Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Mietrecht

Urteile

Modernisierung und Härtefall

a) Der Umstand, dass der Mieter gemessen an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und seinen Bedürfnissen eine deutlich zu große Wohnung nutzt, ist zwar in die nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Interessen zu Lasten des Mieters einzubeziehen. Hierfür darf als Maßstab jedoch nicht die nach den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von staatlichen Transferleistungen oder den Vorschriften für die Bemessung von Zuschüssen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau vorgesehene Wohnfläche zugrunde gelegt werden.
b) Zudem ist die einer Berufung auf einen Härtefall nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB im Einzelfall entgegenstehende Unangemessenheit ohnehin nicht isoliert nach einer bestimmten Größe für die jeweilige Anzahl der Bewohner zu beurteilen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die vom Mieter genutzte Wohnung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für seine Bedürfnisse deutlich zu groß ist.

BGH Urteil – AZ VIII ZR 21/19 –

Der allein wohnende Mieter einer ca. 85 qm großen Wohnung in Berlin erhielt nach einer nicht angekündigten Modernisierung unter anderem der Hausfassade von seiner Vermieterin im März 2016 eine Mieterhöhung, mit welcher diese die Kosten der Modernisierung mit 240,00 Euro monatlich ab 1. Januar 2017 auf den Mieter umlegen wollte. Der Mieter wohnte seit seinem fünften Lebensjahr in der ursprünglich von seinen Eltern gemieteten Wohnung. Die Miete belief sich im Juni 2016 auf 574,34 Euro, der Mieter erhielt zur Deckung der Miete als Bezieher von Arbeitslosengeld II monatlich einen Betrag von 463,10 Euro. Der Mieter wandte auf die Mieterhöhung am 7. April 2016 ein, dass diese für ihn eine finanzielle Härte bedeute. Die Vermieterin meinte, der Mieter könne sich auf eine finanzielle Härte bereits deshalb nicht berufen, weil er eine Wohnung nutze, die gemessen an den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von staatlichen Transferleistungen oder an den Vorschriften für die Bemessung von Zuschüssen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau zu groß sei (nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Wohnraumgesetz des Landes Berlin ist für einen Einpersonenhaushalt nur eine Wohnfläche von 50 qm angemessen). Das sah der Bundesgerichtshof anders. Nach diesen Vorschriften bestimme sich zwar, „welche staatlichen Unterstützungen ein Mieter in diesen Fällen zur Deckung seine Wohnkosten erhalten kann“. Daraus ließe sich aber nicht ableiten, dass ein (deutliches) Überschreiten der in diesen Vorschriften genannten Wohnungsgrößen auch bei der im Rahmen des § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB (finanzielle Härte bei Mieterhöhung nach Modernisierung) nötigen Abwägung zum Nachteil des Mieters gereiche. Während nämlich die Vorschriften des Sozialgesetzbuches und des Wohnraumgesetzes des Landes Berlin sicherstellen sollten, dass sich ein Mieter nicht auf Kosten der Allgemeinheit eine zu große Wohnung leiste, sei im Rahmen der Vorschriften zur Umlage von Modernisierungskosten abzuwägen, „ob der Mieter, der sich einer von ihm nicht beeinflussbaren Entscheidung des Vermieters ausgesetzt sieht, Modernisierungsmaßnahmen an der von ihm angemieteten Wohnung durchzuführen, trotz des Refinanzierungsinteresses des Vermieters seinen bisherigen Lebensmittelpunkt beibehalten darf“ . Der Mieter könne von den Gerichten verlangen, dass sie „die Bedeutung und Tragweite seines Bestandsinteresses hinreichend erfassen und berücksichtigen“ . Die im Einzelfall einem finanziellen Härteeinwand gegen eine modernisierungsbedingte Mieterhöhung entgegenstehende Unangemessenheit der Größe einer Wohnung könne „daher nicht isoliert nach einer bestimmten Größe für die jeweilige Anzahl der Bewohner beurteilt werden. (…) Vielmehr kommt es darauf an, ob die vom Mieter genutzte Wohnung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für seine Bedürfnisse deutlich zu groß ist. Dabei können (…) auch die Verwurzelung des Mieters in der Wohnung und seine gesundheitliche Verfassung sowie im Einzelfall gegebene Gesichtspunkte eine Rolle spielen. “ In diesem Fall habe das Landgericht Berlin zu Recht maßgeblich berücksichtigt, dass der Mieter seit 1962 in der (ehemals elterlichen) Wohnung lebt, und dementsprechend trotz der Größe der Wohnung eine Härte bejaht. Anders als die Vermieterin meinte, sei dem Mieter daher jedenfalls nicht vorzuwerfen, dass er „schon seit Mietbeginn über seinen wirtschaftlichen Verhältnissen“ lebe. Auch den Einwand der Vermieterin, dass der Mieter sich die Wohnung auf Dauer ohnehin nicht werde leisten können, da bei künftig steigenden Betriebskosten die Lücke zwischen Mietzuschüssen nach dem Arbeitslosengeld II und den mietvertraglichen Belastungen immer größer würde, ließ der Bundesgerichtshof nicht gelten. Es komme hier ausschließlich darauf an, ob dem Mieter in Anbetracht der Mieterhöhung eine wirtschaftliche Härte erwachse, die ihm auch unter Berücksichtigung der Interessen der Vermieterin nicht zuzumuten sei. „Alternative Ursachen, die dazu führen könnten, dass der Mieter die Wohnung aus finanziellen Gründen nicht mehr halten kann, haben außer Betracht zu bleiben. “


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