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Mietrecht

Urteile

Kündigung des Mietverhältnisses wegen Hinderung des Vermieters an angemessener wirtschaftlicher Verwertung

Der Umstand, dass eine leere Eigentumswohnung zu einem deutlich höheren Marktwert verkauft werden kann, rechtfertigt für sich genommen keine Kündigung des Mietverhältnisses zum Zwecke der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung.

AG Tempelhof Kreuzberg, Urteil vom 16.03.2010 – AZ 6 C 546/09 –

Die Mieter bewohnten seit Dezember 1984 eine 80 qm große Wohnung. Die Vermieterin erwarb 1992 das Grundstück. Im September 1993 schlossen die Mietvertragsparteien eine Vereinbarung über die Durchführung von Modernisierungsarbeiten durch den Mieter, mit der die Vermieterin auch für die Abwohndauer, längstens aber für 15 Jahre ab Abnahme der Arbeiten auf ihr ordentliches Kündigungsrecht verzichtet hat. Im Jahr 1997 wandelte die Vermieterin das Grundstück in Wohnungseigentum um.

Mit Schreiben vom 3. September 2008 erklärte die Vermieterin die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. Mai 2009 mit der Begründung, sie sei durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und erleide dadurch erhebliche Nachteile. Bei einem Verkauf der Wohnung in unvermietetem Zustand könne sie einen Preis von ca. 90.000 Euro erzielen, während bei einem Verkauf im vermieteten Zustand bei der jetzigen Miete lediglich ein Preis in Höhe von ca. 30.000 Euro erzielbar sei. Die Nettomieteinnahmen würden nicht einmal die zu zahlenden Zinsen decken.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar könnten die Mieter sich nicht mehr auf die Modernisierungsvereinbarung berufen, da der dort vereinbarte Kündigungsausschluss nur für die darin vereinbarte Dauer gelte und diese bereits abgelaufen sei. Unabhängig davon könne der Vermieter das Mietverhältnis wegen des beabsichtigten Verkaufs der Wohnung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB nur dann kündigen, wenn er durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert sei und dadurch erhebliche Nachteile erleide.

Beide Voraussetzungen müssen nach Ansicht des Amtsgerichts kumulativ vorliegen, wobei sich abstrakte Regeln bei der Abwägung nicht aufstellen lassen. Maßgeblich für die Bewertung seien vielmehr die jeweiligen Umstände des Einzelfalls.

Das Amtsgericht wies in seinem Urteil zunächst darauf hin, dass eine wirtschaftliche Verwertung dann angemessen sei, wenn sie von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen getragen werde und mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang stehe. Die Vermieterin hatte vorgetragen, dass die Kreditzinsen die Nettoeinnahmen der Miete übersteigen würden und sich bei dem Verkauf der unvermieteten Wohnung ein wesentlich höherer Kaufpreis erzielen ließe. Betreffend der Kreditzinsen fehlten nach Ansicht des Amtsgerichts jedoch hinreichend nachvollziehbare Angaben zum tatsächlichen Kaufpreis des Hauses. Aus einem Parallelverfahren war dem Gericht jedoch bekannt, dass der Kaufpreis weit unter der jetzt angegebenen zu verzinsenden Restschuld gelegen hatte. In diesem Zusammenhang stellte sich für das Gericht bereits die Frage, wofür der über den Kaufpreis hinausgehende Darlehensbetrag benötigt wurde. Im Übrigen habe der Vermieter das gesamte Grundstück und nicht nur diese eine Wohnung erworben, sodass eine nachvollziehbare Berechnung der Zinsbelastung bezogen auf die Wohnung der Mieter vorgetragen werden müsse.

Unabhängig davon gelangte das Amtsgericht zur Feststellung, dass die Vermieterin an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks nicht gehindert sei und durch den Mietvertrag keinen erheblichen Nachteil erleide. Die Beurteilung der Frage, ob einem Eigentümer durch den Fortbestand eines Mietvertrags ein erheblicher Nachteil entstehe, müsse vor dem Hintergrund der Sozialpflichtigkeit des Eigentums und des grundsätzlichen Interesses des Mieters, in der Wohnung als seinem Lebensmittelpunkt zu verbleiben, erfolgen. Das vermietete Eigentum gewähre dem Vermieter vor diesem Hintergrund keinen Anspruch auf Gewinnoptimierung oder Einräumung gerade derjenigen Nutzungsmöglichkeiten, die den größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil versprechen würden.

