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Mietrecht

Urteile

Kündigung wegen Eigenbedarfs II

Eine Eigenbedarfskündigung ist unwirksam, wenn die mitgeteilten Umstände ungeeignet sind, die erforderliche Konkretisierung derjenigen tatsächlichen Verhältnisse zu vermitteln, die aus Sicht des Vermieters für den geltend gemachten Eigennutzungswunsch maßgeblich sein sollen. Die Begründung muss nachvollziehbar und widerspruchsfrei erkennen lassen, aus welchem Lebenssachverhalt und welchen konkreten Absichten und Entscheidungen der Vermieter seinen Wohnbedarf für die gekündigte Wohnung herleitet. Dabei ist die Festlegung der Bedarfspersonen Grundvoraussetzung für eine Eigenbedarfskündigung.

LG Berlin, Urteil vom 16.11.2020 – AZ 66 S 323/19 –

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Hans-Peter Scholz

Auch eine weitere Eigenbedarfskündigung hatte vor der Zivilkammer 66 des Landgerichts Berlin keinen Erfolg. Der Vermieter kündigte einem 64-jährigen Mieter im Jahr 2017 die von diesem bewohnte 31,11 Quadratmeter  große Einzimmerwohnung. Zur Begründung führte er aus, dass er als alleinerziehender Vater mit seiner damals zehnjährigen Tochter noch bei seinen Eltern wohne und nun mit seiner Tochter in die Einzimmerwohnung ziehen wolle. Zugleich teilte er in dem Kündigungsschreiben mit, dass die Tochter dann durch seine im gegenüberliegenden Haus wohnende Schwägerin betreut werden solle, welche auch ein Zimmer für die Tochter zur Verfügung habe. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg verurteilte den Mieter zur Räumung. Die Berufung des Mieters hatte Erfolg. Das Landgericht hielt bereits die Kündigung für unwirksam. Die im Kündigungsschreiben angedeuteten „Planungen, Absichten und Entschlüsse des Klägers“ seien „unkonkret, nicht plausibel und (besonders im Zusammenspiel mit den objektiven Parametern der (…) vermieteten Wohnung) widersprüchlich“. Es sei bereits nicht eindeutig zu erkennen, wer überhaupt, bzw. ob nur er oder er und seine Tochter in die Wohnung einziehen sollten. Dies sei aber für die Wirksamkeit einer solchen Kündigung unabdingbar. Zwar dürften Gerichte den Nutzungswunsch eines kündigenden Vermieters nicht inhaltlich auf dessen Angemessenheit untersuchen; der geltend gemachte Eigenbedarf dürfe nur nicht objektiv unsinnig erscheinen. So sei es jedoch hier: „Für eine gemeinsame Nutzung der Wohnung durch den Kläger und seine dem Säuglingsalter längst entwachsene Tochter fehlen der gekündigten Wohnung alle baulichen und räumlichen Voraussetzungen“. Das einzige Zimmer der Wohnung ist nur 21,08 Quadratmeter groß und hat lediglich ein Fenster an der kürzeren Außenwand. Der Vermieter hatte behauptet, die Wohnung zu einer Zweizimmerwohnung mit einem Raum für die Tochter umbauen zu wollen. Nach der von ihm vorgelegten Skizze sollte dieser neue Raum Maße von 1,60 mal 2 Meter haben und weder über Fenster noch über eine Heizmöglichkeit oder Entlüftung verfügen. Ein solches „mit Eigenschaften eines Vorratsraumes konstruiertes 2. Zimmer“ würde jedoch nach Auffassung des Landgerichts „offensichtlich keine realistische Option“ für die vom Vermieter behaupteten Wohnabsichten darstellen. Im Übrigen wäre selbst bei diesem Umbauplan nicht klar geworden, wo der Vermieter selbst noch eine eigene Schlafstelle, einen Tisch sowie genügend Raum für die Öffnung erforderlicher Türen etc. hätte finden wollen. Die vom Vermieter behaupteten Pläne hätten sich damit als „irreal, als nach objektivem Maßstab nicht umsetzbar“ erwiesen. Das Landgericht widersprach ausdrücklich der Auffassung des Amtsgerichts, es handele sich insoweit lediglich um eine Frage der Angemessenheit des vom Kläger erstrebten Wohnbedarfs, weshalb die entsprechenden Behauptungen nicht überprüft, sondern respektiert werden müssten. Dies treffe nämlich für nicht umsetzbare Behauptungen des kündigenden Vermieters – wie im hiesigen Fall – nicht zu.


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