MieterEcho

MieterEcho 305/August 2004

 Immobilienverwertung

Kollektive Räume statt Investorenträume

Yorck 59 bleibt!

Bewohner/innen der Yorckstraße 59

Das Hausprojekt Yorck 59 befindet sich in der Yorckstraße 59, im Hinterhaus eines schönen alten Backsteinbaus. Die vier Fabriketagen wurden 1989 von einer Gemeinschaft linker Wohngruppen gemietet und ausgebaut. Wir leben und arbeiten dort seit 15 Jahren, kollektiv, solidarisch und selbstbestimmt; 60 Leute im Alter von 0 bis 43, darunter 10 Kinder.

In der Yorck 59 gibt es außer den großen Wohngemeinschaften auch Raum für politische Initiativen, z.B. die ARI (Anti-Rassistische Initiative), das Radioprojekt Onda, den Infopool Lateinamerika Poonal, das Anti-Hartz-Bündnis, diverse internationalistische Gruppen sowie ein Atelier. Im zweiten Stock, in der so genannten Veranstaltungsetage, befindet sich die DruzBar. Jeden ersten und dritten Montag im Monat gibt es hier leckeres Essen, Getränke zum Selbstkostenpreis und regelmäßig Filme oder andere Darbietungen. Diese Etage wird seit vielen Jahren außerdem von nichtkommerziellen Sport- und Theatergruppen und für Partys, Ausstellungen und politische Veranstaltungen genutzt. In unserem Hof ist Platz für die Kinder und zum Lesen, Treffen und für die alljährlichen Hoffeste. Das Hausprojekt stellt also eine wichtige Infrastruktur für die Nachbarschaft und die linke (Sub-)Kultur dar. Doch nach den Vorstellungen der neuen Hauseigentümer soll dies ein Ende haben.

Unsere aktuelle Situation

Im Sommer 2003 geriet das Haus in Zwangsverwaltung, da unser alter Besitzer Pleite gegangen war. Als wir davon hörten, planten wir, das Haus mit Hilfe der Genossenschaft Freiburger Mietshäuser Syndikat selbst zu kaufen. Doch die Bank verkaufte das Haus im Dezember 2003 an uns vorbei. Der neue Besitzer, Herr Marc Walter aus Hamburg, gründete die Yorckstraße 59 GbR mit Firmensitz Kantstraße 134. Sein Projekt ist es offensichtlich, dem Haus ein respektables und ansehnliches Äußeres zu geben, um dann genauso respektable Mieten zu kassieren.

Die neue Hausverwaltung, Boris Gregor Marweld mit der Bau-Partner GmbH, die auch in dem Büro in der Kantstraße 134 sitzt, ging von Anfang an auf Konfrontationskurs: Sie versucht, uns Teile der Sanierungskosten wegen angeblicher Selbstverschuldung aufzudrücken. Auch die politischen Plakate in den Hofdurchgängen lässt Marweld wöchentlich beseitigen und die Kosten will er auf uns abwälzen. Den Hof, den wir seit Jahren nutzen, sollen wir räumen. Der neue Vermieter verlangt von uns zudem ab September 2004 mit Ablauf des Mietvertrags mehr als das Doppelte der jetzigen Nettokaltmiete. Das können und wollen wir nicht bezahlen.

Als wir Ende 1988 den Vertrag abschlossen, sahen wir uns gezwungen, einem Gewerbemietvertrag zuzustimmen, da der hintere Gebäudeteil der Yorck 59 als Gewerbegebäude ausgewiesen war. Beiden Parteien war dabei klar, dass die Mieträume überwiegend zum Wohnen genutzt werden würden. Unter Anwendung des Wohnmietrechts käme somit kein Vertragsende und keine Mieterhöhung in Frage, da die Räume eine der jetzigen Miethöhe entsprechende einfache Ausstattung aufweisen.

