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Mietrecht

Urteile

Fördervereinbarung und Mieterhöhung

Eine Regelung im Mietvertrag, nach welcher der Mieter bei Vorlage eines Wohnberechtigungsscheins lediglich eine geringere Miete zu zahlen hat, führt zu einer verbindlichen Vereinbarung der Ausgangsmiete.
 
Fallen die Voraussetzungen, die zur Reduzierung der Ausgangsmiete geführt haben, weg, dann hat sich die Miete nicht automatisch angepasst, sondern kann nur durch eine ordnungsgemäße Mieterhöhung nach den Vorschriften der §§ 558 BGB ff erhöht werden.
 
Die unzutreffende Angabe der Ausgangsmiete in einem Mieterhöhungsverlangen führt zu dessen Unwirksamkeit.

AG Berlin Mitte, Urteil vom 01.08.2006 – AZ 9 C 688/05 –

Die Parteien schlossen im April 2004 einen Mietvertrag über eine Dachgeschosswohnung mit 122,10 qm Wohnfläche. Das Wohngebäude wurde unter Inanspruchnahme einer vertraglich vereinbarten öffentlichen Förderung im Jahr 2000 umfassend modernisiert und instandgesetzt. In § 2 des Mietvertrags war eine Ausgangsmiete von 484,74 Euro vereinbart. Zusätzlich unterzeichneten beide Vertragsparteien eine Anlage zum Mietvertrag. In dieser Anlage heißt es:

"(1) Mieter von Wohnraum, die die Einkommensvoraussetzungen nach den § 25 und 25 d Zweites Wohnungsbaugesetz erfüllen, sollen keine höheren Mieten als die Durchschnittsmiete des ab dem Jahre 1970 mit öffentlichen Mitteln geförderten sozialen Wohnungsbaus bei städtischen Wohnungsbauunternehmen zahlen (heran[zu]ziehende Miete im sozialen Wohnungsbau). Die maßgebliche heranzuziehende Durchschnittsmiete im sozialen Wohnungsbau beträgt 3,63 Euro/m2 (Netto-Kaltmiete). (...)

(2) Sofern die verlangte Miete die einkommensabhängige Miete nach Absatz 1 übersteigt, hat der Vermieter die Mieter über die Möglichkeit nach Absatz 1 zu unterrichten. Die niedrigere Miete wird mit Beginn des Folgemonats wirksam, nachdem der Mieter dem durch Vorlage einer Bescheinigung über die Wohnberechtigung nach § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBinG) nachgewiesen hat, dass [er] die Einkommensvoraussetzungen für den Bezug einer mit öffentlichen Mitteln geförderten Sozialwohnung erfüllt hat. Alle drei Jahre müssen die Einkommensvoraussetzungen durch die aktuelle Bescheinigung erneut nachgewiesen werden; andernfalls soll wieder die aufgrund der öffentlichen Förderung mietpreisrechtliche Miete verlangt werden. (...)

Demnach ergibt sich nunmehr die folgende Änderung für Ihre Mietzahlungen:

Nettokaltmiete: 3,63 Euro/qm x 122,10 qm = 443,22 Euro (...)

Der vorgenannte Betrag ist erst nach Vorlage des Wohnungsberechtigungsscheins durch den Mieter monatlich zu zahlen."

Die Mieter hatten bei Abschluss des Mietvertrags im April 2004 einen Wohnberechtigungsschein vorgelegt. Die in der Anlage in Bezug genommene "maßgebliche Durchschnittsmiete im sozialen Wohnungsbau" erhöhte sich ab dem 1. Januar 2005 von 3,63 Euro/qm auf 4,00 Euro/qm. Mit einem nicht näher datierten Schreiben vom Dezember 2004 teilte die Vermieterin den Mietern mit, dass ab dem 1. Januar 2005 die maßgebliche Durchschnittsmiete im sozialen Wohnungsbau auf 4,00 Euro/qm stiege und die von ihnen zu zahlende Nettomiete nunmehr 484,74 Euro betrage. Die Mieter zahlten in der Zeit von Januar 2005 bis August 2005 die mit diesem Schreiben geforderte Miete. Mit Schreiben vom 17. Juni 2005 übermittelte die Vermieterin ein Mieterhöhungsverlangen, indem sie die Mieter zur Zustimmung der Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete von 484,74 Euro um 96,95 Euro auf 581,69 Euro aufforderte. Die Mieter wiesen das Erhöhungsverlangen zurück.

