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Mietrecht

Urteile

Mietpreisbremse und „umfassende“ Modernisierung

1. Eine Modernisierung von Wohnraum ist umfassend im Sinne des § 556f 
Satz 2 BGB, wenn sie einen Umfang aufweist, der eine Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt erscheinen lässt. Dies ist dann der Fall, wenn die Modernisierung einerseits im Hinblick auf die hierfür angefallenen Kosten einen wesentlichen Bauaufwand erfordert und andererseits wegen der mit ihrem tatsächlichen Umfang einhergehenden qualitativen Auswirkungen zu einem Zustand der Wohnung führt, der demjenigen eines Neubaus in wesentlichen Teilen entspricht. Beide Prüfungskriterien sind dabei von grundsätzlich gleichem Gewicht.
2. Ein im Rahmen des § 556f Satz 
2 BGB zu prüfender wesentlicher Bauaufwand liegt vor, wenn er (mindestens) ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen finanziellen Aufwands – ohne Grundstücksanteil – erreicht.
a) In die Berechnung des wesentlichen Bauaufwands dürfen lediglich Kosten einfließen, die aufgrund von Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des 
§ 555b BGB angefallen sind. Kosten für (reine) Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555a Abs 1 BGB zählen hierzu nicht.
b) Werden im Zuge der Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des § 555b BGB Erhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 555a Abs. 1 BGB miterledigt, ist bei der im Rahmen des § 556f Satz 2 BGB erforderlichen Bestimmung des wesentlichen Bauaufwands ein (zeitanteiliger) Abzug der angefallenen Kosten insoweit vorzunehmen, als Bauteile oder Einrichtungen der Wohnung, die zwar noch nicht mangelhaft, aber bereits über einen erheblichen Anteil ihrer Lebensdauer (ab)genutzt sind, durch solche von besserer Qualität ersetzt werden (sog. modernisierende  Instandsetzung (…)“.
3. Bei der Prüfung der qualitativen Auswirkungen der Modernisierungsmaßnahmen, ist von maßgebender Bedeutung, ob die Wohnung durch die Arbeiten in mehreren – nicht notwendig allen – wesentlichen Bereichen (insbesondere Heizung, Sanitär, Fenster, Fußböden, Elektroinstallationen bzw. energetische Eigenschaften) so verbessert wurde, dass die Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt ist.

