Mietrecht
Urteile
Kündigung eines Miteigentümers wegen Eigenbedarfs und Anbietepflicht
Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ist rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam, wenn der Vermieter dem Mieter eine innerhalb des Ablaufs der Kündigungsfrist frei werdende Wohnung nicht ersatzweise anbietet.
Das Angebot muss konkret an den Mieter erfolgen, ein allgemeiner Aushang im Treppenhaus, in dem auf freie Wohnungen hingewiesen wird, genügt nicht.
LG Berlin, Urteil vom 20.09.2005 – AZ 63 S 166/05 –
Die vom Mieter bewohnte Zweizimmerwohnung gehörte gemeinsam Bruder und Schwester. Die Schwester hatte geplant, aus der zusammen mit dem Bruder/Mitgesellschafter bewohnten Wohnung auszuziehen und mit ihrem Lebensgefährten und ihrem Kind in die Wohnung des Mieters zu ziehen.
Die Vermieter kündigten die Wohnung des Mieters wegen Eigenbedarfs. Der Mieter erklärte in einem anschließenden Gespräch, in dem auch die Möglichkeit des Umzugs in eine (nicht konkret bezeichnete) Ersatzwohnung angesprochen wurde, dass er aus der Wohnung nicht ausziehen wolle.
In dem Wohngebäude wurden innerhalb der Kündigungsfrist mehrere Wohnungen frei. Die Vermieter hatten auf die Vermietbarkeit dieser Wohnungen durch Aushang im Treppenhaus hingewiesen.
Die Vermieter reichten Räumungsklage ein. Das Amtsgericht Schöneberg hatte der Klage stattgegeben und den Mieter zur Räumung verurteilt.
Gegen das amtsgerichtliche Urteil legte der Mieter Berufung ein.
Das LG Berlin hob das Urteil auf und wies die Räumungsklage ab. Es führte zur Begründung aus, dass die Voraussetzungen für eine Eigenbedarfskündigung zwar vorgelegen hätten, die Kündigung jedoch wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam (geworden) sei.
Entgegen der Ansicht des Mieters habe die durchgeführte Beweisaufnahme das Vorliegen des Eigenbedarfs ergeben. Dem ernsthaften Willen der Eigentümerin, mit ihrem Lebensgefährten und ihrem Kind in die streitgegenständliche Wohnung zu ziehen, stehe auch nicht entgegen, dass der Lebensgefährte die Wohnung nur während seiner zeitweiligen Aufenthalte in Deutschland nutzen wolle. Ein Eigenbedarf im Sinne des § 573 Abs. 2 BGB liege auch dann vor, wenn die Wohnung lediglich Zweitwohnung werden soll.
Darüber hinaus stelle bereits der Umstand, dass die (Mit-)Vermieterin sich aus der bestehenden Wohngemeinschaft mit ihrem Bruder lösen und in die Wohnung einziehen wolle, einen nachvollziehbaren und zur Kündigung wegen Eigenbedarfs berechtigenden Grund dar.
Der zur Kündigung berechtigende Eigenbedarf war nach Ansicht des Landgerichts auch nicht deshalb entfallen, weil noch zwei andere (Dreizimmer-)Wohnungen in dem Wohngebäude leer standen. Allerdings hätten die Vermieter diese Wohnung dem Mieter ersatzweise anbieten müssen. Das Landgericht wies in seinem Urteil darauf hin, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarfs grundsätzlich immer dann rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sei, wenn im gleichen Wohnhaus eine andere Wohnung innerhalb der Kündigungsfrist frei stehe und der kündigende Vermieter diese Wohnung dem gekündigten Mieter nicht anbiete. Die so genannte Anbietepflicht bestehe auch dann, wenn eine Wohnung innerhalb des Ablaufs der Kündigungsfrist frei werde. Unerheblich sei, dass es sich bei den frei werdenden Wohnungen nicht um Zweizimmerwohnungen, sondern um Dreizimmerwohnungen gehandelt habe.
Die Vermieter konnten in dem Verfahren nicht beweisen, dass sie eine dieser Wohnungen tatsächlich dem Mieter als Ersatzwohnung angeboten hatten. Die unstreitig im Treppenhaus ausgehängten Hinweise enthielten nach Ansicht des Landgerichts kein konkretes Angebot an den Mieter. Sie seien vielmehr - im Anschluss an eine Modernisierung - allgemein allen Mietern angeboten worden. Es könne somit nicht mit Sicherheit festgestellt werden, dass der Mieter das Angebot gelesen und gedanklich in seine Überlegungen in Reaktion auf die Eigenbedarfskündigung einbezogen habe.
Auch das allgemeine Gespräch zwischen einem der Vermieter und dem Mieter über die Möglichkeit, eine gütliche Einigung wegen der Eigenbedarfskündigung herbeizuführen und die in diesem Gespräch aufgeworfene Frage, ob auch andere Wohnungen für den Mieter von Interesse wären, entsprach nach Ansicht des Landgerichts nicht den Anforderungen an die Anbietepflicht für eine freie Ersatzwohnung.
Der Sinn und Zweck der Anbietepflicht besteht nach den Ausführungen des Landgerichts darin, den mit der Eigenbedarfskündigung verbundenen Eingriff in die Lebensführung des Mieters soweit wie möglich abzumildern. Damit der Mieter eine Entscheidung über den Umzug in die Ersatzwohnung fällen könne, müsse er zumindest über den Standort, die Lage und die Ausstattung der Ersatzwohnung informiert werden. Erst im Anschluss daran müsse er sich innerhalb einer angemessenen Frist entscheiden, ob er das Angebot annehmen wolle oder nicht.
Auch die Aussage des Mieters, er wolle die gekündigte Wohnung nicht verlassen, war nach Ansicht des Landgerichts unschädlich und machte das Anbieten einer Ersatzwohnung nicht entbehrlich. Da dem Mieter keine spezielle Wohnung angeboten wurde, könne seine Aussage nicht als endgültige Ablehnung des Angebots auf Umzug in eine Ersatzwohnung angesehen werden, sondern durchaus auch als Bekräftigung, dass er sich gegen die Eigenbedarfskündigung zur Wehr setzen wolle. Erst wenn der Mieter im Anschluss an eine konkret angebotene (genau bezeichnete) Ersatzwohnung darauf bestanden hätte, in der (gekündigten) Wohnung zu bleiben, sei seine Weigerung insoweit als endgültig zu berücksichtigen. Der Mieter habe eine Entscheidung für oder gegen einen (freiwilligen) Umzug nur treffen können, wenn er ausreichende Informationen über die neue Wohnung erhalten hätte.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Matthias Joßner
Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 314