Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Mietrecht

Urteile

Kündigung wegen Zahlungsverzugs bei Zahlung der Miete durch eine Behörde

Eine Behörde, die im Rahmen der Daseinsvorsorge staatliche Transferleistungen erbringt, wird nicht als Erfüllungsgehilfe des Mieters tätig, wenn sie für ihn die Miete an den Vermieter zahlt. Ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung im Sinne des § 543 Absatz 1 Satz 2 BGB kann auch – unabhängig von einem Verschulden des Mieters – allein in der objektiven Pflichtverletzung unpünktlicher Mietzahlungen und den für den Vermieter daraus folgenden negativen Auswirkungen liegen, wenn die Gesamtabwägung ergibt, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar ist. Bei der – dem Tatrichter obliegenden – Abwägung kann von Bedeutung sein, ob zahlreiche Verspätungen aufgetreten sind, diese jeweils einen erheblichen Zeitraum und erhebliche Beträge betreffen oder der Vermieter in besonderem Maße auf pünktliche Mietzahlungen angewiesen ist, beispielsweise weil er daraus seinen Lebensunterhalt bestreitet oder hiermit Kredite bedienen muss. Zudem kann es eine Rolle spielen, ob das Mietverhältnis abgesehen von den unpünktlichen Zahlungen bisher störungsfrei verlaufen ist oder kurze Zeit vorher bereits eine berechtigte fristlose Kündigung ausgesprochen worden ist, die erst durch eine Zahlung innerhalb der Schonfrist während des Räumungsprozesses unwirksam geworden ist.

BGH Urteil vom 29.06.2016 – AZ VIII ZR 173/15 –

Der Vermieter hatte im Februar 2013 das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs gekündigt. Nachdem das zuständige Bezirksamt innerhalb der Schonfrist (§ 569 Absatz 3 Nr. 2 Satz 1 BGB) eine Verpflichtungserklärung hinsichtlich der rückständigen Miete abgegeben hatte, wurde der bereits laufende Räumungsrechtstreit für erledigt erklärt. In der Folgezeit wurden wiederholt, trotz zwischenzeitlicher Abmahnung durch den Vermieter, Teile der Miete verspätet gezahlt. Mit Schreiben vom 10. März 2014 kündigte der Vermieter daher erneut das Mietverhältnis. Das Landgericht Hamburg wies jedoch die Klage ab, da die verspäteten Zahlungen Teile der Miete betrafen, welche das Jobcenter direkt an den Vermieter zahlte. Die Mieterin treffe daher an diesen Verspätungen kein Verschulden, weshalb die Kündigung nicht berechtigt gewesen sei. Eine Kündigung sei grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Mietzahlungen von einer Behörde erbracht würden und diese nicht rechtzeitig zahle. Dieser Argumentation folgte der BGH nicht. Das Landgericht habe nämlich hinsichtlich der fristlosen Kündigung die „erforderliche Prüfung und Abwägung unterlassen“ , ob dem Vermieter „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein Festhalten am Vertrag bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses unzumutbar ist“ . Zwar treffe es zu, dass ein Verschulden des Jobcenters dem Mieter nicht zuzurechnen sei. Das Verschulden des Mieters sei „jedoch keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines wichtigen Grunds“ . Vielmehr könne die erforderliche „Gesamtabwägung“ auch unabhängig von einem Verschulden des Mieters bezüglich der aktuellen unpünktlichen Mietzahlungen zu seinen Lasten ausfallen, wobei die Anzahl, Dauer und Höhe der Verspätungen ebenso zu berücksichtigen sind wie die besondere Situation des Vermieters, etwa wenn dieser auf die pünktlichen Zahlungen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts oder zur Bedienung von Krediten angewiesen ist. Auch die Vorgeschichte sei zu berücksichtigen, wenn es etwa, wie hier, kurz vorher bereits eine berechtigte fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs gegeben habe. Zudem müsse der Mieter bei Zahlung der Miete durch eine Behörde die Vermutung widerlegen, dass ihn ein Verschulden an der Verspätung trifft. Er müsse darlegen und beweisen, dass er die Leistung rechtzeitig beantragt und die nötigen Unterlagen eingereicht hat. Auch müsse er bei Zahlungsversäumnissen der Behörde bei dieser auf pünktliche Zahlung dringen und auf erfolgte Abmahnungen des Vermieters oder eine drohende Kündigung hinweisen.

Anmerkung: Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass sich Mieter/innen, die Sozialleistungen beziehen, niemals einfach darauf verlassen können, dass die zuständige Behörde die fälligen Mieten pünktlich an den Vermieter zahlt. Vielmehr müssen nach dieser Rechtsprechung Mieter/innen, für die das Jobcenter oder eine andere Behörde die Miete direkt an den Vermieter zahlt, stets akribisch darauf achten, dass sie alle erforderlichen Unterlagen überpünktlich an die zuständige Behörde übermitteln und rechtzeitig Anträge auf entsprechende Leistungen oder auf deren Verlängerung stellen. Sollte der Vermieter wegen verspäteter oder ausgebliebener Mietzahlungen mahnen, ist unbedingt eine sofortige Rücksprache mit der Behörde erforderlich, um die Gefahr einer Kündigung zu minimieren. Suchen Sie in einem solchen Fall unverzüglich Rat und Hilfe, zum Beispiel in unserer Sozialberatung.


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