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Mietrecht

Urteile

Mängelbeseitigung bei Baumaßnahmen (Chemietoilette, Gasversorgung)

Der Vermieter ist verpflichtet, eine dem Mieter längere Zeit zur Verfügung gestellte Gasversorgung wiederherzustellen, auch wenn er die Unterbrechung der Gasversorgung nicht zu vertreten hat. Der Vermieter erfüllt die mietvertragliche Gebrauchsgewährungspflicht nicht durch Überlassung einer Chemietoilette auf dem Hof als Ersatz für eine von dem Mieter zuvor genutzte Außenpodesttoilette, die im Zuge von Bauarbeiten abgerissen worden ist. Die klageweise Geltendmachung der Wiederherstellung von Außentoilette und Gasversorgung ist auch nicht treuwidrig, wenn der Mieter zuvor zu einer formunwirksamen Modernisierungsankündigung eines Zentralheizungseinbaus die Zustimmung verweigert hatte.

AG Berlin Mitte, Urteil vom 27.03.1995 – AZ 12 C 862/94 –

Die Vermieterin lässt seit Frühjahr 1993 umfangreiche Bauarbeiten zur Instandsetzung und Modernisierung des Wohngebäudes durchführen, in dem die Mieterin ihre Wohnung hat. Sie hatte der Mieterin mit Schreiben vom 15.04.93 bestimmte Arbeiten, unter anderem den Einbau einer Gaszentralheizung für das Gartenhaus und den Austausch der einfach verglasten Fenster und Fensterrahmen angekündigt. Die Mieterin verweigerte dazu die Zustimmung.

Seit November 1993 ist die Gasversorgung der Wohnung nach einer Sperrung durch die GASAG wegen zahlreicher undichter Stellen der Leitungen unterbrochen. Mit Beginn der Bauarbeiten wurde die zuvor von der Mieterin und anderen Mietparteien gemeinsam benutzte Podestaußentoilette, die sich eine halbe Treppe unterhalb der Wohnung befand, abgerissen. Dafür wurde der Mieterin eine Chemietoilette auf dem Hof zur alleinigen Nutzung zur Verfügung gestellt.

Die Hausverwaltung wurde mit Anwaltsschreiben vom 03.06.93 aufgefordert, die Außentoilette wiederherzustellen und einen Wasserschaden zu beseitigen. Durch ein weiteres Anwaltsschreiben vom 08.04.94 wurde die Vermieterin aufgefordert, sämtliche streitgegenständlichen Mängel zu beseitigen.

Mit der Mängelbeseitigungsklage beantragt die Mieterin, die Vermieterin zu verurteilen, die Gasversorgung wiederherzustellen, die Außenpodesttoilette wiederherzustellen, die Wasserflecken an der Wohnstubendecke zu beseitigen und die Decke malermäßig zu bearbeiten, die Steigleitung an der Küchenwand ordnungsgemäß abzudichten und die Wand nach Schadensbeseitigung malermäßig zu bearbeiten, die unter den Fenstern der Wohnung vorhandenen Schlitze zu verfüllen und die Füllmasse anschließend malermäßig zu bearbeiten.

Die Vermieterin beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, dass die Mieterin keinen Anspruch auf Wiederherstellung der abgerissenen Außentoilette habe. Sie habe lediglich einen Anspruch auf eine Außentoilette. Dieser Anspruch werde durch die Chemietoilette auf dem Hof erfüllt. Die Mieterin sei dadurch sogar besser gestellt, weil sie diese Toilette allein benutzen dürfe. Die Wasserschäden seien nicht auf die durch die Vermieterin in Auftrag gegebenen Handwerksarbeiten zurückzuführen. Die Steigleitung sei von den Handwerkern vielmehr nach den anerkannten Regeln der Technik abgenommen und anschließend verschlossen worden. Die Wasserflecken seien vermutlich durch den gegen § 3 Abs. 6 des Mietvertrages verstoßenden und möglicherweise unsachgemäßen Betrieb einer maschinellen Wascheinrichtung in der Wohnung verursacht worden. Schlitze befänden sich, wenn sie überhaupt vorhanden sein sollten, allenfalls an der äußeren Putzwand des Anwesens.

Hinsichtlich der Wiederherstellung der Gasversorgung und der Außentoilette hat das Gericht durch Teilurteil für Recht erkannt: Die Gasversorgung der Wohnung gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch im Sinne des § 536 BGB, weil sie der Mieterin offensichtlich über einen längeren Zeitraum zur Verfügung gestellt worden war. Die Vermieterin ist deshalb verpflichtet, die Gasversorgung wiederherzustellen. Dies ist unabhängig davon, ob die Vermieterin die Unterbrechung der Gasversorgung zu vertreten hat.

Weiterhin gehört die Nutzung der Außentoilette eine halbe Treppe unterhalb der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch. Die Vermieterin erfüllt die mietvertragliche Gebrauchsgewährungspflicht nicht durch Überlassung einer Chemietoilette auf dem Hof, weil dies keine gleichwertige Alternative zu der abgerissenen Toilette darstellt. Die Mieterin hat zum einen einen Anspruch auf eine Toilette mit Wasserspülung, die zu geringeren Geruchsbelästigungen führt. Weiterhin kann sie eine Toilette im Gebäude verlangen, dies ist weitaus komfortabler, als eine Toilette auf dem Hof aufsuchen zu müssen. Bei Regen und bei Kälte führt letzteres zu erheblichen Beeinträchtigungen der Mieterin, die auch nicht durch die Möglichkeit der alleinigen Nutzung aufgewogen werden.

Eine Verwirkung des Anspruchs auf Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustands nach § 242 BGB ist nicht eingetreten. Weder Zeit- noch Umstandsmoment liegen vor. Hinsichtlich der Außentoilette hat die Mieterin die Vermieterin erstmals mit Schreiben vom 03.06.93 und nochmals mit Schreiben vom 08.04.94 zur Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustands aufgefordert. In dem zweiten Schreiben wurde auch eine funktionierende Gasversorgung verlangt. Beide Mahnungen erfolgten erstmals wenige Monate nach dem Auftreten der Mängel. Gerade im Hinblick auf die in der Zwischenzeit andauernden Bauarbeiten durfte die Mieterin zunächst eine gewisse Zeit abwarten, bevor sie die Vermieterin mahnte.

Die Geltendmachung dieser Ansprüche ist auch nicht deshalb treuwidrig, weil die Vermieterin im Zuge der Modernisierungsarbeiten eine neue Heizung und eine Innentoilette einbauen will und deshalb die mit der Klage geltend gemachten Arbeiten einen zusätzlichen Aufwand für eine kurze Übergangszeit darstellen könnten. Die Mieterin ist bisher nicht verpflichtet, diese Arbeiten gemäß § 541 b BGB zu dulden. Hinsichtlich des Einbaus einer Zentralheizung ist die Modernisierungsankündigung vom 15.04.93 unwirksam, da sie inhaltlich zu unbestimmt ist. Der Einbau einer Innentoilette wird in dem Schreiben gar nicht angekündigt.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Wilhelm Lodde

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 253


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