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Mietrecht

Urteile

Mietminderung wegen Bautätigkeit

Eine Vereinbarung in einem Mietvertrag, nach der dem Mieter wegen der geplanten Modernisierung und Sanierung des Wohngebäudes kein Mietminderungsrecht zusteht, ist unwirksam. Der pauschale Hinweis auf die anstehenden Modernisisierungsarbeiten ohne nähere Erläuterung über Art, Umfang und Dauer führt auch nicht dazu, dass der Mieter wegen anfänglicher Kenntnis des Mangels gemäß § 539 BGB sein Mietminderungsrecht verliert.

LG Berlin, Urteil vom 19.06.2000 – AZ 67 S 184/99 –
AG Berlin Mitte, Urteil vom 02.03.1999 – AZ 9 C 56/98 –

Mieter und Vermieterin schlossen im September 1996 zunächst einen Vorvertrag und dann einen Mietvertrag. Sowohl im Vorvertrag als auch im Mietvertrag wurde darauf hingewiesen, dass die gesamte Hausgruppe umfassend modernisiert und saniert werden wird. Es wurde vereinbart, dass die Mieter die geplanten Maßnahmen zur Kenntnis genommen haben und auf Mietminderungen wegen der Baumaßnahmen verzichten. In der Zeit von Januar 1997 bis Oktober 1997 wurden an dem Wohngebäude umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt. Unter anderem wurde der Balkon abgerissen und ein neuer Balkon gebaut. Die Mieter minderten die Nettokaltmiete in dieser Zeit um 30%. Darüber hinaus lag nach einer Feststellung des Gesundheitsamtes von Ende Juli 1997 in der Zeit vom Februar 1997 bis Ende Juni 1997 die Kupferbelastung des Trinkwassers über dem Richtwert der Trinkwasserverordnung. Das Gesundheitsamt gab die Empfehlung, das Trinkwasser wegen möglicher Gesundheitsgefährdung nicht für die Zubereitung von Kindernahrung zu verwenden. Daraufhin kürzten die Mieter für die Zeit von Februar 1997 bis Juli 1997 die Miete um weitere 10% der Nettokaltmiete.

Die Vermieterin klagte auf Zahlung des von den Mietern aufgrund der Mietminderung einbehaltenen Mietzinses. Das Amtsgericht wies die Klage im überwiegenden Umfang ab. Es gelangte zu der Feststellung, dass die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch während der Zeit der Baumaßnahmen eingeschränkt war. Aus diesem Grunde sei der Mietzins in diesem Zeitraum um 20% zu mindern. Die Baumaßnahmen seien unstreitig erfolgt. Die Mieter hätten substantiiert die jeweiligen Bautätigkeiten und die daraus resultierende Beeinträchtigung des Mietgebrauchs vorgetragen. Darüber hinaus sei es gerichtsbekannt, dass die unstreitig erfolgten Baumaßnahmen regelmäßig mit nicht unerheblichen Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs verbunden sind. Das Amtsgericht vertrat die Ansicht, dass das den Mietern zustehende Recht zur Mietminderung aufgrund der Vereinbarungen im Vorvertrag und im Mietvertrag nicht wirksam ausgeschlossen worden war. Es ließ offen, ob eine solche für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vereinbarung wegen Verstoßes gegen das AGBG (Gesetz zur Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen) nicht ohnehin unwirksam war. Nach Feststellung des Gerichts kann in keinem Falle das dem Mieter gemäß § 537 BGB zustehende Mietminderungsrecht bei einem Mietverhältnis über Wohnraum durch Vereinbarung ausgeschlossen werden. Das Amtsgericht führte weiter aus, dass das Minderungsrecht der Mieter auch nicht gemäß § 539 BGB wegen anfänglicher Kenntnis oder grober Unkenntnis des Mangels ausgeschlossen war. Es vertrat die Ansicht, dass nur eine grundsätzliche Kenntnis von anstehenden Sanierungs- oder Modernisierungsmaßnahmen, wie sie im Vorvertrag und im Mietvertrag beschrieben wurden, nicht zu einer Kenntnis im Sinne des § 539 BGB führt. Denn die Angaben im Mietvertrag waren nicht hinreichend konkret, um hieraus den Umfang der tatsächlich geplanten Arbeiten und deren zeitlichen Verlauf und somit eine Kenntnis im Sinne des § 539 BGB abzuleiten. Wegen des nicht benutzbaren Balkons war der Mietzins nach Ansicht des Amtsgerichts um weitere 10% zu mindern, da der Balkon ausweislich der Wohnungsbeschreibung mitvermietet und während der Baumaßnahme nicht nutzbar war. Das Amtsgericht ging aus den oben genannten Gründen davon aus, dass die Mieter auch von dem geplanten Abriss der Balkons keine Kenntnis hatten. Wegen des überhöhten Kupferanteils im Trinkwasser billigte das Amtsgericht den Mietern eine Minderung von 5% zu. Die aus dem Mangel resultierende Gesundheitsgefährdung der Mieter und ihres im Jahre 1996 geborenen Kleinkindes ergab sich für das Gericht aus der Mitteilung und der Empfehlung des Gesundheitsamtes. Diesen Sachvortrag hatte die Vermieterin zwar bestritten, ohne jedoch näher darauf einzugehen. Die Vermieterin konnte die Mieter auch nicht darauf verweisen, nach einem längeren Zeitraum der Stagnation des Trinkwassers das Wasser zunächst mehr als eine Minute laufen zu lassen. Das Amtsgericht kam zu der Feststellung, dass ein Mangel selbst dann vorliegen würde, wenn die Mieter gehalten wären, durch längeres Laufenlassen des Trinkwassers eine Gesundheitsgefährdung zu vermeiden. Abgesehen davon, dass auch das längere Zuwarten eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs darstellen würde, entstünden den Mietern auf diese Weise höhere Kosten aufgrund des gesteigerten Wasserverbrauchs.

Nach alledem wurde die Klage der Vermieterin im Wesentlichen abgewiesen, lediglich die Minderung wegen der Kupferbelastung wurde statt mit 10%, wie von den Mietern bemessen, vom Gericht mit 5% beurteilt. Die Berufung des Vermieters wurde durch das Landgericht Berlin im Wesentlichen als unbegründet zurückgewiesen. Erfolg hatte der Vermieter lediglich hinsichtlich der Minderung wegen der Trinkwasserbelastung für den Monat Juli 1997, weil das Wasser bereits seit Ende Juni 1997 beanstandungsfrei gewesen war. Dass der Mieter hiervon erst Ende Juli 1997 Kenntnis erlangte, war unbeachtlich, weil allein das Vorliegen eines Mangels zur Minderung der Gebrauchstauglichkeit führt und damit zur Minderung der Miete berechtigt.

Mitgeteilt von Rechtsanwältin Birgit Stenzel
Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 281