Mietrecht
Urteile
Schadensersatz bei Doppelvermietung
LG Berlin, Urteil vom 12.07.1999 – AZ 25 O 769/98 –
KG Berlin, Urteil vom 08.06.2001 – AZ 9 U 6215/99 –
Der Mieter mietete im Jahre 1985 eine Einzimmerwohnung in Berlin Kreuzberg. Während eines längeren Auslandsaufenthalts des Mieters vermietete die Hausverwaltung die Wohnung zum 01.07.1997 an einen zweiten Mieter. In dem Mietvertrag (mit dem zweiten Mieter) hieß es unter anderem: "Der Mieter bringt sich einen eigenen Schließzylinder an der Wohnungseingangstür an." Der zweite Mieter nahm die Wohnung in Besitz und "verkaufte" die darin befindlichen Einrichtungsgegenstände sowie diverse Musikinstrumente auf eigene Rechnung an Trödler und sonstige Abnehmer. Der erste Mieter verlangte vom Vermieter die Überlassung der oben genannten Einzimmerwohnung sowie Schadensersatz wegen der abhanden gekommenen Einrichtungsgegenstände und Musikinstrumente. Der zweite Mieter hatte die Wohnung bereits an den Vermieter herausgegeben.
Das Landgericht und das Kammergericht haben dem Anspruch des ersten Mieters gegenüber dem Vermieter im Wesentlichen stattgegeben. Wegen der Herausgabe und Überlassung der Wohnung war der Rechtsstreit in der Berufung bereits erledigt, so dass das Kammergericht nur noch über die Kosten zu entscheiden hatte. Die Entscheidung fiel insoweit zu Lasten des Vermieters aus.
Da das Mietverhältnis mangels einer wirksamen Kündigung nicht beendet war, konnte der erste Mieter vom Vermieter die Überlassung der Einzimmerwohnung verlangen. Die Überlassung der Wohnung an den ersten Mieter war auch nicht, wie es sonst bei einer Doppelvermietung häufig der Fall ist, dadurch unmöglich geworden, dass ein anderer Mieter sich auf Grund eines ebenfalls wirksamen Mietvertrags im Besitz der Wohnung befand. In diesen Fällen ist dem Vermieter die Überlassung der (bereits wirksam vermieteten) Wohnung unmöglich, so dass sich die Ansprüche des ersten Mieters auf Schadensersatz beschränken. Da der zweite Mieter jedoch bereit war, die Wohnung an den Vermieter herauszugeben, bzw. dann bereits herausgegeben hatte, stand eine Erfüllung der Ansprüche aus dem Mietvertrag nichts entgegen.
Das Kammergericht hatte den Vermieter (neben dem zweiten Mieter) verurteilt, an den (ersten) Mieter Schadensersatz wegen der vom zweiten Mieter durch eigenmächtigen Verkauf der Einrichtungsgegenstände und Musikinstrumente verursachten Schäden zu leisten. Der Vermieter (und der zweite Mieter) hatten sowohl das Vorhandensein der Einrichtungsgegenstände und Musikinstrumente, als auch ihren Wert mit Nichtwissen bestritten. Der Vermieter vertrat darüberhinaus die Ansicht, er habe für das eigenmächtige Verhalten des zweiten Mieters nicht einstehen müssen.