Insbesondere dienten die im Gesetz enthaltenen Kündigungstatbestände nicht der Förderung des Immobilienhandels, sondern des Bestandsschutzes. In diesem Zusammenhang müsse berücksichtigt werden, dass auch das Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung grundrechtlich geschützt sei.

Auf der anderen Seite dürften die dem Vermieter entstehenden Nachteile keinen Umfang annehmen, der die Nachteile des Mieters im Fall des Verlusts der Wohnung übersteige. Bei der insoweit vorzunehmenden Abwägung müssten deshalb die Ver- mögenslage bei Erwerb und bei beabsichtigter Veräußerung des Grundstücks beziehungsweise der Wohnung gegenübergestellt werden. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass der Vermieter das Mietobjekt in vermietetem Zustand erworben habe. Auf die Änderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung könne sich der Vermieter nicht ohne Weiteres berufen, wenn beispielsweise ein vorher wirtschaftlich zu betreibendes Objekt erst durch Ankaufs- oder spätere Sanierungsfinanzierung unwirtschaftlich geworden sei.

Zwar habe die Vermieterin vorgetragen, dass sie beim Verkauf der unvermieteten Wohnung einen deutlich höheren Kaufpreis erzielen könne, dies genüge aber alleine nicht zur Annahme eines erheblichen Nachteils, denn der Verkauf der vermieteten Wohnung wäre nicht ohne Weiteres wirtschaftlich sinnlos. Insbesondere enthalte die Vorschrift des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB einen Hinweis auf die Verwertung des Grundstücks und beziehe sich damit nicht allein auf die Wohnung, sondern auf das gesamte Mietobjekt.

Da die Vermieterin weder Angaben zum Kaufpreis des Grundstücks noch zu dem auf die Wohnung der Mieter entfallenden anteiligen Kaufpreis gemacht hatte, konnte das Gericht bereits aus diesem Grund nicht ermitteln, ob der geplante Verkauf in vermietetem Zustand überhaupt zu einem Nachteil führen könne. Die Kündigungsvorschrift des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB diene dem Bestandsschutz des Mieters und solle dem Vermieter keine Gewinnoptimierung garantieren. Ebenfalls sollten die Folgen einer fehlerhaften Kalkulation nicht zulasten des Mieters gehen.

Abschließend wies das Amtsgericht darauf hin, dass nach seiner Ansicht die Möglichkeiten einer Mieterhöhung zur Erhöhung der Rentabilität in den vergangenen 17 Jahren nicht durchgeführt beziehungsweise nicht ausgeschöpft wurden.

Schließlich stehe der Kündigung auch die Regelung des § 573 Abs. 2 Nr. 3 letzter Halbsatz BGB entgegen, nach der eine Kündigung ausgeschlossen ist, wenn der Vermieter die Wohnräume im Zusammenhang mit einer beabsichtigten oder nach Überlassung an den Mieter erfolgten Begründung von Wohnungseigentum veräußern will. Damit sei die Absicht des Vermieters, die Wohnung vor oder nach Wohnungsumwandlung zu veräußern, als berechtigtes Interesse einer Verwertungs- kündigung dauerhaft ausgeschlossen. Ein Vermieter könne sich somit nicht darauf berufen, dass die Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt werden solle und er die Wohnung im Zusammenhang damit kündigen und zu einem höheren Kaufpreis veräußern wolle. Auf diese Weise werde vermieden, dass die Kündigungsbeschränkungen für den Erwerber nach § 577a BGB umgangen werden könnten, indem bereits der Veräußerer das Mietverhältnis beendet. Mit der Kündigungssperrfrist für Eigenbedarfskündigungen habe der Gesetzgeber den Mieter davor schützen wollen, dass umgewandelte Eigentumswohnungen häufig zur Befriedigung eigenen Wohnungsbedarfs (des Erwerbers) erworben werden. In Ergänzung zu dieser Vorschrift sei eine Sperre für Verwertungskündigungen im Zusammenhang mit der Umwandlung und dem Verkauf von Eigentumswohnungen erfolgt. Ein Mieter müsse daher gegen Kündigungen wegen Veräußerungsabsichten des Erwerbers denselben Schutz erhalten wie gegen Kündigungen wegen Eigenbedarfs.