Mietrecht
Urteile
Mietpreisbremse (1)
LG Berlin, Beschluss vom 14.09.2017 – AZ 67 S 149/17 –
Die 67. Kammer des Landgerichts Berlin hatte sich im Rahmen einer Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts Wedding mit der Frage der Wirksamkeit der im Jahr 2015 in Kraft getretenen „Mietpreisbremse“ (§§ 556d ff BGB) zu befassen. In einem Hinweisbeschluss vom 14. September 2017 teilte die – außer für Wedding auch für Urteile des Amtsgerichts Mitte und des Amtsgerichts Tiergarten zuständige – Berufungskammer mit, dass nach ihrer Überzeugung die Mietpreisbremse gleich in zweifacher Hinsicht in verfassungswidriger Weise gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes verstoße. Zum einen verstoße die in § 556d Absatz 1 BGB vorgenommene Bemessung der zulässigen Neu- und Wiedervermietungsmiete an der ortsüblichen Vergleichsmiete „selbst bei Anlegung eines am Willkürverbot orientierten großzügigen Prüfungsmaßstabs“ gegen Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG). Die Regelung belaste die Vermieter in Kommunen mit einer vergleichsweise niedrigen ortsüblichen Vergleichsmiete (z. B. Berlin) wesentlich stärker als solche in Kommunen mit einer hohen ortsüblichen Vergleichsmiete (z. B. München). So läge die durchschnittlich gemäß § 556d Absatz 1 BGB zulässige Miete (ortsübliche Miete plus 10%) im Jahr 2016 in Berlin (West) bei 7,14 Euro/m², in München dagegen bei 12,28 Euro/m² und somit rund 75% darüber. Der Gesetzgeber habe mit der Vorschrift den Zweck verfolgt, „die Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Mieter aus begehrten Wohnlagen zu begrenzen und dort Wohnraum für breitere Bevölkerungsschichten bezahlbar zu halten“ . Wenn aber der Gesetzgeber der Meinung sei, diese Ziele mit einer durchschnittlichen Miete von 12,28 Euro/m² in München zu verwirklichen, sei es nicht folgerichtig, Vermietern in Berlin z. B. Mieten über 6,49 Euro/m² zu versagen. Eine sachliche Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung sei „allenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn die vom Gesetzgeber adressierten einkommensschwächeren Haushalte und Durchschnittsverdiener“ in Berlin und München z. B. über entsprechend unterschiedliche Einkommen verfügen würden, wofür es keine Anhaltspunkte gäbe. Zum anderen verstoße § 556d BGB auch deshalb gegen Artikel 3 Absatz 1 GG, weil gemäß § 556e Absatz 1 BGB ohne sachliche Rechtfertigung diejenigen Vermieter von der 10%-Grenze ausgenommen seien, die bereits vorher zu einer über der jetzigen Mietobergrenze liegenden Miete vermietet hatten. Dies stelle eine ungleiche Behandlung dar, welche ebenfalls gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Der Gesetzgeber habe bei diesem Ausnahmetatbestand den Gesetzeszweck seiner Mietrechtsreform aus dem Blick verloren, „denn dieser lag gerade nicht in der Unterbindung von ‚Preissprüngen‘, sondern in der Marktöffnung für einkommensschwächere Bevölkerungsschichten und in der Verhinderung zunehmender Gentrifizierung“. Für die Verwirklichung dieser Gesetzesziele seien nicht gegenüber der vorherigen Miete gesteigerte Wiedervermietungsmieten schädlich, solange sie einkommensschwache Mieter nicht an der Anmietung hinderten, dagegen sehr wohl „stabile Wiedervermietungsmieten (…), die zwar zu keinem ‚Preissprung’ gegenüber der Vormiete führen, jedoch wegen ihrer beträchtlichen absoluten Höhe einkommensschwächere Mieter von einer Anmietung ausschließen oder über ihren Einfluss auf die Bildung der ortsüblichen Miete zumindest mittelbar die Verdrängung von Bestandsmietern fördern“ . Die Regelung widerspreche zudem dem Gerechtigkeitsgedanken. Ausgerechnet diejenigen Vermieter, die bisher zu einer „maßvollen Miete“ vermietet und damit dem Gesetzeszweck der Mietrechtsreform entsprochen hätten, auch einkommensschwachen Mietern die Anmietung von Wohnraum zu ermöglichen, würden gegenüber den Vermietern benachteiligt, die durch maximale Ausschöpfung der am Markt erzielbaren Miete „in ungleich höheren Maße zu einer Anspannung des betroffenen Wohnungsmarktes beigetragen haben“ .
Gegen das Urteil hat das Landgericht die Revision zugelassen.
Anmerkung: So gerne man den Ausführungen 67. Kammer des Landgerichts zur Bestandsschutzregelung für gewohnheitsmäßige Mietpreisüberhöher folgen möchte, bleibt doch offen, weshalb dann nicht nur § 556e BGB, der diesen Bestandsschutz regelt, verfassungswidrig sein soll, sondern gleich die ganzen als „Mietpreisbremse“ bekannten Regelungen der §§ 556d bis 556g BGB.