Mietrecht
Urteile
Zustand der Mietwohnung bei Anmietung und spätere nachteilige Änderungen der Beschaffenheit
Ein Mieter kann nicht ohne Weiteres erwarten, dass der Vermieter Veränderungen am Gebäude, die durch die Nutzungsbedürfnisse anderer Mieter erforderlich werden, unterlässt, wenn dies zwar zu einer Steigerung der Geräuschimmissionen führt, die Belastung aber auch nach der Veränderung noch den technischen Normen genügt, deren Einhaltung der Vermieter schuldet.
BGH Urteil vom 23.09.2009 – AZ VIII ZR 300/08 –
Die Mieter hatten die Wohnung im Jahr 1972 gemietet. An der straßenabgewandten Seite befindet sich ein allseits umschlossener Lichthof, zu dem die Flur-, Bad- und Küchenfenster der Wohnung hinausgingen. Zu Vertragsbeginn befand sich im Erdgeschoss eine Bankfiliale. Im Mietvertrag sind folgende Wohnräume zur Benutzung eingetragen „3 Zimmer, 1 Küche, 1 Flur, 1 Bad, 1 Kammer“. Die Wohnung war mit einer auf das Dach führenden „Plattform“ verbunden. Die Plattform war zum Lichthof hin mit einem Geländer versehen. Sie konnte ausschließlich von der Wohnung der Mieter aus betreten werden und wurde von diesen als Terrasse genutzt. Diese „Plattform“ war im Mietvertrag nicht erwähnt. Im Jahr 2000 wurde das Erdgeschoss an den Betreiber eines Fischrestaurants vermietet und in diesem Zusammenhang ein Lüftungssystem in den Lichtschacht eingebaut. Dieses Lüftungssystem führte werktags in der Zeit von 7.30 bis 20.30 Uhr zu einer erhöhten Lärmbelästigung bei geöffnetem Fenster in Flur, Küche und Bad sowie in besonderem Maß auf der als Terrasse genutzten Plattform. Eine Messung ergab, dass der von der Lüftungsanlage abgesonderte Lärm noch innerhalb der gesetzlichen Grenzwerte lag.
Die Mieter verlangten vom Vermieter, dass der Betrieb der Lüftungsanlage vor 9 Uhr und nach 20 Uhr unterbunden werde, und begehrten darüber hinaus die Feststellung, dass sie bis zur Beseitigung des Mangels zur Minderung der Miete berechtigt seien. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Mieter hat das Landgericht der Klage gegen den Vermieter im Wesentlichen stattgegeben.
Das Landgericht hatte in seiner Berufungsbegründung festgestellt, dass es für die Beurteilung der Frage, ob ein Mangel vorliege, auf die Abweichung der tatsächlichen Ist- Beschaffenheit von der vereinbarten Soll- Beschaffenheit ankomme. Die Rechte und Pflichten von Mieter und Vermieter ergäben sich in erster Linie durch die Auslegung des Mietvertrags. Zu den Lärmwerten sei im Mietvertrag nichts gesagt. Der Mietvertrag müsse grundsätzlich so ausgelegt werden, dass sich die vereinbarte Soll-Beschaffenheit aus dem Zustand der Mietsache zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags ergebe. Sofern zu bestimmten Punkten keine ausdrücklichen Regelungen getroffen seien, sei der mutmaßliche Wille durch ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln. Die Mieter hätten bei der Anmietung nicht davon aus- gehen können, dass nennenswerte Störgeräusche aus dem Lichthof über geöffnete Fenster in ihre Wohnung sowie auf die Plattform dringen könnten. Eine nachträgliche Änderung dieses Zustands führe demnach auch dann zu einem Mangel der Mietsache, wenn dabei die technischen Vorschriften und Regelwerke eingehalten würden. Die Nutzung der Plattform als Terrasse habe sich für die Mieter angeboten, auch wenn diese Nutzung im Mietvertrag nicht unmittelbar vereinbart worden war. Aus diesem Grund könnten sie darauf bestehen, dass ihnen diese Nutzungsmöglichkeit störungsfrei erhalten bleibe.