Mit der Klage verlangte die Vermieterin die Zustimmung der Mieter zur Erhöhung der Miete nach Maßgabe des Schreibens vom 17. Juni 2005. Mit der zugleich erhobenen Widerklage verlangten die Mieter die Erstattung des in den Monaten Januar 2005 bis August 2005 gezahlten Erhöhungsbetrags. Das Amtsgericht hat die Klage wegen der fehlerhaft angegebenen Ausgangsmiete (484,74 Euro anstelle von 443,22 Euro) abgewiesen.

Die Vermieterin hatte die Ansicht vertreten, dass im Anschluss an die Erhöhung der maßgeblichen Durchschnittsmiete für den sozialen Wohnungsbau die Voraussetzungen für die Reduzierung der Miete (nach Maßgabe der von beiden Seiten unterzeichneten Anlage zum Mietvertrag) nicht mehr vorlägen und sie auf diese Weise die ursprünglich vereinbarte (§ 2 des Mietvertrags) Ausgangsmiete verlangen könne.

Das Amtsgericht schloss sich diesen Überlegungen nicht an und führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass aufgrund der Anlage zum Mietvertrag eine verbindliche Ausgangsmiete in Höhe von 443,22 Euro vereinbart worden sei. Diese frei vereinbarte Miete könne daher nur im Rahmen der Vorschriften der §§ 558 ff BGB erhöht werden. Einen Automatismus, nach dem bei Wegfall der Voraussetzungen die ursprünglich vereinbarte Miete zu zahlen sei, gebe es nicht. Wenn und soweit aufgrund der Vereinbarung eine höhere als die ursprünglich genannte Miete gefordert werden durfte, hätte es eines ausreichend begründeten Mieterhöhungsverlangens durch die Vermieterin bedurft. Das Schreiben vom Dezember 2004 erfülle diese Anforderungen nicht, da dort nicht die Zustimmung des Mieters verlangt wurde, sondern lediglich ein feststehendes Ergebnis mitgeteilt wurde.

Das Amtsgericht schloss sich auch nicht der Ansicht der Vermieterin an, nach der die Zahlung der erhöhten Miete für den Zeitraum von Januar 2005 bis August 2005 zu einer Abänderung der Miete geführt habe. Insoweit wies das Amtsgericht darauf hin, dass es - wegen des nicht genannten Zustimmungserfordernisses - an einem entsprechenden Erklärungsbewusstsein der Mieter gefehlt habe. Diese hätten - dem Inhalt des Schreibens folgend - annehmen müssen, dass die dort genannte höhere Miete ohne weiteres Zutun und damit auch ohne Zustimmung geschuldet sei.

Da die Mieter somit im Juni 2005 lediglich die ursprünglich im Mietvertrag vereinbarte Miete in Höhe von 443,22 Euro geschuldet hätten, enthalte das Mieterhöhungsverlangen eine unrichtige Ausgangsmiete. Diese unrichtige Ausgangsmiete führe zur Unwirksamkeit des Erhöhungsverlangens insgesamt, weil eine ausreichende Begründung nicht mehr vorliege.

(Anmerkung: Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass das Erhöhungsverlangen in diesen Fällen mehrdeutig ist und eine Zustimmung zu einem mehrdeutigen Angebot nicht verlangt werden kann.)

Da wegen der formellen Unwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens eine Zustimmung der Mieter nicht geschuldet war, wurde die Klage abgewiesen. Zugleich wurde die Vermieterin verurteilt, die zu Unrecht in dem Zeitraum von Januar 2005 bis August 2005 gezahlten Erhöhungsbeträge (aufgrund des Schreibens vom Dezember 2004) zu erstatten.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Henrik Solf

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 321