Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Mietrecht

Urteile

Mieterhöhung und Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete

a) Die Gerichte sind grundsätzlich auch dann berechtigt, zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete ein von der beweisbelasteten Partei angebotenes Sachverständigengutachten einzuholen, wenn ein Mietspiegel vorliegt, der tabellarisch Mietspannen ausweist und zusätzlich eine Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung enthält. Das gilt bei solchen Mietspiegeln nicht nur in den Fällen, in denen zwischen den Parteien Streit über die Voraussetzungen für das Eingreifen bzw. die Reichweite einer dem Mietspiegel gegebenenfalls zukommenden Vermutungs- oder Indizwirkung herrscht, sondern unabhängig davon in der Regel auch dann, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete unstreitig innerhalb der für das einschlägige Mietspiegelfeld ausgewiesenen Spanne liegt und deshalb lediglich die Einordnung der konkreten Einzelvergleichsmiete in diese Spanne einer Klärung bedarf (…).
b) Maßgebend für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist der Zeitpunkt, zu dem das Erhöhungsverlangen dem Mieter zugeht und nicht der – hier vom Berufungsgericht zugrunde gelegte – Zeitpunkt, ab dem der Mieter die erhöhte Miete gegebenenfalls schuldet. Die nach § 558 Abs. 2 BGB aF maßgebliche Vierjahresfrist erstreckt sich demnach vom Zugang des Erhöhungsverlangens an vier Jahre zurück (…). (Leitsatz von der Redaktion MieterEcho gekürzt.)

BGH ORT, Urteil vom 28.04.2021 – AZ VIII ZR 22/20 –

Die Mieter einer 80,85 qm großen Wohnung in Schöneberg erhielten mit Schreiben ihrer Vermieterin vom 20. Juli 2017 die Aufforderung, einer Mieterhöhung um 66,86 Euro ab dem 1. Oktober 2017 zuzustimmen. Zur Begründung berief sich die Vermieterin auf den damals geltenden Berliner Mietspiegel 2017. Dieser wies im zutreffenden Feld eine Spanne von 5,52 Euro/qm bis 9,20 Euro/qm aus, die Vermieterin begehrte mit ihrem Mieterhöhungsverlangen eine neue Miete von 8,10 Euro/qm. Das Amtsgericht Schöneberg wies die Klage der Vermieterin auf Zustimmung zur Mieterhöhung ab, nachdem es anhand der Orientierungshilfe zum Berliner Mietspiegel 2017 eine ortsübliche Miete noch unterhalb der Ausgangsmiete von 7,27 Euro/qm ermittelt hatte. Auf die Berufung der Vermieterin holte die u. a. für Urteile des Amtsgerichts Schöneberg zuständige Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin ein Sachverständigengutachten zur ortsüblichen Vergleichsmiete für die Wohnung ein und verurteilte die Mieter zur Zustimmung, nachdem der Sachverständige eine ortsübliche Miete von 8,28 Euro/qm ermittelt hatte. Hiergegen richtete sich die Revision der Mieter. Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück. Allerdings teilte er nicht die Auffassung der Mieter, dass die Bestimmung der ortsüblichen Miete durch das Gericht anhand der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung des Berliner Mietspiegels 2017 hätte erfolgen müssen, da der Mietspiegel aufgrund seiner umfangreicheren Datengrundlage einem Sachverständigengutachten überlegen wäre. Dies gelte insbesondere dann nicht, „wenn sich die breite Datengrundlage des Mietspiegels – wie hier – ausschließlich auf die in Tabellenform ausgewiesenen Mietspiegelfelder bezieht und im Streitfall nur die konkrete Einordnung in die Mietspiegelspanne, derentwegen der Mietspiegel lediglich eine Schätzung (…) ermöglicht, einer Beweiserhebung bedarf“ . Die (auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs) dem Berliner Mietspiegel 2017 zukommende Indizwirkung erstrecke sich nur auf die Daten, die in die Erstellung der Mietspiegelfelder eingeflossen sind. Insoweit bestehe aber zwischen den Parteien hier kein Streit, da die von der Vermieterin begehrte Miete innerhalb der ausgewiesenen Spanne von 5,52 Euro/qm 9,20 Euro/qm liegt. Das Berufungsgericht sei zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet gewesen, die Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung zum Berliner Mietspiegel 2017 als Schätzungsgrundlage zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete heranzuziehen. Denn es stehe „im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob es die beantragte Beweisaufnahme (hier Einholung eines Sachverständigengutachtens) durchführt oder sich (...) mit einer Schätzung begnügt“ . Zur Aufhebung des Urteils führte jedoch, dass das Landgericht den für die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete maßgeblichen Stichtag falsch bestimmt hatte, indem es auf den Zeitpunkt abgestellt hatte, ab dem die Mieter die erhöhte Miete gegebenenfalls schuldeten (1. Oktober 2017), anstatt auf den Zeitpunkt, an dem den Mietern das Mieterhöhungsverlangen vom 20. Juli 2017 zugegangen war. Letzterer Zeitpunkt sei maßgeblich für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die nach § 558 Abs. 2 BGB aF maßgebliche Vierjahresfrist erstrecke sich demnach vom Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens an (im Juli 2017) vier Jahre zurück. Der Sachverständige im Berufungsverfahren hatte jedoch seiner Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete – entsprechend der Vorgabe des Landgerichts Berlin – Mieten für vergleichbaren Wohnraum zugrunde gelegt, die im Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis 1. Oktober 2017 vereinbart oder geändert worden waren. So wurden in dem Gutachten auch zwei Wohnungen aufgeführt, für welche im Jahr 2017 (überdurchschnittlich hohe) Mieten neu vereinbart wurden, ohne dass das Gutachten erkennen ließ, ob diese Vereinbarungen im maßgeblichen Zeitraum bis Juli 2017 oder danach getroffen wurden. Der Bundesgerichtshof könne daher nach den bisher vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob die von der Vermieterin verlangte Miete die ortsübliche Miete nicht doch übersteigt.


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