Widerstand tut Not

Nicht nur auf der juristischen Ebene wollen wir der geplanten Vertreibung durch Mieterhöhung begegnen. Mit einer öffentlichen politischen Kampagne sind wir dabei, das Profitinteresse von Walter und Marweld zu durchkreuzen. Wir wollen, dass es eine politische Lösung für unser Hausprojekt und die vielen derzeit durch Privatisierung bedrohten Mietshäuser in Friedrichshain-Kreuzberg gibt. Dafür setzen wir nicht nur die Bezirkspolitiker/innen unter Druck, sondern gehen auch für den Erhalt der Yorck 59 gemeinsam mit unseren Unterstützer/innen auf die Straße. Am 24.05.2004 liefen wir bereits vor der Kantstraße 134 auf und demonstrierten mit über 100 Leuten lautstark, dass wir uns nicht unter kriegen lassen. Wir bekamen dabei viel Zuspruch von Anwohner/innen und Gewerbetreibenden. Den Herren Marweld, Vater Ulrich wie Sohn Boris, gehören noch weitere Immobilien, u.a. in Potsdam. Wir erfuhren, dass sie schon seit Jahren Häuser aufkaufen und teuer sanieren. Es wäre schön, wenn sich Betroffene bei uns melden würden.

So wie die Mieter/innen der Bewoge im Kreuzberger Walde-Kiez (siehe MieterEcho Nr. 302 u. 303, die Red.) sich organisiert haben und schwarze Tücher an viele Fassaden hängten, haben einige Hausprojekte in der Stadt nunmehr Transparente aus ihren Fenstern hängen, um ihre Solidarität mit unserem Hauskampf auszudrücken. Schließlich sind wir im PiRat (Projekte und Initiativen Rat Berlin) zusammen geschlossen, mit dem wir versuchen, uns gemeinsam für den Erhalt bedrohter Hausprojekte und Wagenplätze einzusetzen.

Unser Hauskampf hat Geschichte

Unsere Hauskampfgeschichte ist auch nicht ohne. Schon vor neun Jahren hat es das Duo Penz & Garski mit uns zu tun bekommen. Sie wollten unsere Miete vervierfachen. Doch wir gingen ihnen mit öffentlichen Aktionen vor den Sorat-Hotels, der Veröffentlichung von Dietrich Garskis Geldgeschäften (er ist beim Senat mit über 45 Mio. Euro verschuldet) und durch die vielen Solidaritätsbekundungen gehörig auf die Nerven. Am Ende mussten sie sich am runden Tisch mit uns einigen. Nur auf Grund unseres damaligen Widerstands existiert unser Hausprojekt immer noch und das werden wir auch diesmal schaffen. Für ein selbstbestimmtes und kollektives Leben: Yorck 59 bleibt!

Kontakt:

www.yorck59.net

yorck59bleibt@gmx.net

Antirassistische Initiative Berlin

Die Antirassistische Initiative Berlin (ARI) hat seit 13 Jahren ihren Sitz in der Yorckstraße 59. Sie kämpft gegen Rassismus und Diskriminierung, u.a. durch Kundgebungen und Öffentlichkeitsarbeit oder durch Unterstützung von Flüchtlingsorganisation mittels Bereitstellung einer verlässlichen Infrastruktur. Die ARI ist sowohl mit anderen Berliner Antirassismusgruppen als auch in bundesweiten Zusammenhängen vernetzt. Ohne das Büro in der Yorckstraße 59 wäre eine solche Struktur nicht möglich. Eine Mieterhöhung würde nicht nur die ARI vertreiben, sondern auch alle Gruppen, die die Struktur der ARI nutzen. Dies sind vor allem Flüchtlingsgruppen, wie The Voice Berlin oder die Brandenburger Flüchtlingsinitiative, für die es sehr schwierig ist, Büroräume oder finanzielle Unterstützung zu erhalten. Die Vertreibung aus der Yorckstraße 59 würde deshalb einen wichtigen Teil der regionalen Selbstorganisation von Flüchtlingen zerstören.

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