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Mietrecht

Urteile

Mietminderung und Annahmeverzug des Mieters

Befindet sich ein Vermieter jahrelang (im vorliegenden Fall 20 Jahre) mit der Beseitigung eines Mangels im Verzug und hat er die vom Mieter vorgenommenen Mietminderungen (mehr als 50%) in dieser Zeit widerspruchslos hingenommen, so sind seine diesbezüglichen Ansprüche auch dann verwirkt, wenn die Mietminderung überzogen war.
 
Sowohl der Verzug als auch die Verwirkung enden, wenn der Vermieter den Mieter auffordert, die Mängel konkret zu benennen und ihm Zutritt zur Wohnung zu verschaffen, damit er die Mängel beseitigen kann.
 
Gerät der Mieter daraufhin mit der Beseitigung der von ihm behaupteten Mängel in Annahmeverzug, steht ihm ein Anspruch auf Mietminderung nicht mehr zu. Ein im Anschluss an den Annahmeverzug des Mieters aufgelaufener Mietrückstand von mehr als zwei Monatsmieten berechtigt den Vermieter zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses.

AG Berlin Charlottenburg, Urteil vom 09.11.2006 – AZ 211 C 355/06 –

Die Mieter schlossen im Juli 1974 einen Mietvertrag mit der vormaligen Eigentümerin. Eine Mieterin zog bereits im Jahr 1975 aus der gemeinsamen Wohnung aus. Im Innenverhältnis vereinbarten die Mieter, dass sich der verbleibende Mieter um sämtliche Belange der Wohnung kümmert. Mit diversen Schreiben, erstmalig im Jahre 1983 zeigte der verbleibende Mieter eine Vielzahl von Mängeln in der Wohnung an. In der Folge minderte er die Miete um mehr als 50%.

Nachdem die Vermieterin im Jahr 1995 vergeblich die Zahlung der rückständigen Miete verlangt und 1996 eine fristlose Kündigung ausgesprochen hatte, widersprach der Mieter einer Kündigung wegen der von ihm genannten Mängel. Eine zwischenzeitlich an den verbliebenen Mieter übersandte Mieterhöhung wurde von diesem nicht gezahlt.

Mit Schreiben vom 27. Dezember 2005 forderte die Vermieterin den verbliebenen Mieter auf, die Mängel im Einzelnen zu benennen, damit sie Abhilfe schaffen könne. Zugleich bat sie ihn, zwei Termine vorzuschlagen, in denen die Wohnung besichtigt werden könne. Mit einem weiteren Schreiben vom 24. Januar 2006 wurde der verbliebene Mieter ein weiteres Mal aufgefordert, die Besichtigung der Mängel zu ermöglichen und zwei Termine zur Besichtigung zu benennen. Sowohl mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Februar 2006 als auch vom 12. Mai 2006 wurde der Mieter weitere Male aufgefordert.

Mit Schreiben vom 11. Mai 2006 schlug der verbliebene Mieter einen Besichtigungstermin für den 18. Mai 2006 vor, der jedoch nicht stattfand. Mit Schreiben vom 12. Juni 2006 lehnte der verbliebene Mieter eine Besichtigung der Wohnung "wegen Unzumutbarkeit" ab. Daraufhin kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis mit anwaltlichem Schreiben vom 16. Juni 2006 wegen des aufgelaufenen Mietrückstands, wobei die Kündigung lediglich dem in der Wohnung verbliebenen Mieter zugestellt wurde. Mit Schreiben vom 28. September 2006 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis ein weiteres Mal wegen der zwischenzeitlich aufgelaufenen Mietrückstände und stellte diese Kündigung beiden Mietern zu. Daraufhin benannte der Mieter mit Schreiben vom 30. September 2006 zwei Besichtigungstermine für den 16. Oktober und 17. Oktober 2006.

Mit der Klage verlangt die Vermieterin die Herausgabe der Wohnräume durch die Mieter. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und die Mieter zur Räumung verurteilt. Zwar habe die fristlose Kündigung vom 16. Juni 2006 das Mietverhältnis nicht beenden können, weil sie lediglich dem in der Wohnung verbliebenen Mieter zugestellt wurde und der Vermieterin der Auszug der anderen Mieterin seit Jahren bekannt war. Das Mietverhältnis sei jedoch durch die fristlose Kündigung vom 28. September 2006 beendet worden.

