Mietrecht
Urteile
Mietpreisüberhöhung und Sachverständigengutachten
Das gem. § 5 WiStG (Wirtschaftsstrafgesetz) erforderliche Merkmal des Ausnutzens eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum setzt keine generelle Wohnraummangellage voraus. Ausreichend ist bereits, dass die Nachfrage höher ist als das Angebot. Das ist in Ballungsgebieten wie Berlin zu vermuten, in denen eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung gilt und die zu Gebieten mit erhöhtem Wohnbedarf erklärt worden sind.
LG Berlin, Urteil vom 23.04.1999 – AZ 63 S 209/98 –
Die Mieter behaupten, der Vermieter habe bei Abschluss des Mietvertrages im Jahre 1992 unter Verstoß gegen § 5 WiStG eine unzulässig hohe Miete vereinbart. Mit der Klage machen sie Ansprüche auf Erstattung des zu Unrecht zu viel gezahlten Mietzinses vom Vermieter geltend.
Der Vermieter stellte sich auf den Standpunkt, die verlangte Miete übersteige die ortsübliche Miete nicht. Die für die streitgegenständliche Wohnung ortsübliche Miete könne nicht durch den Berliner Mietspiegel, sondern nur durch ein Sachverständigengutachten bestimmt werden. Darüber hinaus ergebe sich die Berechtigung des Mietzinses bereits aus der für diese Wohnung ermittelten Kostenmiete.
Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Es führte in seiner Urteilsbegründung aus, das gem. § 5 WiStG erforderliche Ausnutzen eines geringen Angebots an vergleichbaren Wohnungen liege bereits dann vor, wenn die Nachfrage höher sei als das Angebot. Eine generelle Wohnraummangellage sei hierfür nicht erforderlich. Das Landgericht gelangte zu der Ansicht, dass in Ballungsgebieten wie Berlin, in denen eine Zweckentfremdungsverbotsverordnung gilt und die gemäß § 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB zu Gebieten mit erhöhtem Wohnbedarf erklärt wurden, eine die Angebote übersteigende Nachfrage nach vergleichbarem Wohnraum zu vermuten sei.
Das Gericht ließ offen, ob diese Annahme auch ohne weiteres für die Zukunft gelte. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages sei eine Entspannung des Wohnungsmarktes nicht erkennbar gewesen. Aus diesem Grunde reiche die pauschale Behauptung des Vermieters, spätestens seit 1994 habe keine Mangellage mehr bestanden, nicht aus.
Das Landgericht vertrat ferner die Ansicht, zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete sei der jeweils aktuelle Berliner Mietspiegel heranzuziehen. Der Mietspiegel sei nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer nicht nur für die Begründung von Mieterhöhungen geeignet, sondern spiegele aufgrund der Vielzahl der zugrundeliegenden Daten zuverlässig die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete wieder. Daher sei er regelmäßig einem Sachverständigengutachten vorzuziehen, in dem der Sachverständige die Vergleichsmiete nur anhand einiger weniger Vergleichswohnungen ermittele. Im vorliegenden Falle hatte das vom Vermieter eingereichte Sachverständigengutachten lediglich auf zwölf Vergleichswohnungen für 1995 und auf sechs Vergleichswohnungen für 1996 Bezug genommen. Dem Sachverständigengutachten war auch nicht zu entnehmen, wie die Vergleichswohnungen im Einzelnen ausgewählt wurden. Bei der Wohnung handelt es sich um eine typische Berliner Altbauwohnung mit Innenstadtlage. Nach Ansicht des Gerichts lagen daher keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Wohnung aufgrund besonderer Umstände nicht hinreichend von den statistischen Erhebungen im Berliner Mietspiegel erfasst würde.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Walter Bergmann
Anmerkung:
Die Kammern des Landgerichts Berlin urteilen in der Frage "Ausnutzen einer Mangellage" uneinheitlich; einige Kammern verlangen vom Mieter, der die Rückzahlung überhöhten Mietzinses fordert, den Nachweis, dass zum Zeitpunkt der Mietpreisvereinbarung eine Mangellage bestanden habe; das Bestehen einer Zweckentfremdungsverordnung und die Bestimmung Berlins zu einem Gebiet mit erhöhtem Wohnraumbedarf allein reichen dann nicht aus.
Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 280