Mietrecht
Urteile
Kinderlärm
b) Bei wiederkehrenden Beeinträchtigungen durch Lärm bedarf es nicht der Vorlage eines detaillierten Protokolls. Es genügt vielmehr grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigung es geht und zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten.
BGH Beschluss vom 22.08.2017 – AZ VIII ZR 226/16 –
Die Mieterin einer Wohnung in Tiergarten machte Minderungs- und Mangelbeseitigungsansprüche gegenüber ihrem Vermieter geltend. Seit dem Einzug einer Familie mit zwei kleinen Kindern in die über ihr gelegene Wohnung komme es fast täglich zu massiven Störungen durch heftiges Stampfen, Springen, Poltern und Schreie sowie durch lautstarke und aggressive familiäre Auseinandersetzungen, unter anderem mit lautem Schreien des Familienvaters. Dies trete nicht nur gelegentlich, sondern manchmal mehrmals täglich für die Dauer von 1 bis 4 Stunden auf. Der Lärm sei sogar bei Verwendung von Ohrstöpseln noch hör- und spürbar, Töpfe wackelten durch die Erschütterungen in den Regalen, die Schallübertragung über die Bauteile sei heftig und als andauerndes Wummern zu hören und zu spüren. Besucher übernachteten daher inzwischen nicht mehr in ihrer Wohnung. Auch die in der Wohnung über der Familie lebende Mieterin könne den Lärm trotz Schwerhörigkeit selbst ohne Hörgerät wahrnehmen.
Die 67. Kammer des Landgerichts Berlin hielt die Klage der Mieterin für unbegründet. Es vertrat die Auffassung, dass die von der Mieterin in ihrer Wohnung wahrnehmbare „Geräusch- und Erschütterungskulisse“ nicht das normale Maß des in einer Mietwohnung sozial Zumutbaren überschreite und damit keinen Mangel darstelle. Zudem handele es sich bei dem Haus um mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnraum. Von Mietern solcher Wohnungen sei ein höheres Maß an „Geräuschtoleranz“ zu erwarten, da sie insbesondere auch für Familien mit Kindern attraktiv seien, weil auf dem freien Markt in Berliner Innenstadtlagen kaum bezahlbare Wohnungen vorhanden seien. Zudem seien die Lärmprotokolle der Mieterin lückenhaft, für einige Monate fehle jeder Vortrag zu konkreten beeinträchtigenden Ereignissen. Die vorgetragenen Belästigungen seien von Mietern als ein Schritt der natürlichen Entwicklung von Kindern hinzunehmen und entsprächen normaler Wohnnutzung.
Dieser Beurteilung des Landgerichts widersprach der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vehement, hob das Urteil der 67. Kammer auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Berliner Landgerichts zurück. Es treffe zwar zu, dass nach allgemeiner Auffassung in einem Mehrfamilienhaus gelegentlich auftretende Lärmbeeinträchtigungen grundsätzlich „als sozial adäquat hinzunehmen“ seien und deshalb nicht automatisch einen Mangel darstellen würden. Hierzu zähle auch üblicher Kinderlärm. Es seien daher einerseits Geräusche, „die ihren Ursprung in einem altersgerecht üblichen kindlichen Verhalten haben, gegebenenfalls auch unter Inkaufnahme erhöhter Grenzwerte für Lärm und entsprechender Begleiterscheinungen kindlichen Verhaltens, grundsätzlich hinzunehmen“ . Andererseits habe auch die insoweit zu fordernde „erhöhte Toleranz“ ihre Grenzen, welche im Einzelfall nach Art, Dauer, Qualität und Zeit der Geräusche, des Alters der Kinder sowie der Vermeidbarkeit durch erzieherische – gegebenenfalls auch bauliche – Maßnahmen zu bestimmen seien.
Das entsprechende Vorbringen der Mieterin habe das Landgericht in wesentlichen Teilen übergangen, wonach der von den Kindern wie auch vom Vater der Familie ausgehende Lärm jedes noch irgendwie hinzunehmende Maß überschritten hatte. Dabei habe das Landgericht auch zu Unrecht Störungszeiträume, für die kein Lärmprotokoll vorlag, außer Betracht gelassen. Bei wiederkehrenden Beeinträchtigungen durch Lärm bedürfe es nämlich nicht der Vorlage eines Protokolls. „Es genügt vielmehr eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigung es geht und zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten“.