Mietrecht
Urteile
Kündigung wegen Zahlungsrückständen
AG Neukölln, Urteil vom 04.10.2023 – AZ 14 C 147/22 –
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Jan Becker
Nach einem Wohnungsbrand im Spätsommer 2020 musste eine Familie vorübergehend in ein Hostel umziehen. Bis dahin hatte das Jobcenter die Miete direkt an die Vermieterin gezahlt. Im Dezember 2020 konnte die Familie wieder in die Wohnung zurückziehen, das Jobcenter nahm jedoch die Zahlung nicht wieder auf. Im April 2021 mahnte die Vermieterin die Zahlung offener Mieten an. Da die Eltern Analphabeten sind, kümmerten sich ihr Sohn sowie eine Familienhelferin um den Kontakt zum Jobcenter und zu der Vermieterin. Das Jobcenter stellte mehrfach den Ausgleich der ausstehenden Mieten in Aussicht, zahlte aber nicht.
Am 15. Juni 2021 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis wegen ausstehender Mieten für Februar bis Juni 2021 und teilweise für Januar 2021 fristlos und hilfsweise ordentlich. Mit ihrer Klage vom 20. Juli 2021 verlangte sie von den Mietern dann die Herausgabe der Wohnung. Nachdem das Jobcenter am 17. August 2021 sämtliche offenen Mieten gezahlt hatte, wurde der Rechtsstreit „in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt“ erklärt. Mit einer erneuten Klage vom 19. April 2022 verlangte die Vermieterin jedoch erneut die Räumung der Wohnung, wobei sie sich nunmehr nur noch auf die hilfsweise ordentliche Kündigung stützte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird gemäß § 569 Abs. 3 Ziff. 2 Satz 2 BGB nur die fristlose Kündigung unwirksam, nicht jedoch automatisch auch die regelmäßig gleichzeitig ausgesprochene ordentliche Kündigung.
Das Amtsgericht Neukölln sah in diesem konkreten Fall jedoch auch keinen Grund für eine ordentliche Kündigung, da das Verschulden der Beklagten an der Entstehung des Zahlungsrückstandes als gering zu betrachten sei. Es berücksichtigte dabei, dass es vor dem brandbedingten Auszug der Beklagten keine Zahlungsrückstände gegeben hatte und dass die Mieter sich ein Verschulden des Jobcenters nicht anrechnen lassen müssten. Die Mieter hatten sich nach Überzeugung des Gerichts nach Erhalt der Kündigung über ihren Sohn und ihre Familienhelferin um einen Ausgleich der offenen Mietzahlung bemüht, was letztendlich auch erfolgreich war. Dass dies lange dauerte, habe auch daran gelegen, dass die Mieter wegen ihrer Sprachprobleme auf die Hilfe Dritter angewiesen waren. Auf die zielgerichtete Hilfe der zugewiesenen professionellen Familienhelferin hätten sie sich auch verlassen dürfen. Zwar möge die Entstehung der Mietrückstände „von gewissen Nachlässigkeiten“ der Mieter beeinflusst gewesen sein. Ein mögliches Verschulden der Mieter erscheine jedoch „wegen der Besonderheiten des Einzelfalls in milderem Licht“ .