Die landeseigenen Wohnungsunternehmen müssen in den kommenden zwei Jahren ihre Mieten senken und auf die Umlage der Modernisierungskosten verzichten, fordert die Berliner MieterGemeinschaft e.V anlässlich der Veröffentlichung des Mietspiegels 2019. Viele Mieterinnen und Mieter nehmen den Mietspiegel berechtigterweise als reinen Mieterhöhungsspiegel wahr, gleichzeitig brauchen wir ihn als gerichtsfeste Grundlage zur Begrenzung des Mietzinses. Der Mietspiegel muss daher dringend reformiert werden: In die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete müssen alle Bestandsmieten einfließen, nicht nur die veränderten Mieten der letzten vier Jahre. Solange das nicht der Fall ist, muss mit einer entsprechenden Mietpreispolitik der landeseigenen Wohnungsunternehmen gegengesteuert werden.
„Im heutigen Mietspiegel schlagen die hohen Neuvertragsmieten und die Mieterhöhungen der letzten vier Jahre voll zu Buche. Eine Mietsenkung bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen ist schnell umsetzbar und wirkungsvoll: Mit einem Bestand von über 300.000 Wohnungen hätte sie eine dämpfende Wirkung auf den kommenden Mietspiegel 2021. Das würde den Mieterinnen und Mietern eine Atempause verschaffen, bis längerfristige Maßnahmen wie ein öffentliches Wohnungsbauprogramm Wirkung entfalten“, sagt Philipp Möller von der Berliner MieterGemeinschaft.
Die landeseigenen Wohnungsunternehmen gehören zu den wichtigsten wohnungspolitischen Steuerungsinstrumenten. Das Land Berlin als Eigentümerin muss die Wohnungsunternehmen grundlegend reformieren, so dass sie ihrem Versorgungsauftrag wirkungsvoll gerecht werden können. Die Unternehmen müssen sowohl von ihrer Rechtsform als auch ihrer personellen und finanziellen Ausstattung her in die Lage versetzt werden, 100 Prozent leistbare Wohnungen in wesentlich höherer Zahl als heute zu bauen. Kern der Reformvorschläge sind die Umwandlung und Zusammenführung der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zu einer Anstalt öffentlichen Rechts oder zu einem kommunalen Eigenbetrieb. Die alleinige politische Zuständigkeit ist der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen zu übertragen.
„In der Stadt entsteht viel zu wenig leistbarer Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung. Wir beobachten mit Sorge, dass die landeseigenen Wohnungsunternehmen ihre ohnehin unzureichenden Neubauziele in dieser Legislaturperiode verfehlen werden. Bausenatorin Lompscher hat bisher keine wirksamen Schritte unternommen, die Zahl der Fertigstellungen signifikant zu erhöhen“, sagt Philipp Möller von der Berliner MieterGemeinschaft.
Die gestiegenen Werte des Mietspiegels sind Folge des sich zuspitzenden Missverhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage von Wohnraum. Anlässlich der Veröffentlichung übergab die Berliner MieterGemeinschaft e.V. im Rahmen einer Kundgebung vor der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen einen offenen Brief mit sechs Forderungen an die verantwortliche Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Katrin Lompscher.
Anlage: Offener Brief der Berliner MieterGemeinschaft e.V.
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen
Senatorin Katrin Lompscher
Senatsverwaltung für Finanzen
Senator Matthias Kollatz
Berlin, 13.05.2019
Sehr geehrte Frau Lompscher,
sehr geehrter Herr Kollatz,
die Veröffentlichung des neuen Berliner Mietspiegel 2019 ist eine Hiobsbotschaft für die Mieter*innen dieser Stadt. Die erneut massiv gestiegenen Mietspiegelwerte werden eine Welle an Mieterhöhungsbegehren der Vermieter *innen nach sich ziehen, weitere Haushalte werden ihre Wohnungen verlieren.
Dass der neue Mietspiegel höhere Mieten ermöglichen wird, liegt an seinen Regularien. Die Zahlen des Mietspiegels berechnen sich aus den gestiegenen Mietpreisen der vergangenen vier Jahre. Mieten die unverändert geblieben sind werden vom Mietspiegel nicht berücksichtigt.
