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Mietrecht

Urteile

Zurückbehaltungsrecht an den laufenden Betriebskostenvorauszahlungen

Verweigert ein Vermieter dem Mieter die Einsichtnahme in die zur Prüfung einer Betriebskostenabrechnung notwendigen Belege, steht dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht nicht nur an der Nachforderung aus der Abrechnung, sondern auch an den laufenden Vorauszahlungen für Betriebskosten zu.

AG Schöneberg, Urteil vom 11.04.2022 – AZ 105 C 267/21 –

Mitgeteilt von Rechtsanwältin Ulrike Badewitz

Die Eigentümerin von Gebäuden in Zehlendorf hat mit einer Firma einen Rahmenvertrag geschlossen, welcher die von dieser Firma durchgeführten Leistungen der Verwaltung und Betreuung der Gebäudeeinheiten regelt. Zu dem Vertrag gehört ein Leistungsverzeichnis, in welchem die auszuführenden Arbeiten aufgelistet und entsprechende Vergütungen geregelt sind, dabei sind die einzelnen Arbeiten mit entsprechenden Positionsnummern aufgeführt. Diese Nummern für die ausgeführten Arbeiten meldet die beauftragte Firma regelmäßig an die Eigentümerin und diese erteilt nach Prüfung anhand des Leistungsverzeichnisses der beauftragten Firma entsprechende Gutschriften. Diese werden dann abgerechnet und bezahlt. Ein Mieter verlangte nach Erhalt seiner Betriebskostenabrechnung für 2019 Belegeinsicht. Aus Gründen des Infektionsschutzes einigte man sich, die Belegeinsicht nicht in den Räumen der Verwaltung durchzuführen, stattdessen wurden dem Mieter Belege per E-Mail übersandt. Allerdings verweigerte die Vermieterin die geforderte Übersendung des Rahmenvertrags und des Leistungsverzeichnisses, wofür sie datenschutzrechtliche Gründe anführte. Der Mieter vertrat die Auffassung, dass die ihm vorliegenden „Gutschriftenanzeigen“ insbesondere ohne das Leistungsverzeichnis nicht prüfbar seien. Er behielt daraufhin im Dezember 2020 sowie in der Zeit von März bis Mai 2021 Betriebskostenvorschüsse in Höhe von insgesamt 662,76 Euro ein. Die Klage der Vermieterin auf Zahlung dieses Betrages hatte keinen Erfolg. Das Amtsgericht Schöneberg vertrat zwar die Auffassung, dass das Gutschriftenverfahren, welches die Klägerin zur Abrechnung der von ihr beauftragten Leistungen nutzt, nicht zu beanstanden sei. Es folgte aber der Auffassung des Mieters, dass die dort aufgeführten Positionen ohne das Leistungsverzeichnis „schlichtweg unverständlich“ sind. Die datenschutzrechtlichen Bedenken der Vermieterin stünden der Übersendung des Rahmenvertrags und des Leistungsverzeichnisses nicht entgegen. Auch den weiteren Einwand der Vermieterin, dass bei der Abrechnung für 2020 das Leistungsverzeichnis und der Rahmenvertrag vorgelegt worden seien, ließ das Amtsgericht nicht gelten. Der Mieter müsse die Möglichkeit haben, die abgerechneten Leistungen mit dem in diesem Zeitraum geltenden Leistungsverzeichnis zu prüfen und nicht aus Anlass der Prüfung einer anderen Betriebskostenabrechnung. Das Gericht kam daher zu dem Ergebnis, dass dem Mieter das von ihm geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht auch hinsichtlich der laufenden Betriebskostenvorauszahlungen zustand, und wies die Klage der Vermieterin ab.

Anmerkung: Vor Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts in vergleichbaren Fällen lassen Sie sich bitte beraten. Außerdem sollten Sie die zurückbehaltenen Beträge unbedingt ansparen, da diese sofort zur Nachzahlung fällig werden, wenn der Vermieter die geschuldete Belegeinsicht doch noch ermöglicht (oder in Form einer entsprechend höheren Nachzahlung, wenn für den Folgezeitraum eine korrekte und prüffähige Abrechnung erteilt wird).


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