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Mietrecht

Urteile

Kündigung wegen Eigenbedarfs nur bei konkretem Interesse

Für eine Kündigung wegen Eigenbedarfs reicht ein noch unbestimmtes Interesse einer möglichen späteren Nutzung (sogenannte Vorratskündigung) nicht aus; vielmehr muss sich der Nutzungswunsch soweit „verdichtet“ haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung besteht.

AG Kreuzberg, Urteil vom 03.11.2021 – AZ 3 C 162/20 –

Der Eigentümer einer Wohnung im 
4. Obergeschoss sowie der beiden darüber gelegenen Dachgeschosswohnungen eines Wohnhauses in Kreuzberg vermietete 2011 die Wohnung im 4. Obergeschoss befristet für 2 Jahre. Für die Zeit ab 1. April 2014 bis 31. März 2018 schloss er mit den beiden Mietern erneut einen befristeten Vertrag ab, da er die Wohnung danach an eine Mitarbeiterin vermieten wolle. Im Januar 2018 bot er den Mietern eine weitere Verlängerung bis 31. März 2020 an, da sich der geplante Einzug seines Sohnes in die Wohnung voraussichtlich auf April 2020 verschiebe. Am 30. März 2018 erklärte der Vermieter dann erstmals die Kündigung des Mietverhältnisses zum 30. November 2018, da sein Sohn in die Wohnung einziehen werde – auch weil seine Mutter und weitere Familienangehörige Anfang 2019 in die darüber liegenden Dachgeschosswohnungen einziehen würden. Diese Kündigung verfolgte der Vermieter nicht weiter. Mit Schreiben vom 28. August 2019 kündigte er die Wohnung erneut wegen Eigenbedarfs des Sohnes, nun zum 31. Mai 2020. Er wolle in allen drei Wohnungen eine Familienzusammenführung bewerkstelligen, um dort mit seiner Lebensgefährtin und seinen Söhnen in unmittelbarer räumlicher Nähe zusammenzuwohnen. Der Sohn, für welchen er den Eigenbedarf geltend mache, werde sich berufsbedingt erst ab dem Sommer 2020 ganz in Berlin aufhalten. Die beiden im November 2019 und im März 2020 frei gewordenen Dachgeschosswohnungen vermietete der Eigentümer im April 2020 bzw. im Mai 2020 erneut jeweils bis zum 31. März 2022. Dennoch verfolgte er die Kündigung der Mieter im 4. Obergeschoss weiter: Er, seine Lebensgefährtin und sein Sohn würden nunmehr einen zeitgleichen Einzug in die drei Wohnungen planen. Nur wegen der voraussichtlichen Dauer des Räumungsverfahrens habe er sich nach dem Widerspruch der Mieterin gegen die Kündigung entschlossen, die Dachgeschosswohnungen nochmals bis 31. März 2022 zu vermieten. Das Amtsgericht Kreuzberg war nach der Vernehmung unter anderem des Sohnes als Zeugen nicht davon überzeugt, dass der Vermieter zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen die Wohnung benötigt hat und wies die Räumungsklage ab. Zwar könne die angeblich beabsichtigte Nutzung der Dachgeschosswohnungen für sich und seine Lebensgefährtin bei gleichzeitiger Nutzung der darunter liegenden Wohnung durch seinen Sohn durchaus auf nachvollziehbaren und vernünftigen Gründen beruhen. Es verblieben jedoch ernsthafte Zweifel, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigungen bereits eine ernsthafte und konkrete Nutzungsabsicht des Sohnes bestanden habe. Dieser bekundete in seiner Vernehmung, dass er das mit dem Zusammenleben eine nette Idee fände und sich dies vorstellen könne. Konkrete Angaben zum geplanten Zeitpunkt des Einzuges konnte er jedoch ebenso wenig machen wie zu Vereinbarungen hinsichtlich des künftigen Mietverhältnisses, insbesondere zur Höhe der Miete. Er hoffe aber, dann weniger Miete als bisher zahlen zu müssen. Das Gericht ging daher von einem „noch unbestimmten Interesse an einer möglichen späteren Nutzung“ aus, welches für eine Eigenbedarfskündigung nicht ausreicht. Vielmehr müsse sich der Nutzungswunsch so weit verdichtet haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung besteht. Dagegen sprach nach Auffassung des Gerichts auch der mehrmalige Aufschub der Umsetzung der angeblichen Pläne der Familie, insbesondere die Tatsache, dass die Dachgeschosswohnungen noch im April bzw. Mai 2020 erneut vermietet und keineswegs von der Familie bezogen wurden.