Mietrecht
Urteile
Eigenbedarfskündigung nach kurzer Mietzeit bei nach Vertragsabschluss entstandenem Bedarf
BGH Urteil – AZ VIII ZR 154/14 –
Der Vermieter, der eine Wohnung auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, sie alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen, setzt sich mit einer später hierauf gestützten Eigenbedarfskündigung zu seinem früheren Verhalten in Widerspruch, wenn er den Mieter, der mit einer längeren Mietdauer rechnet, bei Vertragsschluss nicht über die Aussicht einer begrenzten Mietdauer aufklärt. Die ausgesprochene Eigenbedarfskündigung ist in diesen Fällen wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam.
Der Vermieter ist weder verpflichtet, von sich aus vor Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags unaufgefordert Ermittlungen über einen möglichen künftigen Eigenbedarf anzustellen (sogenannte „Bedarfsvorschau“) noch den Mieter ungefragt über mögliche oder konkret vorhersehbare Eigenbedarfssituationen zu unterrichten.
Daher liegt kein Rechtsmissbrauch vor, wenn der Vermieter einen unbefristeten Mietvertrag wegen eines nach Vertragsschluss entstandenen Eigenbedarfs kündigt und das Entstehen dieses Eigenbedarfs für ihn zwar im Rahmen einer „Bedarfsvorschau“ erkennbar gewesen wäre, er jedoch bei Vertragsabschluss eine solche Kündigung nicht zumindest erwogen hat.
Etwas anderes hat allerdings dann zu gelten, wenn der Vermieter anlässlich des Vertragsabschlusses von sich aus oder auf Fragen des Mieters vorsätzlich unrichtige Angaben über den derzeitigen Stand ihm bekannter, für die Beurteilung einer Eigenbedarfssituation maßgebender Tatsachen gemacht hat.
Die Mieterin mietete im April 2011 eine 2-Zimmer-Wohnung in Mannheim auf unbestimmte Zeit. Am 28. Februar 2013 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis, da er die Wohnung für seine 20-jährige Tochter benötige. Diese befinde sich derzeit nach ihrem Abitur in Australien und werde im Juli 2013 nach Deutschland zurückkehren und ein berufsbegleitendes Studium in Mannheim aufnehmen. Vor ihrem Auslandsaufenthalt habe sie bei den Eltern gewohnt. Das Landgericht Mannheim wies die Räumungsklage des Vermieters ab, da es die Eigenbedarfskündigung für rechtsmissbräuchlich hielt. Bereits bei Vertragsabschluss hätten für den Vermieter erhebliche Anhaltspunkte für einen zu erwartenden Eigenbedarf für seine Tochter bestanden, was er der Mieterin nicht mitgeteilt habe. Der Bundesgerichtshof folgte dieser Auffassung nicht und hob das Urteil des Landgerichts auf die Revision des Vermieters auf. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten könne zwar dann vorliegen, „wenn der Vermieter Wohnraum auf unbestimmte Zeit vermietet, obwohl er entweder entschlossen ist oder zumindest erwägt, ihn alsbald selbst in Gebrauch zu nehmen“. Dann müsse er den Mieter bei Vertragsschluss über diese Absicht oder zumindest über die Aussicht einer nur begrenzten Mietdauer aufklären. Dafür reiche es aber nicht, dass der Vermieter das Entstehen eines künftigen Eigenbedarfs als bloße Möglichkeit oder aufgrund konkreter Anhaltspunkte hätte vorhersehen können oder müssen. Vielmehr müsse die Entschlossenheit hinzukommen, den Wohnraum alsbald selbst zu nutzen oder das zumindest ernsthafte Erwägen einer solchen Nutzung. Ein Rechtsmissbrauch liege daher nicht vor, „wenn das künftige Entstehen des Eigenbedarfs zwar im Rahmen einer ‚Bedarfsvorschau‘ zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erkennbar gewesen wäre, der Vermieter zu diesem Zeitpunkt aber weder entschlossen war, alsbald Eigenbedarf geltend zu machen, noch ein solches Vorgehen erwogen, also ernsthaft in Betracht gezogen hat“. Ein Vermieter, der den Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags anbietet und dabei nicht von sich aus Angaben über mögliche Entwicklungen seiner Familienverhältnisse mache, bringe damit nicht zum Ausdruck, dass er die Möglichkeit eines baldigen Eigenbedarfs unaufgefordert geprüft habe und ausschließen könne. Schon deshalb sei sein Verhalten in diesem Fall nicht widersprüchlich. Vielmehr lasse sich diesem Verhalten nur entnehmen, dass der Vermieter bisher weder den Entschluss gefasst, noch ernsthaft in Betracht gezogen hat, die Wohnung alsbald für sich oder einen Angehörigen zu nutzen. Ein widersprüchliches Verhalten des Vermieters (mit der Folge der Rechtsmissbräuchlichkeit einer nachfolgenden Kündigung) könne daher nur dann angenommen werden, wenn der Vermieter entweder schon bei Vertragsabschluss zur baldigen Eigennutzung entschlossen ist oder diese ernsthaft erwägt und dies dem Mieter verschweigt; oder wenn er dem Mieter auf konkrete Fragen vor Vertragsabschluss vorsätzlich unrichtige Auskünfte über maßgebende Tatsachen, die einen zeitnah eintretenden Eigenbedarf begründen könnten, gibt. Dagegen lasse sich „allein aus dem Abschluss eines unbefristeten Mietvertrags kein Vertrauenstatbestand dahin ableiten, dass das Mietverhältnis von längerer Dauer sein werde“ .