Am 9. Oktober sollen die Bewohner*innen der Liebigstraße 34 geräumt werden. Das Haus war vor 30 Jahren von wohnungssuchenden Menschen besetzt worden und ist mittlerweile ein queerfeministisches Projekt. Am 3. Juni gab das Landgericht Berlin der Räumungsklage des Eigentümers Padovicz statt, weil das Mietverhältnis auf einem Gewerbemietvertrag beruht, der schnell kündbar ist. Padovicz ist in Friedrichshain kein Unbekannter und schon seit langem für eine mieterfeindliche Haltung bekannt. Mieter*innen von Padovicz-Häusern haben sich darum in dem Netzwerk „Padowatch“ zusammengeschlossen.
Die Friedrichshainer Bezirksgruppe der Berliner MieterGemeinschaft fordert den Berliner Senat auf, keinerlei Infrastruktur für die Räumung zur Verfügung stellen. Keine Polizeikräfte, keine Hubschrauber, keine Absperrmaßnahmen sollen einen derart berüchtigten Eigentümer dabei unterstützen, Mieter*innen kurz vor dem bevorstehenden Winter in die Obdachlosigkeit zu zwingen. Das ist das Mindeste, was von einem Senat gefordert werden kann, der von Parteien getragen wird, die sich links nennen und die Wohnungsproblematik vor den letzten Wahlen zu einem zentralen Thema erklärten und mit entsprechenden Slogans für sich warben. Dieser Senat muss nun deutlich machen, wo seine Prioritäten liegen.
Wir haben am 7. August bei der Räumung der Kiezkneipe „Syndikat“ in Neukölln gesehen, wie schon Tage vorher der gesamte Kiez von der Polizei besetzt und die Bewegungsfreiheit der Nachbar*innen massiv eingeschränkt wurde. Und das alles nur, um der Briefkastenfirma „Pears Global“ freie Bahn für ihre Profitstrategie zu eröffnen. Der Senat muss sich jetzt entscheiden, ob er bei der Räumung der Liebigstraße 34 erneut die Interessen des Immobilienkapitals mit aller Gewalt durchsetzen will. Hat er nichts von der Law and Order-Politik des früheren Innensenators Henkel von der CDU gelernt, der 2015 die Rigaer Straße 94 über Wochen absperren ließ und damit den ganzen Nordkiez und seine Bewohner*innen unter Sonderrechte stellte? Am Ende musste sich Henkel von Gerichten bescheinigen lassen, dass die Maßnahmen rechtswidrig waren. Dafür wurden Unsummen an Steuergeldern ausgegeben.
Wir fordern den Berliner Senat auf, von der drohenden Eskalation Abstand zu nehmen und politische Lösungen zu entwickeln, mit denen den Bewohner*innen des queerfeministischen Projekts ein Verbleiben im Haus ermöglicht wird. Das Argument der Politiker*innen, dass hier nur ein richterliches Urteil umgesetzt würde, kann so nicht akzeptiert werden. Denn wessen Rechte mit welcher Vehemenz durchgesetzt werden,
ist immer eine Frage des politischen Willens. Als MieterGemeinschaft müssen wir immer wieder erfahren, wie Mieter*innenrechte nicht umgesetzt werden konnten, weil das Personal dafür fehlt. Das gilt beispielsweise bei der Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots oder der Sanktionierung von Verstößen gegen den Mietendeckel. Hier werden Eigentümer*innen rechtsfreie Räume gewährt. Es ist vor dem Hintergrund dieser eklatanten Vollzugsprobleme nicht zu vermitteln, warum sich ein angeblich linker Senat nun zum Vollstrecker eines berüchtigten Eigentümers machen sollte. Eine Räumung von diesem Ausmaß vorzubereiten und durchzusetzen ist immer auch eine politische und keine rein juristische Entscheidung. Denkbar wäre, dass am 9. Oktober die Gerichtsvollzieher*in vor der Liebigstraße 34 erscheint und feststellen muss, dass dort kein Durchkommen ist. Sie müsste umkehren und erklären, dass die Räumung nicht vollzogen werden konnte, weil es solidarische Mieter*innen nicht zugelassen haben. Das ist eine Solidarität, die wir unterstützen. Solch ein Szenario würde auch die Möglichkeit zur Aushandlung einer politischen Lösung neu eröffnen. Die Bezirksgruppe der Berliner MieterGemeinschaft steht an der Seite der Bewohner*innen der Liebigstraße und anderer von Räumung bedrohten Mieter*innen und Projekte. Der Senat hingegen muss sich ein Jahr vor der nächsten Wahl ernsthaft fragen, ob er sich wirklich abermals und mit aller Gewalt auf die Seite eines berüchtigten Investors schlagen möchte. Sollte die Liebigstraße 34 tatsächlich am 9. Oktober geräumt werden, wäre das eine klare Positionierung zugunsten des Immobilienkapitals und gegen die Mieter*innen.
Bezirksgruppe Friedrichshain, c/o Mieterladen, Kreutzigerstr. 23, 10247 Berlin // friedrichshain@bmgev.de