Das Kammergericht wies in seinem Urteil darauf hin, dass dem ersten Mieter gegen den Vermieter ein Anspruch auf Schadensersatz wegen positiver Vertragsverletzung zustehe. Die Ansprüche könnten dagegen nicht, wie noch vom Landgericht angenommen, auf die Vorschrift des § 541 BGB (Haftung für Rechtsmängel) gestützt werden. Der Verlust des Inventars sei nicht auf einen Rechtsmangel zurückzuführen, sondern auf den Umstand, dass der Vermieter Dritten rechtswidrig Zutritt zur Mietsache verschafft habe. Das Kammergericht weist in seiner ausführlichen Urteilsbegründung darauf hin, dass den Vermieter besondere vertragliche Schutzpflichten an dem vom Mieter eingebrachten Inventar treffe. Zu diesen Pflichten gehöre es insbesondere, Dritten nicht unbefugt und unbeaufsichtigt Zutritt zu den Mieträumen zu gewähren. Darüber hinaus stellte das Kammergericht fest, dass dem Mieter durch den Vermieter selbst der Besitz an der Einzimmerwohnung und dem darin vorhandenen Inventar entzogen worden sei. Es mache keinen Unterschied, ob der Vermieter selbst ein neues Schloss einbaue, oder - wie im vorliegenden Falle - einen Dritten den Einbau gestatte bzw. ihn damit beauftrage.
Der Vermieter wurde auch nicht mit dem Einwand gehört, dass eine Gestattung der Inbesitznahme durch den zweiten Mieter und der Auswechslung des Türschlosses tatsächlich gar nicht vorgelegen habe. Der Vermieter hatte insoweit behauptet, er habe die Wohnung im Mietvertrag falsch bezeichnet, die Aufforderung zum Einbau eines neuen Schlosses habe sich vielmehr auf eine gegenüberliegende Wohnung bezogen, die unverschlossen gewesen sei. In diesem Falle kam das Kammergericht zu dem Ergebnis, dass unabhängig von der (hilfsweise als richtig unterstellten) subjektiven Vorstellung des Vermieters die streitgegenständliche Einzimmerwohnung Gegenstand des Mietvertrages mit den zweiten Mieter geworden war. Das Kammergericht wies darauf hin, dass sich der zweite Mieter ausweislich des Mietvertrages durch Einbau eines neuen Schlosses den Besitz an der Wohnung verschaffen sollte. Eine solche Einigung ist nach Ansicht des Kammergerichts ein Rechtsgeschäft, mit dem der zweite Mieter vom Vermieter ermächtigt wurde, sich gemäß § 854 Absatz 2 BGB in den Besitz der Mietsache zu setzen. Da auch diese Einigung nach objektiven Kriterien auszulegen war, konnte sich der Vermieter nicht darauf berufen, er habe tatsächlich die der streitgegenständlichen Wohnung gegenüber liegende Wohnung an den zweiten Mieter überlassen wollen. Das Verhalten des Vermieters (bzw. der von ihm eingesetzten Hausverwaltung) war mindestens fahrlässig. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte der Vermieter bzw. die Hausverwaltung feststellen müssen, dass der Gegenstand des Mietvertrages eine bereits vermietete Wohnung war. Das Kammergericht wies darüber hinaus darauf hin, dass es im Rahmen einer ordnungsgemäßen Hausverwaltung zu erwarten gewesen wäre, dass ein Mietobjekt dem Mieter korrekt übergeben werde und es nicht dem Mieter überlassen bleibe, sich selbst in den Besitz einer Wohnung zu setzen.
Die Haftung des Vermieters wurde auch nicht dadurch beschränkt, dass der zweite Mieter vorsätzlich und rechtswidrig die Einrichtungsgegenstände und Musikinstrumente des (ersten ) Mieters verkauft hat. Das Kammergericht wies darauf hin, dass vorsätzliches rechtswidrig Verhalten Dritter einen Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem eingetretenen Schaden grundsätzlich nicht unterbreche. Etwas anderes gelte nur, wenn der entstandene Schaden zwar naturwissenschaftlich betrachtet mit der pflichtwidrigen Handlung des Schädigers in einem kausalen Zusammenhang stehe, dieser Schaden jedoch durch ein auffällig ungewöhnliches und unsachgemäßes Verhalten einer anderen Person ausgelöst worden sei. Im Allgemeinen gelte, dass dann, wenn sich im zweiten Eingriff nicht mehr das Schadensrisiko des ersten Eingriffs verwirkliche, vom ersten Schädiger nicht verlangt werden könne, dem Geschädigten auch für die Folgen des zweiten Eingriffs einstehen zu müssen. Der Sachverhalt sei im vorliegenden Fall jedoch anders zu beurteilen. Das Kammergericht vertrat die Ansicht, dass der Vermieter bzw. die von ihm eingesetzte Hausverwaltung gerade durch die Verschaffung des Besitzes der Wohnung an den zweiten Mieter eine konkrete Gefährdung des Eigentums des ersten Mieters herbeigeführt habe. Dies gelte um so mehr, als durch den vom Vermieter angewiesenen Einbau einer neuen Schließanlage die ursprünglichen Sicherungsvorkehrungen des Klägers für sein Eigentum wirkungslos geworden waren. Vor diesem Hintergrund habe sich mit dem eigenmächtigen Verkauf des Inventars durch den zweiten Mieter das von der Hausverwaltung geschaffene Risiko verwirklicht.