Auch wenn die von der Vermieterin geltend gemachte Mieterhöhung nicht wirksam gewesen sei, weil sie - ebenso wie die Kündigung vom 16. Juni 2006 - lediglich dem in der Wohnung verbliebenen Mieter zugestellt wurde, habe der Mietrückstand mehr als zwei Monatsmieten erreicht und berechtige die Vermieterin daher zur Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 543 Abs. 2 Ziffer 3a in Verbindung mit § 569 Abs. 3 Ziffer 1 BGB. Die auf diesen Zahlungsverzug gestützte Kündigung habe die Vermieterin ausreichend begründet, weil sie unabhängig von der Höhe der Miete (im Anschluss an die unwirksame Mieterhöhung) dargelegt hatte, dass und für welchen Zeitraum nicht einmal die Hälfte des ursprünglich vereinbarten Betrags gezahlt wurde.

Auf das Mietminderungsrecht wegen der diversen Mängel konnten sich die Mieter nach Ansicht des Amtsgerichts nicht berufen. Zwar sei ihnen dahingehend Recht zu geben, dass die Vermieterin (bezogen auf die Vergangenheit bis einschließlich Dezember 2005) ihre Rechte sowohl im Hinblick auf die Mietminderung selbst als auch auf die Höhe der Minderung verwirkt habe, weil sie sich jahrelang weder um die Mängelbeseitigung noch um die Höhe der Mietminderung gekümmert habe. Selbst wenn die von den Mietern durchgeführte Mietminderung völlig überzogen gewesen sein sollte, lägen sowohl das Zeitmoment (jahrelanges Dulden der Mietminderung) als auch das Umstandsmoment (Untätigkeit in Kenntnis von diversen Mängelrügen) vor.

Der Verzug der Vermieterin mit der Beseitigung des Mangels habe jedoch im Januar 2006 geendet, nachdem sie den in der Wohnung verbleibenden Mieter vergeblich aufgefordert hatte, die Mängel zu benennen und ihr Zutritt zur Wohnung zu gewähren. Diese Aufforderung war mit der Ankündigung verbunden gewesen, ggf. die erforderlichen Instandsetzungsmaßnahmen einzuleiten. Das Amtsgericht führte weiter aus, dass sich die Mieter ab diesem Zeitpunkt im Annahmeverzug befunden hätten. Mit dem Beginn des Annahmeverzugs habe das Recht der Mieter auf Mietminderung geendet. Angesichts der mehrmaligen Aufforderungen sei es unbeachtlich, aus welchem Grund der für den 18. Mai 2006 anberaumte Termin nicht durchgeführt wurde. Nach Behauptung der Mieter war die Vermieterin nicht erschienen und nach der Behauptung der Vermieterin habe der Mieter die Wohnung nicht geöffnet. Das Amtsgericht führte in seinen Urteilsgründen aus, dass der Mieter in jedem Fall verpflichtet gewesen sei, unverzüglich einen neuen Termin zu benennen, dies jedoch mit Schreiben vom 12. Juli 2006 ausdrücklich abgelehnt habe.

Ebenso unschädlich war nach Ansicht des Amtsgerichts der Umstand, dass lediglich der in der Wohnung verbliebene Mieter aufgefordert wurde, den Zugang zu gewähren. Insoweit gelangte es zu der Feststellung, dass ein Aufforderungsschreiben an die (im Jahr 1975) ausgezogene Mieterin entbehrlich gewesen sei, weil es erfolglos geblieben wäre. Unstreitig habe die ausgezogene Mieterin seit 1975 nicht mehr in der Wohnung gewohnt und sämtliche Belange seien vom verbliebenen Mieter geregelt und entschieden worden. Dies habe sich auch aus den vorprozessualen Schreiben der ausgezogenen Mieterin und aus den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ergeben, in denen sie mitteilte, dass sie keinerlei Einflussmöglichkeit auf die tatsächliche Durchführung des Mietverhältnisses hatte.

Da den Mietern für die Zeit ab Januar 2006 ein Mietminderungsrecht (wegen des Annahmeverzugs) nicht zur Seite stand und der Mietrückstand mittlerweile mehr als zwei Monatsmieten angenommen hatte, wurden die Mieter im Anschluss an die fristlose Kündigung zur Räumung verurteilt.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Florian Lahrmann

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 321