Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Mietrecht

Urteile

Kommentar von Rechtsanwalt Niels Hilgenstock - Unwirksame Formularklausel für Schönheitsreparaturen

In seinem Urteil vom 23.06.2004 hat der VIII. Zivilsenat des BGH zur Wirksamkeit von vertraglichen Klauseln Stellung genommen, die in einem Großteil aller Mietverträge vorkommen. Nach dem Urteil sind solche Formularklauseln unwirksam, die die Fristen für die durch den Mieter vorzunehmenden Schönheitsreparaturen "starr" regeln.

In dem zugrunde liegenden Fall ging es um eine Regelung, durch die dem Mieter die Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auferlegt werden sollte, und zwar "wenn erforderlich, mindestens aber" nach Ablauf bestimmter Fristen.

Der Bundesgerichtshof ist dem Berufungsgericht insofern gefolgt, als dass er die entsprechende Klausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB für unwirksam gehalten hat.

Voraussetzung dafür war, dass der Vertrag für eine Vielzahl von Abschlüssen vorformuliert war, so dass die Klausel einer AGB-Inhaltskontrolle (früher gem. § 9 Abs.1 AGBG) gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 AGBG unterzogen werden musste.

Dieser Kontrolle können starre Renovierungspflichten nach Auffassung des BGH nicht standhalten, benachteiligen also den Mieter unangemessen und sind damit nichtig.

Das Urteil des BGH ist insofern zu begrüßen.

Die Verpflichtung, den Mietgegenstand zu erhalten, legt das Gesetz gem. § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Vermieter auf. Dies umfasst auch die Entfernung von Mängeln, die durch vertragsgemäßen Gebrauch entstanden sind, so genannte Schönheitsreparaturen (Tapezieren, Streichen von Decken und Wänden etc.). Angesichts der - in der Praxis massenhaften - vertraglichen Abwälzungen der Schönheitsreparaturen auf den Mieter ist dies unter Nicht-Juristen längst in Vergessenheit geraten. Dabei ist die Tatsache, dass die ständige Rechtsprechung eine derartige Pflichtenverschiebung akzeptiert, bereits ein großes Zugeständnis an die Vermieterseite. Soll der Mieter allerdings zu Schönheitsreparaturen völlig unabhängig von einem tatsächlich bestehenden Bedarf herangezogen werden, so ist der Bogen überspannt. Dass damit der Versuch der Vermieterseite, dem Mieter die Instandhaltungspflicht nicht nur aufzubürden, sondern diese gar zu verschärfen, vor dem BGH keinen Bestand hat, darf nicht überraschen. Nach der Formulierung solcher Klauseln würden diese den Vermieter nämlich in die Position versetzen, vom Mieter eine Renovierung zu verlangen, obwohl die Wohnung keinerlei Abnutzungserscheinungen aufweist. Wenn der Mietraum oder ein Teil dessen gar nicht oder lediglich als Stellraum genutzt wurde, so hätte eine solche Klausel bei Wirksamkeit eine geradezu schikanöse Wirkung, die umso prekärer ist, wenn man bedenkt, dass der Vermieter leicht auf die hinterlegte Mietkaution zugreifen könnte und die Frage, ob das Geld tatsächlich zu einer sinnlosen Schönheitsreparatur benutzt wurde, sehr schwer nachvollziehbar wäre. Das Urteil wird daher dem Sinn der BGB-Vorschriften zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen gerecht, ein ausreichendes Maß an vertraglicher Gerechtigkeit herzustellen.

Der BGH stellt bei seiner Argumentation nicht, wie vereinzelt zu lesen war, ausschließlich auf die Unterschreitung bestimmter Fristen ab. Zwar hatte die in dem Urteil behandelte Klausel die in der Praxis anerkannten Renovierungsfristen gem. § 7 Fußnote 1 des vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen Mustermietvertrags 1976, Fassung I* verkürzt, jedoch hätte es nach Auffassung der Richter in jedem Fall eines Zusatzes bedurft, aus dem sich entnehmen lässt, dass Schönheitsreparaturen an einen tatsächlichen Bedarf geknüpft sind. Dabei hätten Floskeln wie "im Allgemeinen" oder "im Regelfall" ausgereicht, um die Wirksamkeit der Mietvertragsklausel zu sichern. Erst recht ausreichend dürfte demnach eine Anpassungsklausel im Vertrag sein, wonach die Fristen im Einzelfall nach billigem Ermessen anzupassen sind.

Das Urteil dürfte weitreichende Folgen haben. Immerhin folgt aus der Auffassung des Senats nicht lediglich, dass der Mieter nur bei Bedarf Schönheitsreparaturen vornehmen muss. Vielmehr lässt das Vorhandensein einer entsprechenden "starren" Klausel im Mietvertrag jeden Anspruch des Vermieters auf Schönheitsreparaturen entfallen und zwar unabhängig davon ob ein tatsächlicher Bedarf besteht oder nicht. Wegen des sog. Verbots der geltungserhaltenden Reduktion entfällt die gesamte Klausel des Mietvertrags und wird durch Gesetzesrecht ersetzt. Hiernach ist aber der Vermieter allein zur Instandhaltung des Mietgegenstands verpflichtet.

Dies ist auch nachvollziehbar: Erhielte man die Regelung in der Weise aufrecht, wie sie hätte zulässig sein können, d.h. mit einem entsprechenden Verweis auf einen tatsächlichen Reparaturbedarf, so würde man den Vermieter für die Verwendung einer den Mieter stark benachteiligenden Klausel im Mietvertrag noch dadurch honorieren, dass das Gericht den gesamten Vertrag auf das gerade noch Erträgliche reduzierte.

Aber für die betroffenen Vermieter kann es noch schlimmer kommen. Nicht nur, dass sie ihren Anspruch auf Schönheitsreparaturen verlieren. Die Mieter können nun schön während der Mietzeit vom Vermieter Schönheitsreparaturen verlangen, wenn ein entsprechender Bedarf besteht. Kommt der Vermieter dieser Forderung nicht nach, so kann die Miete gem. § 536 BGB gemindert werden. Daneben kommen gem. § 536 a BGB Schadensersatz oder Aufwendungsersatz nach Ersatzvornahme in Betracht.

*) Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 22/76 


Teaserspalte

Hinweise zur Urteilssuche

  • Die Gerichtsurteile und -entscheide, die Sie hier finden, wurden überwiegend im „MieterEcho“ veröffentlicht.
  • Sie können nach Urteilen suchen, indem Sie eines oder mehrere der Kästchen (Suchbegriff, Aktenzeichen/AZ, Gericht, Ort) ausfüllen.
  • Wenn Sie speziell auf der Suche nach BGH-Urteilen sind, setzen Sie per Klick ein Häkchen vor „BGH-Urteil?“. BGH-Urteile sind von großer Bedeutung, da sie endgültig über bestimmte Rechtsfragen entscheiden, die zuvor von den unteren Instanzen unterschiedlich beurteilt worden sind.