MieterEcho
Nr. 261 - März/April 97

200 Bewohner/innen setzten sich gegen 18-Millionen-Investor durch
Mieter-GbR Geschwister-Scholl-Str./Planckstr. steht!

Es dürfte die größte Mieter-GbR ihrer Art sein: 78 von 84 Mietparteien unter einem Hut! Das ist wohl dem Druck geschuldet, unter den die Bewohner/innen seitens der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) vor eineinhalb Jahren gesetzt wurden, als es hieß: Die Häuser Geschwister-Scholl-Straße 5/Planckstraße 20,22,24 gehen an einen privaten Investor, und von diesem dann zu erfahren war, er beabsichtige, die Gebäude für 18 Millionen Mark zu modernisieren!

Den Mieter/innen war klar: Das bedeutet über kurz oder lang die Vertreibung durch zu hohe Mieten, aus diesen Immobilien am Bahnhof Friedrichstraße, ein Filetstück für Makler und Spekulanten, so nahe am künftigen Regierungsviertel.

Mieter/innen kontra Zwischenerwerber

Druck erzeugt Gegendruck - und schmiedet zusammen: Über ihre drei Mieterbeiräte übten nunmehr die Mieter/innen Druck aus, forderten ihr Vorkaufsrecht bei der Wohnungsprivatisierung ein, wollten eine Genossenschaft bilden, um die Häuser zu erwerben. Dies scheiterte an der Voreiligkeit der WBM, die dem Privaterwerber bereits die Gewerbeteile der Häuser und die Dachgeschosse - zwecks Ausbau - vertraglich zugesprochen hatte, so daß eine Genossenschaft nicht aktionsfähig und auch finanziell nicht lebensfähig gewesen wäre(*).

Als Ausweg bot sich den Betroffenen die Bildung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) an, die die Häuser kaufen und sanieren und anschließend die Wohnungen an ihre Bewohner/innen verkaufen würde. Dies erschien real, da entgegen den Investor-Behauptungen über einen Investitionsbedarf von 18 Millionen der tatsächliche Bedarf, mit Augenmaß und im Sinne der Mieter/innen, bei einem Viertel dieser Summe lag. Dadurch rückte der spätere Kaufpreis für die Wohnungen in den Bereich, der für die jetzigen Bewohner, mit Unterstützung der Banken, erreichbar war.

Aber auch jetzt fehlte es nicht an Versuchen, seitens der WBM, den Erwerb der Häuser durch die Mietparteien doch noch zu torpedieren (**). Letztlich rückte die WBM auch noch von der Variante "Häusererwerb durch die Mieter-GbR" ab. Diese wurde durch die Forderung ersetzt: Einzelkauf der Wohnung durch den jeweiligen Mieter mit Sanierungsverpflichtung.

GbR als Ausweg

Auch damit konnten die Bewohner/innen leben: Für sie war klar, sie würden diese Sanierungsverpflichtung weiterhin im Rahmen einer GbR erfüllen. So erfolgt seit Dezember 1996 sukzessive der Einzelverkauf der Wohnungen an deren Mieter/innen, zu einem Preis von 700.-DM für den Quadratmeter Altbausubstanz (auf den in den bereits teilsanierten Gebäuden noch ein Aufschlag hinzukommt). Für die Sanierung werden dann nochmals 700-800.-DM/qm gebraucht.

Und Am 13. Januar 1997 wurde die "GbR Geschwister-Scholl-Straße 5" offiziell gegründet - besser wäre zu sagen: konstituiert. Denn sie bestand de facto schon seit August/September 1996, als der WBM die unterschriebenen Optionen aller kaufwilligen Mietparteien auf ihre jeweilige Wohnung, im Rahmen einer GbR, übergeben worden waren.

Sanierung mit Augenmaß

Jetzt geht es an die Sanierung. Über sie entscheidet die Eigentümergemeinschaft, zu der auch der Investor gehört. Doch in ihr hat die GbR eindeutig die Mehrheit. So bleibt offen, ob der Investor unter diesen Umständen an seinem Teileigentum festhalten wird, sind doch seine Blütenträume, die ganze Immobilie zu übernehmen und gewinnträchtig zu verwerten, nicht gereift.

Die GbR jedenfalls will jetzt ihr Sanierungskonzept innerhalb von etwa zwei Jahren verwirklichen. Ausgezahlt hat sich, daß sie über eine gute Beratung verfügt hat, daß ein realistisches Gutachten von versierten Fachleuten für Altbausanierung vorlag und daß die Mieter/innen bereits zeitig auf ihrem Weg zur GbR von einer Bank begleitet und beraten wurden - was auch gute Konditionen für sie durch die Bank zur Folge hatte, angesichts der Größe des Projekts.

Kreditbelastung statt Miete

Die gegenwärtige Grundmiete beträgt in den Häusern rund 5.-DM/qm, die kalten und warmen Betriebskosten liegen bei ca 3,80 DM/qm. Wie hoch wird nun, statt der Miete, die Belastung der Mietparteien durch je zwei Kredite: dem aufgenommenen Kredit für den Wohnungskauf plus dem noch aufzunehmenden Kredit für die Sanierung?

Herr Olaf Breitkreuz von der gewählten GbR-Geschäftsführung gab uns eine mehrteilige Antwort:

  • Die Belastung liegt durchschnittlich etwas höher als die gegenwärtige Miete;
  • Jeder handelt selbst die Laufzeit seines Kredites aus und kann damit die Höhe der monatlichen Mehrbelastung beeinflussen;
  • Allgemein steigen die Mieten sowieso, hier aber wird durch die Mehrbelastung der Besitz an der Wohnung vor der sonst drohenden Vertreibung gesichert;
  • Nach Tilgung der Kredite sinkt die Belastung wesentlich (Reduzierung auf Instandhaltungs- und Verwaltungsumlage für das Gemeinschaftseigentum und auf Instandhaltungskosten der eigenen Wohnung).

Fazit

Die letzten eineinhalb Jahre waren für die jetzigen Mitglieder der GbR sehr strapaziös, voller Aufregungen, oft wechselte Hoffnung mit Enttäuschung, aber auch Ohnmachtsgefühl mit Aufbegehren. Wie resümiert Herr Olaf Breitkreuz diese Zeit? Er sagte es uns in sechs Wörtern: "Sich nicht unterkriegen lassen, dran bleiben!"

Jonny Granzow

 *)Siehe "Wie verhindert man eine Mietergenossenschaft?" (ME 257/96)
**) Siehe "Mieter/innen-GbR gegen Rausmodernisierung" (ME 259/96)

 
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