlichen Behörden fest. In Berlin fehlen bisher die Ausführungsbestimmungen. Man wird sich aber an den Sätzen für das Wohngeld und an den Sozialhilfe Richtlinien orientieren können.

Personen

Zimmer

qm

Höchstwerte Nettokaltmiete
bis 1949

Höchstwerte Nettokaltmiete
ab 1950

1

1-2 Zimmer

max. 50 qm

227,50 Euro

225,00 Euro

2

2 Zimmer

max. 60 qm

267,00 Euro

270,00 Euro

3

3 Zimmer

max. 75 qm

318,75 Euro

333,75 Euro

4

4 Zimmer

max. 85 qm

361,25 Euro

378,25 Euro

5

5 Zimmer

max. 97 qm

407,40 Euro

451,05 Euro

Für jede weitere Person

+12 qm

+50,40 Euro

+55,80 Euro

Der Maßstab für die Miethöhe einer Wohnung der geforderten Größe dürfte die untere Mietspiegelgrenze sein.

Was geschieht, wenn die festgelegte Angemessenheit überschritten wird?

Eine zu große Wohnung oder eine zu hohe Miete, ist so lange zu akzeptieren, sagt das Gesetz, "wie es dem allein stehenden Hilfsbedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate."

Eine Bedarfsgemeinschaft von zwei Personen beispielsweise hat Anspruch auf die Übernahme von Kosten für eine 60 qm Wohnung. Bewohnen sie zusammen aber eine Wohnung von 89 qm, die 600 Euro Miete kostet, werden die Kosten höchstens noch ein halbes Jahr übernommen.

Was danach geschieht, ist noch ungewiss. Mehrere Möglichkeiten bieten sich an:

Die bisherigen Erfahrungen mit den Sozialämtern sind nicht einheitlich. In jedem Fall wird man aber davon ausgehen müssen, dass sich eine Bedarfsgemeinschaft, die ALG II nur erhält, wenn sie völlig mittellos ist, sich die größere Wohnung sowieso nicht leisten kann und daher auch ohne Druck von der Agentur zum Umzug gezwungen ist.

Über den Umzug entscheidet der Fallmanager:

"Vor Abschluss eines Vertrags über eine neue Unterkunft soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige die Zusicherung des kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind."

Wenn dann diese Zusicherung erteilt ist, können auch die Wohnungsbeschaffungskosten, Mietkautionen und Umzugskosten übernommen werden. Wohlgemerkt, sie können übernommen werden, müssen aber nicht. Wovon das abhängt, ist zur Zeit noch unklar. Klar ist nur, allzu viel Rechtssicherheit wird den "erwerbsfähigen Hilfebedürftigen" nicht gewährt.

Übernahme von Mietschulden?

"Mietschulden können als Darlehen übernommen werden, wenn sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht und hierdurch die Aufnahme einer konkret in Aussicht stehenden Beschäftigung verhindert würde" (§ 22 Absatz 5 SGB II). So steht es im Gesetz.

Drohende Wohnungslosigkeit allein reicht nicht zur Übernahme von Mietschulden auf Darlehensbasis. Durch die drohende Obdachlosigkeit muss die Aufnahme einer Tätigkeit verhindert werden. Doch das nicht nur allgemein, was sicherlich immer der Fall ist, denn kaum ein Obdachloser kann einer geregelten Tätigkeit nachgehen, sondern es muss bereits eine Tätigkeit konkret in Aussicht stehen.

Wann steht aber eine Tätigkeit konkret in Aussicht? Wenn man sich beworben hat, wenn man in die engere Wahl gezogen wurde oder erst dann, wenn bereits eine Zusage erteilt worden ist? Dies zu entscheiden, dürfte zukünftig dem Fallmanager obliegen.

Tatsächliche Kosten bei Netto- und bei Bruttomieten

Die Ämter haben offenbar Probleme mit den vom Gesetzgeber genannten "tatsächlichen Kosten", wie aus ihrem Umgang mit den Betriebskosten hervorgeht.

Ist eine Nettomiete vereinbart, werden Betriebskostenvorauszahlungen geleistet und jährlich über die Betriebskosten abgerechnet. Überzahlungen werden dann zurückerstattet und bei Unterzahlungen Nachforderungen gestellt. Diese Situation versuchen die Ämter in den Griff zu bekommen, indem sie sich die Betriebskostenabrechnungen des Vorjahrs vorlegen lassen. Hilflos werden die Sachbearbeiter, wenn eine solche Abrechnung nicht existiert, weil eine Bruttomiete, in der eine Pauschale für Betriebskosten bereits enthalten ist, gezahlt wird. In solchen Fällen verlangen sie Bescheinigungen vom Vermieter, aus denen die gezahlten Beträge an den Versorger hervorgehen. Kein Vermieter ist zu solchen Bescheinigungen verpflichtet und kein Antragsteller kann sich darum bemühen. Eine Bruttomiete besteht nur aus "tatsächlichen Kosten" für die Unterkunft. Doch bis sich diese Erkenntnis auf den Ämtern durchgesetzt hat, wird noch einige Zeit vergehen. Die Berliner MieterGemeinschaft nimmt gerne Informationen darüber entgegen.

Informationsabende

Informationsabende mit Juristen zu sozialrechtlichen Problemen sowie Beratungen zum Thema Wohngeld, Mietschulden, Umgang mit Ämtern und Behörden etc. finden jeden Dienstag um 19 Uhr in der Geschäftsstelle der Berliner MieterGemeinschaft, Möckernstraße 92, 10963 Berlin statt.
Hier wird außerdem Unterstützung beim Ausfüllen von Anträgen auf Wohngeld, Rechtsberatung oder Prozesskostenhilfe geleistet.
Die Informationsabende und die Beratungen sind auch für Nicht-Mitglieder offen.
Rückfragen unter Tel.: 21 00 25-84

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