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Mietrecht

Urteile

Mietminderung wegen Baulärm

Der Mieter einer Wohnung im Innenstadtbereich muss nicht zwangsläufig mit Bautätigkeiten in der näheren räumlichen Umgebung der Wohnung rechnen, so dass er sein Recht zur Mietminderung nicht verliert.
Der Mieter muss bei umfangreichen Bautätigkeiten den Mangel nicht in der Weise belegen, dass er für jeden Tag die jeweiligen Arbeiten unter Angabe der jeweiligen Dauer zutreffend beschreibt.

AG Berlin Mitte, Urteil vom 19.07.2004 – AZ 20 C 106/04 –

Die Mietvertragsparteien stritten sich um die Frage der Berechtigung einer Mietminderung wegen umfangreicher Bautätigkeiten in der näheren Umgebung der Wohnung des Mieters. Die Vermieterin vertrat die Ansicht, die Mieter hätten bei Mietvertragsabschluss im Oktober/November 1996 mit Bautätigkeiten in der näheren räumlichen Umgebung der Wohnung rechnen müssen, weil sich die Wohnung in einem Sanierungsgebiet mit baufälligen Gebäuden, erneuerungsbedürftigen Fassaden und Baulücken befindet. Im Übrigen sei der angebliche Mangel von den Mietern nicht ordungsgemäß dargestellt.

Das Amtsgericht hat die Klage der Vermieterin auf Zahlung des (durch die Mietminderung bedingten) Mietrückstands abgewiesen. Es vertrat in seinem Urteil die Ansicht, dass allein aus dem Umstand, dass die streitgegenständliche Wohnung in einem Innenstadtbereich nahe der Leipziger Straße gelegen sei, kein Rückschluss darauf gezogen werden könne, die Mieter hätten bei Abschluss des Mietvertrags die späteren Bautätigkeiten gekannt oder kennen müssen. Insbesondere könne der Abschluss eines Mietvertrags für eine Wohnung in dem flächendeckend von Sanierungsmaßnahmen betroffenen Ostteil Berlins nicht zu einem generellen Verlust des Mietminderungsrechts der Mieter führen.

Darüber hinaus gelangte das Amtsgericht zu dem Ergebnis, dass die Mieter den Baulärm hinreichend substantiiert dargestellt hätten, um eine Mietminderung zu rechtfertigen. Das von den Mietern eingereichte Lärmprotokoll sei zwar teilweise ungenügend und nur stichwortartig und pauschal gehalten, insbesondere enthalte es keine konkreten Angaben zur Dauer der jeweiligen Lärmbelästigungen. In diesem Zusammenhang müsse jedoch berücksichtigt werden, dass die Führung eines ordnungsgemäßen "Lärmtagebuchs" voraussetze, dass der Mieter seinen gewöhnlichen Tagesablauf aufgebe müsse, um sich mit der statistischen Erfassung der Mietmängel zu beschäftigen. Diesen für den Mieter unzumutbaren Anforderungen wird nach Ansicht des Amtsgerichts in der Rechtsprechung dadurch Rechnung getragen, dass bei bestimmten Bauvorhaben unabhängig von der täglichen Lärmentwicklung und dem Bauverlauf pauschal eine feste Minderungsquote über die gesamte Dauer zugesprochen werden könne. Diese Quote werde dem Mieter somit auch für weniger lärm- und geräuschintensive Zeiträume zuerkannt, insbesondere weil der Mieter in diesen Fällen nie sicher sein könne, dass er für einen bestimmten voraussehbaren Zeitraum von solchen Beeinträchtigungen verschont bleiben würde.

Die von dem Mieter beschriebenen Baumaßnahmen waren nach Ansicht des Amtsgerichts typischerweise und gerichtsbekannt mit einer nicht nur unerheblichen Lärmbeeinträchtigung und damit Beeinträchtigung des Wohnwerts verbunden. Aus diesem Grund genügten die von den Mietern stichwortartig im Lärmprotokoll beschriebenen Bautätigkeiten, um den Mangel der Wohnung ausreichend darzustellen. Die Klage der Vermieterin auf Zahlung des geminderten Mietzinses wurde abgewiesen.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Gert-Peter Junge

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 307