Um den Druck der wachsenden Wohnkostenbelastung etwas abzumildern und den Mieter*innen in der Stadt eine Atempause zu ermöglichen, fordern wir Sie auf, die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften (DEGEWO, WBM, GESOBAU, Stadt und Land, GEWOBAG, HOWOGE) direkt anzuweisen, ihre Mieten in den kommenden zwei Jahren zu senken, die Umlage der Modernisierungskosten auszusetzen und ihren Instandhaltungspflichten geflissentlich nachzukommen. Ziel dieser Maßnahmen, die ohne langwierige juristische Prüfung und gerichtliche Auseinandersetzungen sofort umsetzbar wären, ist die Dämpfung der Mietspiegelwerte im Jahr 2021.
Mittlerweile kritisieren viele Mieter*innen den Mietspiegel berechtigterweise als einen reinen Mieterhöhungsspiegel. Dennoch brauchen wir dieses Instrument, da es in den bestehenden Verhältnissen eine gerichtsfeste Grundlage bei der Festsetzung des Mietzinses bietet. Mittelfristig muss der Mietspiegel reformiert werden. Zukünftig müssen alle Bestandsmieten in die Berechnung mit einfließen und nicht nur die Neuvermietungsmieten und geänderten Mieten der letzten vier Jahre.
Die Absenkung der Mieten und die Reform des Mietspiegels können aber nur erste kleine Schritte sein in Richtung einer grundsätzlichen Neuausrichtung der sozialen Wohnungspolitik in Berlin. Den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften muss dabei eine Schlüsselrolle zu kommen. Voraussetzung für eine neue, konsequente Gemeinwohlorientierung in der kommunalen Wohnungspolitik ist eine strukturelle Reformierung, personelle Erneuerung und Demokratisierung der städtischen Wohnungsunternehmen. Sie müssen finanziell und personell in die Lage versetzt werden 100-Prozent-leistbare Wohnungen in großer Stückzahl zu bauen. Wir brauchen zudem politische Maßnahmen, wie den Aufbau einer kommunalen Bauhütte, um die Fertigstellungsdauer der Wohnungen zu verkürzen und den kommunalen Wohnungsbau unabhängiger von der privaten Bauwirtschaft zu machen.
Konkret fordern wir:
- die Absenkung der Mieten bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften um mindestens einen Cent pro Quadratmeter in den kommenden zwei Jahren und eine Aussetzung der Modernisierungsumlage.
- eine Bundesratsinitiative des Landes Berlin zur Reform des Mietspiegels durch eine Änderung des § 558 Abs. 2 BGB mit dem Ziel, zukünftig alle Bestandsmieten einer Gemeinde in die Berechnung mit einfließen zu lassen und nicht nur die Neuvermietungsmieten und geänderten Mieten der letzten vier Jahre.
- die Umwandlung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften zu Anstalten öffentlichen Rechts oder kommunalen Eigenbetrieben. In ihren heute bestehenden Rechtsformen sind sie nach Aktienund GmbH-Gesetz verpflichtet mit ihren Wohnungsbeständen maximal gewinnorientiert zu operieren. Eine Herauslösung aus dem Aktien- und GmbH-Gesetz ermöglicht es, die kommunalen Einrichtungen von einer Gewinnorientierung zu entheben. - die Vereinheitlichung der Zuständigkeit für die Gesellschaften in einer Senatsverwaltung. Die politische Verantwortung liegt bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, wo sie fachpolitisch auch hingehört, die derzeit gewichtigere wirtschaftliche Verantwortlichkeit bei der Senatsverwaltung für Finanzen ist dagegen aufzuheben.
- die personelle Neubesetzung der bisher „sarrazinistisch“ geprägten Aufsichtsräte und Vorstände der kommunalen Einrichtungen und Demokratisierung der Wohnungsbaugesellschaften. Die Mieter*innen müssen verbindliche Mitspracherechte in der Unternehmenspolitik bekommen. Die Rechte der Mieterräte und Mieterbeiräte sind zu stärken, ihre fachliche Expertise zu fördern.
- den Aufbau einer Reformkommission mit Vertreter*innen aus Politik, Unternehmen, Beschäftigten, Mieterräten und Mieterbeiräten, der AöR Wohnraumversorgung, Mieterorganisationen, Wissenschaft und weiteren Teilen der Zivilgesellschaft, um die Reform der Städtischen Wohnungsbaugesellschaften einzuleiten und einen Fahrplan auszuarbeiten.