Mietrecht
Urteile
Fristlose und ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs
BGH Urteil – AZ VIII ZR 231/17 ; VIII ZR 261/17 –
Der Bundesgerichtshof hatte über zwei Verfahren zu entscheiden, in welchen die jeweiligen Mieter/innen die vereinbarte Miete in zwei aufeinander folgenden Monaten nicht gezahlt hatten. Die Vermieter hatten in beiden Fällen fristlos und zugleich hilfsweise fristgerecht (ordentlich) wegen Zahlungsverzugs gekündigt. Dies ist seit langer Zeit in derartigen Fällen übliche Praxis der Vermieter, da nach dem Wortlaut des Gesetzes durch die sogenannte „Schonfristzahlung“ innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung der Räumungsklage zwar die fristlose Kündigung unwirksam wird, nicht jedoch eine fristgerechte Kündigung. Die Mieter/innen glichen gleich nach der Kündigung die Zahlungsrückstände vollständig aus. Dennoch erhoben die Vermieter jeweils Räumungsklagen, welche sie auf die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen stützten. Die Zivilkammer 66 des Landgerichts Berlin hatte diese Klagen abgewiesen. Die Vermieter seien zwar zunächst berechtigt gewesen, aufgrund der wirksamen außerordentlichen fristlosen Kündigungen die Herausgabe der Wohnungen zu verlangen. Diese Ansprüche seien jedoch durch die Schonfristzahlungen nachträglich erloschen. Die „hilfsweise“ erklärten ordentlichen Kündigungen seien dagegen wirkungslos, da die Mietverhältnisse ursprünglich bereits durch den Zugang der fristlosen Kündigungen beendet worden wären. Im Zeitraum zwischen Zugang der Kündigungserklärung und dem Eingang der Schonfristzahlung habe daher ein Mietverhältnis, welches ordentlich gekündigt hätte werden können, nicht mehr bestanden. Der Bundesgerichtshof hielt jedoch an seiner bisherigen Rechtsprechung fest und hob die Urteile des Landgerichts Berlin auf und führte zur Begründung seiner Entscheidungen aus: Der vom Mieter herbeigeführte Ausgleich der Rückstände innerhalb der gesetzlichen Schonfrist (§ 569 Absatz 3 Nr. 2 BGB) lasse nicht nur den Räumungsanspruch, sondern die Beendigung des Mietverhältnisses durch eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs gemäß § 543 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 Buchstabe a BGB selbst rückwirkend entfallen. In einer solchen Situation komme aber eine gleichzeitig hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs zur Geltung. Der Vermieter bringe nämlich mit einer solchen hilfsweise erklärten Kündigung zum Ausdruck, dass er an seiner Kündigung auch dann festhalten wolle, wenn die zunächst erklärte fristlose Kündigung aufgrund eines gesetzlich vorgesehenen Umstands (zum Beispiel der rechtzeitigen „Schonfristzahlung“) nachträglich unwirksam wird.
Der Bundesgerichtshof verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Berlin zurück. Das Gericht muss nun prüfen, ob die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen „die gesetzlichen Anforderungen für das Vorliegen eines Kündigungsgrunds erfüllen und ob gegebenenfalls der kurze Zeit nach Zugang der Kündigung erfolgte Ausgleich der Rückstände bei tatrichterlicher Würdigung der konkreten Einzelumstände die Berufung auf die ordentlichen Kündigungen als treuwidrig erscheinen lässt“.
Anmerkung zur Schonfristzahlung: Seit Jahren ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob eine Zahlung innerhalb der Schonfrist auch die ordentliche Kündigung heilen sollte, wenn künftig keine erneuten Zahlungsrückstände zu erwarten sind. Der BGH lehnt (selbst entgegen der Auffassung einiger Obergerichte) die Heilung durch Schonfristzahlung bei ordentlicher Kündigung ab und verweist vielmehr darauf zu prüfen, wie es zu den Zahlungsrückständen kam. Denn eine ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs setzt das Verschulden der Mieter/innen voraus. Gleichwohl kritisieren viele Mietrechtler/innen die Regelung, wonach eine „hilfsweise fristgemäße“ Kündigung wirksam bleibt, auch wenn Mieter/innen innerhalb der Schonfrist zahlen, als zu scharf und fordern eine Gesetzesänderung. Im Entwurf des 2. Mietrechtsnovellierungsgesetz 2016 fand sich auch noch: „Zahlt ein Mieter in der Schonfrist Mietrückstände vollständig, so wird dadurch sowohl eine fristlose als auch eine ordentliche Kündigung unwirksam.“ Der Gesetzentwurf ist vom Tisch. Im Mietrechtsanpassungsgesetz 2018 fehlt eine solche Änderung. Der Bundesrat hat am 19. Oktober 2018 über den Entwurf beraten und dazu Stellung genommen. Er fordert unter anderem, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie Mieter/innen, die nach einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen Mietschulden die Rückstände bezahlt haben, vor dem Verlust ihrer Wohnung geschützt werden können. Ihn hat wohl das obige aktuelle Urteil des BGH aufgeschreckt. Inwieweit dem in den Ausschüssen Nachdruck verliehen und vom Bundestag gefolgt wird, bleibt abzuwarten. Der Gesetzgeber ist gefordert.