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Mietrecht

Urteile

Räumung eines Balkons wegen erforderlicher Bauarbeiten

1. Ist für die Durchführung notwendiger Sanierungsmaßnahmen die Räumung eines Balkons erforderlich, muss der Vermieter die Beräumung des Balkons in Abstimmung mit den Mietern veranlassen und eine geordnete Beräumung vornehmen.
2. Lässt der Vermieter Sachen des Mieters vom Balkon entfernen, um diese zu entsorgen, stellt dies eine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs.1 BGB dar, gegen welche sich der Mieter gemäß § 859 BGB auch mit Gewalt wehren darf.

AG Charlottenburg, Urteil vom 24.06.2021 – AZ 221 C 386/20 –

Mitgeteilt von Rechtsanwältin Carola Wallner-Unkrig

Die Mieter einer Wohnung in Charlottenburg erhielten Anfang Juli 2020 von ihrer Vermieterin die Ankündigung, dass der Balkon aufgrund von erforderlichen Baumaßnahmen umgehend geräumt werden müsste. Die Vermieterin wiederholte diese Aufforderung mit drei weiteren Schreiben vom September und Anfang Oktober 2020. Im letzten Schreiben kündigte sie für den 5. Oktober 2020 die „Durchführung der Ersatzvornahme“ an. Tatsächlich erschien am 5. Oktober 2020 der zuständige Hausverwalter und wollte mithilfe von Bauarbeitern Blumentöpfe von der Balkonbrüstung entfernen sowie den übrigen Balkonbereich räumen und gegen Zutritt sichern. Nachdem die Bauarbeiter mit den Arbeiten begonnen hatten und versuchten, Blumenkübel über das aufgestellte Baugerüst zu entfernen, wehrte sich einer der Mieter gegen diese Tätigkeiten, indem er über längere Zeit eine Trillerpfeife benutzte, um den Hausverwalter und die Bauarbeiter abzuwehren. Zwischenzeitlich rief er die Polizei an, erst nach deren Eintreffen beruhigte sich die Lage. Danach entfernte der Mieter seine Sachen vom Balkon und duldete die Arbeiten. Aufgrund dieses Ereignisses erklärte die Vermieterin mit Schreiben vom 7. Oktober 2020 die fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung. Ihre Räumungsklage wurde jedoch vom Amtsgericht Charlottenburg abgewiesen. Das Amtsgericht vertrat die Auffassung, die Vermieterin habe die Ereignisse an diesem Tag selbst provoziert. Mieter müssten zwar notwendige Instandhaltungsmaßnahmen dulden. Dulden bedeute jedoch nicht, dass der Mieter selbst tätig werden müsse. Vielmehr hätte die Vermieterin die Beräumung des Balkons in Abstimmung mit dem Mieter veranlassen und eine geordnete Beräumung vornehmen müssen. Jedenfalls dürfe die Vermieterin nicht Eigenmacht ausüben und die Sachen der Mieter ohne deren Zustimmung vom Balkon entfernen. Notfalls habe ihr die Möglichkeit zur Verfügung gestanden, eine Duldung der Mieter, zum Beispiel im einstweiligen Verfügungsverfahren, zu erzwingen. Die von ihr als Ersatzvornahme bezeichnete Beräumung des Balkons und beabsichtigte Entsorgung der Sachen der Mieter stelle eine verbotene Eigenmacht dar. Gegen diese durfte sich einer der Mieter auch mit Gewalt wehren. Im Übrigen stellte nach Auffassung des Gerichts die Benutzung der Trillerpfeife noch keine Gewaltanwendung dar. Weiter berücksichtigte das Gericht die Tatsache, dass der Mieter selbst die Polizei herbeigerufen und dadurch zur Beruhigung der Lage beigetragen hatte.


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