Zwischen den Parteien war außer Streit, dass das Eigentum des Klägers abhanden gekommen war. Wegen der Frage des Schadensumfangs wies das Kammergericht darauf hin, dass bereits fraglich sei, ob die Vermieter den Umfang der abhanden gekommenen Gegenstände erfolgreich mit Nichtwissen bestreiten könnten. Selbst wenn der Vermieter berechtigt gewesen sei, die vom Mieter eingereichte Inventarliste mit Nichtwissen zu bestreiten, sei für die Schadensberechnung dennoch die vom ersten Mieter zusammen mit der Klageschrift eingereichte Inventarliste heranzuziehen. Das Kammergericht wies darauf hin, dass es dem Mieter gerade wegen des zurechenbaren und schuldhaften Verhaltens der Hausverwaltung unmöglich geworden sei, eine verlässliche Beweisführung vorzunehmen. Insbesondere sei es nach der Lebenserfahrung unmöglich, für das Vorhandensein eines jeden einzelnen Gegenstandes des Wohnungsinventars den Beweis anzutreten. Da das Kammergericht keinerlei Anlass zu der Annahme hatte, dass der Mieter vorsätzlich und in betrügerischer Absicht unzutreffende Angaben gemacht haben könnte, fühlte es sich gemäß Paragraph 287 Absatz 2 ZPO berechtigt, den Umfang des abhanden gekommenen Inventars anhand der eingereichten Inventarliste zu schätzen. Einer solchen Schätzung stand nach Ansicht des Kammergerichts auch nicht entgegen, dass der Kläger den einen oder anderen Gegenstand irrtümlich als vorhanden angegeben habe. Es entspreche vielmehr der Lebenserfahrung, dass dafür im Gegenzug auch der eine oder andere kleine Gegenstand irrtümlich in Vergessenheit geraten sei.
Das Kammergericht führte weiter aus, dass der Vermieter den Wert der jeweiligen Gegenstände zulässigerweise mit Nichtwissen bestreiten könne. Es könne nicht darauf verwiesen werden, sich beim zweiten Mieter über den möglichen Wert der von diesem unterschlagenen Gegenstände zu erkundigen. Aus diesem Grunde gelangte das Kammergericht zu der Ansicht, der Wert der abhanden gekommenen Einrichtungsgegenstände und Musikinstrumente sei der Höhe nach gemäß § 287 Absatz 1 ZPO zu schätzen. Bei den vom Mieter gebraucht erworbenen Gegenständen ging das Kammergericht von den vom Mieter angegebenen Anschaffungspreisen aus, denn es sei nichts dafür ersichtlich, dass derartige Gegenstände heute zu einem geringeren Preis zu erwerben wären. Soweit der Mieter jedoch Schadensersatz für neu angeschaffte Gegenstände geltend gemacht habe, hat das Kammergericht unter Berücksichtigung eines Abschlags "neu für alt" im Rahmen der von ihm vorgenommenen Schätzung einen Abschlag vorgenommen.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Markus Willkomm
Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 289