Sie könnten daher beanspruchen, dass zu den von ihnen genannten Zeiten, auch wenn diese keine Ruhezeiten darstellen, keine Störgeräusche auftreten.
Gegen diese Entscheidung legte der Vermieter Revision beim Bundesgerichtshof ein. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Land- gerichts auf und wies die Klage der Mieter ab. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs war die Auslegung des Mietvertrags durch das Land- gericht im Hinblick auf die vereinbarte Soll- Beschaffenheit fehlerhaft. Das Landgericht sei in seinem Urteil zu Unrecht von einer stillschweigend vereinbarten Nutzung der Plattform als Dachterrasse ausgegangen und habe aus diesem Grund das Vorliegen eines Mangels rechtsfehlerhaft angenommen. Ebenso fehlerhaft sei die Annahme, die Verschlechterung der Geräuschimmissionen in Küche, Flur und Badezimmer infolge der Lüftungsanlage habe zu einem Mangel der Mietsache geführt.
Grundsätzlich könne ein Mieter bei Abschluss eines Mietvertrags erwarten, dass die Mietsache zu dem vertraglich vereinbarten Zweck genutzt werden könne und sich in einem der allgemeinen Verkehrsanschauung entsprechenden Zustand befinde. Diese Verkehrsanschauung werde im Wesentlichen durch die geltenden technischen Vorschriften zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags bestimmt.
Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass die Nebengelasse einer Mietsache auch ohne ausdrückliche Erwähnung mitvermietet seien. Das gelte auch für Außenflächen, sofern diese ausschließlich von der Mietsache aus betreten werden könnten. Im vorliegenden Fall ergab sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs aus dem Vorhandensein der Plattform aber nicht automatisch eine vereinbarte Nutzung als Dachterrasse, vielmehr hätte sie z. B. auch anderweitig (z.B. als Trocken- und Abstellfläche) genutzt werden können. Aus diesem Grund könnten die Mieter nicht verlangen, dass ihnen die Plattform zur Nutzung als Dachterrasse überlassen werde.
Eine einseitige Vorstellung des Mieters von der Nutzbarkeit der Mietsache (in diesem Fall als Dachterrasse) werde selbst dann nicht Gegenstand einer entsprechenden stillschweigenden Beschaffenheitsvereinbarung, wenn dem Vermieter die Vorstellungen des Mieters bekannt gewesen seien. Notwendig sei zumindest eine irgendwie geartete zustimmende Reaktion des Vermieters auf die Vorstellungen des Mieters. Auch das Vorhandensein eines Geländers mit stabiler Brüstung lässt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht auf eine stillschweigend vereinbarte Nutzung als Dachterrasse schließen, da ein solches Geländer bereits aus bauordnungsrechtlichen Gründen erforderlich sei.
Der Bundesgerichtshof vertrat die Ansicht, dass auch die erhöhten Geräuschimmissionen bei geöffnetem Fenster in Küche, Bad und Flur nicht zu einem Mangel der Mietsache führen. Das Landgericht hatte die Ansicht vertreten, die Mieter müssten sich nicht darauf verweisen lassen, die Fenster zum Innenhof aus Gründen des Schallschutzes permanent geschlossen zu halten. Dem trat der Bundesgerichtshof mit dem Argument entgegen, dass die Lärmvorschriften (TA Lärm) eingehalten würden und es sich bei den betroffenen Räumen um Funktionsräume und nicht um Wohnflächen handele, sodass die Anforderungen an die Hinnehmbarkeit von Geräuschimmissionen weniger hoch seien.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kann der Mieter einer Mietsache nicht erwarten, dass der Vermieter nachträgliche Änderungen an der Mietsache unterlässt, die zwar im einzelnen für den Mieter nachteilig sind, sich aber im Rahmen der gesetzlichen bzw. technischen Vorschriften bewegen. Weise das Gebäude bei Mietvertragsbeginn einen bestimmten Immissionsstandard auf, der besser sei als die maßgeblichen technischen Vorschriften, dann könne ein Mieter im Allgemeinen nicht davon ausgehen, dass dieser Zustand für die gesamte Dauer des Mietverhältnisses erhalten bleibe. Er könne vielmehr nur die Einhaltung der einschlägigen technischen Schallschutzvorschriften verlangen.