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Mietrecht

Urteile

Verkauf von Genossenschaftswohnungen

1. Folgender von der Vertreterversammlung einer Wohnungsbaugesellschaft mit einfacher Mehrheit gefasste Beschluss ist weder anfechtbar noch nichtig: "Der Vorstand ist berechtigt, die Wohnungen A.-Str. ...und G.-Str. ... an einen Zwischenerwerber zu verkaufen. Dabei ist der wirtschaftliche Verlust der Genossenschaft weitestgehend zu minimieren, und es sind solche Bedingungen in den Kaufvertrag einzubringen, die dem Mieterschutz gerecht werden und somit das Dauernutzungsrecht der dort wohnenden Mitglieder sichern." (...)
 
4. Einem Genossenschaftsmitglied wird durch den Verkauf der von ihm genutzten Wohnung an einen Zwischenerwerber gegenüber den übrigen in den Genossenschaftswohnungen wohnenden Genossenschaftsmitgliedern ein Sonderopfer auferlegt. Es besteht darin, dass durch die Veräußerung eine Verschlechterung seines Status' als Wohnungsnutzer eintritt.
 
5. Dem solchermaßen betroffenen Genossenschaftsmitglied steht ein Ausgleich für sein Sonderopfer zu. Die Genossenschaft hat ihrem Mitglied, wenn dessen Wohnung veräußert wird, eine gleichwertige Genossenschaftswohnung zu verschaffen und ihm die Umzugskosten zu erstatten. Sofern eine Ausgleichswohnung nicht zur Verfügung steht, ist dem Genossenschaftsmitglied ein etwaiger Wohnkostenmehraufwand auszugleichen, der durch das nunmehrige Mietverhältnis entsteht.

KG Berlin, Urteil vom 04.11.1998 – AZ Kart U 672/98 –

Die beklagte Wohnungsbaugenossenschaft war aus einer Ost-Berliner Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft hervorgegangen und nimmt zur Ablösung der Altverbindlichkeiten Altschuldenhilfe in Anspruch. Aus diesem Grunde war es gem. a 5 Altschuldenhilfegesetz verpflichtet, mindestens 15 % des Wohnungsbestandes zu veräußern.

Der Kläger ist Genossenschaftsmitglied und bewohnt seit 1982 eine Genossenschaftswohnung, die nunmehr zur Veräußerung vorgesehen war. Mit der Klage wendet er sich gegen den Beschluss der Generalversammlung der Genossenschaft, nach der seine Wohnung verkauft werden sollte.

Das Kammergericht hat die Klage des genossenschaftlichen Mieters abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass der entsprechende Beschluss der Generalversammlung der Genossenschaft inhaltlich nicht zu beanstanden sei. Die Genossenschaft war durch die enorm hohen Altschulden und das Altschuldenhilfegesetz gezwungen, einen Teil der ihr gehörenden genossenschaftlichen Wohnungen zu verkaufen.

Das Kammergericht hat erkannt, dass der vom Verkauf der Wohnung betroffene Mieter durch den Beschluss gegenüber anderen Genossenschaftsmitgliedern in einer besonderen Weise belastet wird. Die Belastung besteht darin, dass für den Mieter durch den Verkauf eine Verschlechterung seines mietrechtlichen Status' eintritt. Der Mieter wird von genossenschaftlichem Wohnungsnutzer zu einem Mieter auf dem freien Wohnungsmarkt. Das stellt ihn schlechter, auch wenn das Dauernutzungsrecht erhalten bleibt. Der Mieterstatus ist dem des genossenschaftlichen Wohnungsnutzers an Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses unterlegen. Auch ist, was den Preis für das Wohnen angeht, auf dem freien Wohnungsmarkt mit einer weniger maßvollen Entwicklung zu rechnen als bei der Genossenschaft.

Der genossenschaftlich organisierte Mieter hat nach Ansicht des Kammergerichts jedoch einen Ausgleichsanspruch für das ihm aufgebürdete Sonderopfer. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der angefochtene Beschluss (zum Verkauf der Wohnungen) eine angemessene Ausgleichsregelung enthält oder nicht. Der Ausgleich steht dem betroffenen Mitglied unabhängig davon zu, ob er im Zusammenhang mit der belastenden Maßnahme ausdrücklich zugewiesen wird.

Demnach hat das betroffene Genossenschaftsmitglied gegen die Genossenschaft vorrangig einen Anspruch auf eine gleichwertige Genossenschaftswohnung und die Erstattung der Umzugskosten. Nur dann, wenn eine entsprechende Ausweichwohnung nicht zur Verfügung steht, hat die Genossenschaft einen etwaigen Wohnkostenmehraufwand auszugleichen, der durch das nunmehrige Mietverhältnis Eigentümer besteht.

Abgedruckt in MieterMagazin, 1999, S.261

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 276