Mietrecht
Urteile
Kündigung wegen Eigenbedarfs, wegen Nichtzahlung eines Modernisierungszuschlags sowie wegen Nichtzahlung einer Betriebskostennachforderung
LG Berlin, Urteil vom 29.01.2014 – AZ 65 S 47/13 –
Die Vermieterin kündigte den Mieter/innen am 30. Januar 2011 wegen Eigenbedarfs, da sie die Wohnung für ihre Eltern benötige. Vor Ablauf der Kündigungsfrist wurde eine Wohnung im Haus frei. Der Eigenbedarf der Eltern erledigte sich nach Ablauf der Kündigungsfrist, da diese sich entschlossen, ihren Lebensabend in der Türkei zu verbringen.
Allerdings kündigte die Vermieterin am 12. September 2012 erneut, diesmal fristlos wegen angeblichen Zahlungsverzugs, weil die Mieter/innen einen ab November 2011 nach erfolgter Fassadensanierung verlangten Modernisierungszuschlag nicht gezahlt hatten. Die Kündigung wurde außerdem damit begründet, dass die Mieter/innen eine Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung 2010 nicht gezahlt hatten. Nachdem das Amtsgericht Neukölln der Räumungsklage der Vermieterin stattgegeben hatte, hob das Landgericht Berlin das Urteil des Amtsgerichts auf die Berufung der Mieter/innen auf und wies die Räumungsklage ab. Die Eigenbedarfskündigung habe das Mietverhältnis nicht beendet, da die Vermieterin ihre Pflicht, den Mieter/innen die noch vor Ablauf der Kündigungsfrist frei gewordene andere Wohnung anzubieten, nicht erfüllt habe. Zwar hatte die Vermieterin behauptet, ihr Hausverwalter habe den Mieter/innen mündlich diese und andere Wohnungen angeboten. Dies genügte nach Auffassung des Landgerichts aber nicht den Anforderungen. Es führte in seiner Begründung aus, dass selbst bei weiterem Bestehen des (von den Mieter/innen bestrittenen) Eigenbedarfs die Wohnung wegen der Eigenbedarfskündigung nicht herausverlangt werden konnte, weil die Vermieterin ihre Anbietpflicht nicht erfüllt hatte. Erforderlich für die Erfüllung der Anbietpflicht ist, dass der Vermieter über die Größe, Ausstattung und die Höhe der Miete und Nebenkosten informiert. Das Angebot muss zudem zu angemessenen Bedingungen erfolgen. Als angemessene Miete kommt die ortsübliche Miete, die bisher verlangte Miete oder die Marktmiete in Betracht. Wird die höchstzulässige Miete überschritten, habe der Vermieter seine Anbietpflicht nicht erfüllt. Die Erfüllung der Anbietpflicht muss der Vermieter beweisen. Trotz Aufforderung des Gerichts war die Vermieterin ihrer Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen und blieb daher mit ihrem Räumungsverlangen wegen des Eigenbedarfs erfolglos.
Auch die Kündigung vom 12. September 2012 hielt das Landgericht für unwirksam. Das Mieterhöhungsverlangen nach der erfolgten Fassadensanierung enthielt keine ausreichende Berechnung und Erläuterung der Erhöhung auf Grundlage der entstandenen Kosten. Weil gleichzeitig mit der Fassadensanierung auch weitere Baumaßnahmen durchgeführt wurden, deren Kosten teilweise nicht umlagefähig waren, durfte die Vermieterin die Gesamtkosten der Fassadensanierung nicht einfach in einem Gesamtbetrag angeben. Da das Mieterhöhungsverlangen aus diesen Gründen nach Auffassung des Landgerichts unwirksam war, bestanden auch keine Mietrückstände der Mieter/innen, welche eine Kündigung gerechtfertigt hätten. Auch die nicht geleistete Nachforderung für Betriebskosten 2010 konnte nach Auffassung des Landgerichts die Kündigung nicht begründen. Maßgeblich sei insoweit „die Höhe der Nachforderung, der Grund der Nichtzahlung, die Dauer des Verzugs sowie die dagegen erhobenen Einwendungen“. Anders als bei laufenden Mietzahlungen seien an den Nichtausgleich einer Nebenkostenabrechnung als Kündigungsgrund strenge Voraussetzungen zu stellen. Eventuelle Streitigkeiten aufgrund von Einwendungen des Mieters gegen die Abrechnung seien nämlich grundsätzlich in einem Prozess über die Berechtigung der Nebenkostennachforderung auszutragen. Da die Mieter/innen hier Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnung 2010 erhoben hatten, welche nach Auffassung des Landgerichts zumindest teilweise berechtigt waren, konnte die Vermieterin wegen dieser möglicherweise offenen Forderung nicht fristlos kündigen.
Anmerkung: Der in einer Kündigung geltend gemachte Eigenbedarf muss nur vom Zeitpunkt der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bestehen. Entfällt der Kündigungsgrund nach Ablauf der Kündigungsfrist (weil sich z. B. die Pläne des „Bedürftigen“ ändern), besteht der Räumungsanspruch des Vermieters fort. Ähnliches gilt für die „Anbietpflicht“: Vermieter müssen gekündigten Mieter/innen nur Wohnungen anbieten, die (wie hier) während der Kündigungsfrist frei werden. Haben Sie eine Eigenbedarfskündigung erhalten, müssen Sie immer darauf achten, ob es während der Kündigungsfrist Mieterwechsel im Haus gibt. Und mit jeder Kündigung sollten Sie in eine Beratungsstelle gehen.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Andreas Fehlhaber