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Mietrecht

Urteile

Kündigung wegen Störung des Hausfriedens

Eine einmalige – auch erhebliche – Störung des Hausfriedens durch den Mieter, die weder länger andauert noch weiterhin nachwirkt, kann bei einem seit über 30 Jahren beanstandungsfrei verlaufenen Mietverhältnis weder eine fristlose noch eine fristgemäße Kündigung rechtfertigen.

AG Mitte, Urteil vom 06.10.2022 – AZ 21 C 67/22 –

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Hannes Poggemann

Der Hausmeister eines Hauses in Prenzlauer Berg bemerkte am Mittag des 
30. Januar 2022 durch ein lautes Krachen, dass ein seit 1991 im vierten Stock des Hauses wohnender Mieter einen Büro-Drehstuhl aus dem dortigen Laubengang in den Innenhof hatte fallen lassen. Die Hausverwaltung des Vermieters kündigte darauf das Mietverhältnis umgehend fristlos und vorsorglich auch fristgemäß. Der Mieter entschuldigte sich daraufhin schriftlich und versicherte, dass so etwas nie wieder vorkommen würde.
Dem Amtsgericht Mitte reichte das Fehlverhalten des Mieters nicht aus, um die Kündigung zu rechtfertigen, es wies die Räumungsklage des Vermieters ab. Eine fristlose Kündigung käme nur in Betracht, wenn die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist aufgrund eines Fehlverhaltens des Mieters für den Vermieter unzumutbar sei. Hierbei sei ein strenger Maßstab anzulegen, den man als gesteigerte Form der Zerrüttung bezeichnen könne. Die Fortsetzung des Mietverhältnisses müsse für den Vermieter „unerträglich“ sein. Zwar habe der Mieter den Hausfrieden durch sein Verhalten erheblich gestört, eine solche Störung müsse jedoch auch „nachhaltig“ sein. Dies könne entweder dann der Fall sein, wenn sich einzelne Störungen über längere Zeit wiederholen oder wenn eine schwere Störung eine hinreichend lange Zeit nachwirkt und das Verhältnis der Nutzer des Mietobjekts untereinander grundsätzlich verschlechtert. Diese Voraussetzungen seien hier bei der einzigen kurzzeitigen Störung durch den Mieter nicht erfüllt. Außerdem wäre für eine fristlose Kündigung eine erfolglose Abmahnung erforderlich gewesen. Diese sei zwar entbehrlich, wenn sie offensichtlich keinen Erfolg verspreche. Das sei hier aber insbesondere deshalb nicht anzunehmen, weil das Mietverhältnis bis auf den einen Fall seit mehr als 30 Jahren störungsfrei verlaufen war. Zudem habe der Mieter sich entschuldigt und anerkannt, dass er einen Fehler begangen hat. Auch die ordentliche (fristgemäße) Kündigung hatte nach Auffassung des Amtsgerichts das Mietverhältnis nicht beendet. Es fehle insoweit an einem berechtigten Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses. Ein solches könne zwar darin liegen, dass ein Mieter die Mietsache beeinträchtigt oder gefährdet, es müsse jedoch die Erheblichkeitsgrenze überschritten werden, wobei das gesamte Verhalten des Mieters berücksichtigt werden müsse. Auch hier kam dem Mieter nach Auffassung des Gerichts wiederum die lange beanstandungsfreie Dauer des bisherigen Vertragsverhältnisses, die Einmaligkeit des Vertragsverstoßes, die nicht erkennbare Wiederholungsgefahr und der glückliche Umstand, dass durch den fallenden Stuhl nichts beschädigt wurde, zugute.

Anmerkung: Es ist sicherlich überflüssig zu betonen, dass wir in diesem Fall keine Nachahmung empfehlen. Die langen Monate zwischen der Kündigung und dem die Räumungsklage abweisenden Urteil des Amtsgerichts werden den Mieter sicherlich viel Schlaf und Nerven gekostet haben. Auch könnte ein anderes Gericht die Lage anders beurteilen.


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