BGH Urteil vom 11.11.2020 – AZ VIII ZR 369/18 –

Die Vermieterin einer rund 85 qm großen Wohnung in Berlin ließ nach dem Auszug eines Mieters in der Wohnung umfangreiche Arbeiten durchführen. Die Elektrik der Wohnung wurde erneuert, die zuvor über Putz verlaufenden Heizungsrohre wurden in den Fußboden verlegt, in Küche und Bad wurden Fußbodenfliesen, in den übrigen Räumen Parkett verlegt. Außerdem wurden die sanitären Anlagen im Bad erneuert und erstmals eine Küche eingebaut. Nach Abschluss der Arbeiten vermietete sie im Jahr 2016 die Wohnung erneut und verlangte nun eine Nettokaltmiete von 13,99 Euro pro Quadratmeter, zuvor hatte die Miete nur ca. 5,70 Euro pro Quadratmeter betragen. Die Mieter rügten am 26. Mai 2016 einen Verstoß gegen die „Mietpreisbremse“, da sie die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnung anhand des Berliner Mietspiegels mit 8,74 Euro pro Quadratmeter ermittelt hatten und diese nur um 10% überschritten werden dürfe. Die Klage der Mieter hatte vor dem Amtsgericht Schöneberg keinen Erfolg, das Landgericht Berlin wies ihre Berufung zurück. Die Vermieterin hatte sich nämlich auf die Ausnahmeregelung in § 556f BGB berufen, wonach die Beschränkungen der Miethöhe bei Neuvermietung nach der Mietpreisbremse keine Anwendung finden, wenn es sich um die erste Vermietung nach „umfassender Modernisierung“ handelt. Die Vermieterin hatte dargelegt, dass sie insgesamt für die Bauarbeiten in der Wohnung 682,59 Euro pro Quadratmeter aufgewandt habe. Sowohl das Amtsgericht, als auch das Landgericht gingen daher davon aus, dass selbst bei durchschnittlichen Neubaukosten von 2000 Euro pro Quadratmeter ein Drittel der Neubaukosten erreicht sei, was für die Annahme einer „umfassenden Modernisierung“ ausreiche.
Auf die Revision der Mieter hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Das Landgericht habe den Ausnahmecharakter der Vorschrift des § 556f Abs. 2 BGB verkannt und insbesondere zu Unrecht angenommen, dass auch der finanzielle Aufwand für Instandsetzung oder Instandhaltung zu den berücksichtigungsfähigen „Modernisierungskosten“ zähle. „Umfassend“ im Sinne der Vorschrift sei eine Modernisierung nur dann, wenn ihr Umfang eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheinen lasse. Hinsichtlich des finanziellen Aufwandes sei der Bauaufwand nur dann als wesentlich anzusehen, wenn er mindestens ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen Aufwandes (ohne Grundstücksanteil) erreiche. Hierbei sei aber, anders als das Landgericht angenommen habe, nur der Anteil der Kosten zu berücksichtigen, die auf Modernisierungsmaßnahmen beruhen. Kosten dagegen, die ausschließlich der Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen geschuldet seien, könnten von vornherein nicht in den Kostenvergleich aufgenommen werden. Entsprechendes gelte, wenn ältere Bauteile und Einrichtungen modernisiert würden „und zwar sowohl dann, wenn diese schon mangelhaft sind, als auch dann, wenn sie – ohne dass ein Austausch schon unmittelbar erforderlich wäre – bereits über einen nicht unerheblichen Zeitraum ihrer zu erwartenden Gesamtlebensdauer abgenutzt worden sind“. Auch dann sei ein Teil der Kosten nicht der Modernisierung, sondern der bloßen Instandhaltung zuzuordnen und deshalb bei dem im Rahmen der Ausnahmeregelung des § 556f BGB vorzunehmenden Kostenvergleich nicht zu berücksichtigen. Auch hinsichtlich der Frage, ob die qualitativen Auswirkungen der Baumaßnahme zu einer Gleichstellung mit einem Neubau führen, hielt der Bundesgerichtshof das Urteil des Landgerichts für falsch. Insoweit sei nämlich zu prüfen, ob die Wohnung durch die Modernisierungsmaßnahmen in mehreren – nicht notwendig allen – wesentlichen Bereichen (insbesondere Heizung, Sanitär, Fenster, Fußböden, Elektroinstallationen bzw. energetische Eigenschaften) qualitativ so verbessert wurde, dass die Gleichstellung mit einem Neubau gerechtfertigt ist“. Zu Unrecht habe das Landgericht dabei die bereits schon vor Beendigung des vorherigen Mietverhältnisses vorgenommene Heizungserneuerung einbezogen.
Außerdem habe es zu Unrecht den energetischen Zustand der Wohnung bei der Beurteilung der qualitativen Auswirkungen der Baumaßnahmen nicht berücksichtigt. Da keinerlei energetische Baumaßnahmen stattgefunden hätten, käme die Annahme, es sei dennoch ein neubaugleicher Zustand geschaffen worden, allenfalls in Betracht, wenn in mehreren anderen Bereichen besonders umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt worden wären. Entsprechende Feststellungen habe das Landgericht jedoch bisher ebenso wenig getroffen wie Feststellungen zum Anteil der angefallenen bzw. ersparten Instandsetzungskosten.


Anmerkung: Der Bundesgerichtshof wies darauf hin, dass – sofern die Voraussetzungen des § 556f BGB hier am Ende nicht vorliegen sollten und folglich die Regelungen der Mietpreisbremse Anwendung finden – der Vermieterin gemäß 
§ 556e Abs. 2 BGB immer noch die Möglichkeit bliebe, die nach der Mietpreisbremse zulässige Miete wegen der in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen um die nach § 559 ff BGB zulässige Umlage zu erhöhen.


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