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Mietrecht

Urteile

Mietpreisüberhöhung nach Wirtschaftsstrafgesetz (1)

Bei einem im Dezember 1996 geschlossenen Mietvertrag obliegt es grundsätzlich dem Vermieter, den Anschein des Ausnutzens eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum in dem betreffenden Marktsegment zu entkräften. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist grundsätzlich anhand des Berliner Mietspiegels zu bestimmen. Hierbei kann nicht ohne weiteres der Oberwert des betreffenden Mietspiegelwertes zugrunde gelegt werden.

LG Berlin, Urteil vom 26.01.1999 – AZ 65 S 270/98 –

Der Mieter verlangte vom Vermieter die Erstattung zuviel entrichteten Mietzinses. Er behauptete, der im Dezember 1996 vereinbarte Mietzins sei unangemessen hoch im Sinne des § 5 Wirtschaftsstrafgesetz, denn er läge um mehr als 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Der Vermieter vertrat die Ansicht, dass die weiteren Voraussetzungen des § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (Ausnutzen eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum) nicht mehr gegeben sind, da mittlerweile eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt stattgefunden hat.

Das LG Berlin hat den Vermieter zur Rückzahlung des Mietzinses verpflichtet, soweit dieser um mehr als 20 % (Wesentlichkeitsgrenze) über der ortsüblichen Vergleichsmiete lag. Das LG Berlin ging davon aus, dass die Voraussetzungen "Ausnutzen eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum" - auch ohne einen besonderen Vortrag des Mieters hierzu - vorliegen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung sei der Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

Das LG wies darauf hin, dass zu diesem Zeitpunkt sowohl aufgrund des Gesetzes zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs in Verbindung mit der Zweckentfremdungsverbots-Verordnung als auch nach der Verordnung zu § 564b Abs. 2 Nr. 2 BGB und dem Sozialklauselgesetz das Land Berlin als ein Gebiet anzusehen ist, in dem die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist. Dies sei im Regelfall immer dann anzunehmen, wenn die betreffende Wohnung nicht aus dem Rahmen falle. Diese Überlegungen gelten nach Ansicht des LG Berlin auch dann, wenn sich der Berliner Wohnungsmarkt in Teilbereichen entspannt haben sollte. Es verweist hierbei auf das für die streitgegenständliche Wohnung einschlägige Mietspiegelfeld, nach dem die ortsübliche Miete sich zwischen dem Berliner Mietspiegel 1996 und dem Berliner Mietspiegel 1998 im Mittelwert um ca. 21 % erhöht hat. Dieser signifikante Anstieg der Vergleichsmiete lässt nach Ansicht des LG Berlin, 65. Zivilkammer, darauf schließen, dass das Angebot an vergleichbaren Wohnungen die Nachfrage jedenfalls nicht spürbar überschritten hat. Der Vermieter hat den Anschein des Ausnutzens eines geringen Angebots nicht widerlegt, sondern sich lediglich an einer Entscheidung der 62. Zivilkammer des LG Berlin orientiert, die eine Indizwirkung der genannten Verordnungen verneint. Die 65. Zivilkammer des LG Berlin sieht keine Veranlassung, sich der Ansicht der 62. Zivilkammer des LG Berlin anzuschließen.

Das Gericht führt ferner aus, dass die ortsübliche Vergleichsmiete zutreffend am Berliner Mietspiegel unter Berücksichtigung der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung zu ermitteln sei. Der Mietspiegel gebe aufgrund der Menge der zugrunde liegenden Daten ein wesentlich zuverlässigeres Bild über das Mietenniveau als ein Sachverständigengutachten.

Eine Interpolation zwischen den verschiedenen Vergleichswerten des Mietspiegels 1996 (Stichtag: 01.09.1995) und des Mietspiegels 1998 (Stichtag: 01.09.1997) sei nicht vorzunehmen. Die maßgebliche zulässige Miete ergebe sich daher aus dem jeweiligen Vergleichswert des zum Zeitpunkt des Vertragsschluss aktuellen Mietspiegels zuzüglich des 20%igen Wesentlichkeitszuschlages. Der Vermieter wurde verurteilt, den überzahlten Mietzins zurückzuzahlen.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Matthias Joßner

Anmerkung:
Die beiden, sich in wesentlichen Punkten widersprechenden, Urteile zeigen deutlich, dass die Berliner Landgerichtsrechtsprechung völlig uneinheitlich bezüglich der Auslegung der Voraussetzungen des § 5 Wirtschaftsstrafgesetz ist. Unstreitig ist im Verhältnis zur früheren Wohnungsmarktlage eine gewisse Entspannung auf dem Wohnungsmarkt eingetreten. Aus diesem Grunde raten wir noch einmal dringend davon ab, beim Abschluss eines Mietvertrages darauf zu vertrauen, dass sich der Mietzins im Nachhinein auf dem Gerichtsweg senken ließe.

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 275