Mietrecht
Urteile
Duldung eines Balkons
AG Wiesbaden, Urteil vom 28.03.2002 – AZ 93 C 4042/01 –
Der Vermieter hatte an der Rückfront des Wohnhauses das Anbringen von Balkonen geplant, deren Zugang über das Schlafzimmer und die Küche der jeweiligen Wohnungen erfolgen sollte. Die Balkone wurden von außen angebaut, ohne dass diese Maßnahme von der Mieterin geduldet wurde. Der sodann geplante Einbau der Balkontüren wurde von der Mieterin verweigert. Daraufhin machte der Vermieter eine Mieterhöhung gemäß § 3 MHG (nunmehr § 559 BGB) in Höhe von 160,04 DM wegen der für den Balkonanbau aufgewendeten Kosten geltend. Die geplanten Kosten für den noch nicht erfolgten Einbau der Balkontüren waren in dieser Erhöhung noch nicht enthalten. Die Mieterin zahlte die Erhöhung nicht.
In der anschließend erhobenen Klage verlangte der Vermieter die Duldung des Einbaus der Balkontüren durch die Mieterin, sowie die Zahlung des bereits aufgelaufenen Erhöhungsbetrags. Er vertrat die Ansicht, die Mieterin habe den Balkonanbau bereits geduldet, im Übrigen handele es sich um eine erhebliche Wertverbesserung. Die Mieterin wies darauf hin, dass eine Duldung nicht erfolgt sei, da der Anbau ohne Betreten der Wohnung durchgeführt wurde. Darüber hinaus vertrat sie die Ansicht, dass ein vernünftiges Verhältnis zwischen der Mieterhöhung und dem zusätzlichen Wohnwert nicht gegeben sei, zumal die Wohnung durch die darüber liegenden Balkone verdunkelt werde.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es wies darauf hin, dass die Mieterin nicht zur Duldung der Maßnahme gemäß § 541 b BGB (alte Fassung) verpflichtet gewesen sei. Ein solcher Duldungsanspruch bestehe grundsätzlich dann nicht, wenn die Modernisierungsmaßnahme für den Mieter eine unzumutbare Härte darstelle. Bei der hierfür erforderlichen Abwägung sei auch die im Anschluss an die Durchführung der Maßnahme zu erwartende Mieterhöhung zu berücksichtigen.
Das Amtsgericht wies darauf hin, dass ein Mieter, der eine Wohnung mit einem als normal anzusehenden Ausstattungsstandard angemietet habe, es nicht gegen seinen Willen hinnehmen müsse, dass diese Wohnung nunmehr einen in wesentlich anderen Zuschnitt erhalte, wenn dieser Umstand zugleich zu einer unverhältnismäßig hohen Miete führe. In diesem Zusammenhang komme es dann in nicht mehr auf die Frage an, ob der Mieter überhaupt auf Grund seiner finanziellen Lage im Stande wäre, ohne größere persönliche Einschränkung die höhere Miete zu zahlen.
Im Rahmen dieser Abwägung gelangte das Amtsgericht zu der Ansicht, dass die im Anschluss an die Mieterhöhung durchgeführte Steigerung des Mietzinses um mehr als ein Drittel nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu dem (möglicherweise) gestiegenen Wohnwert auf Grund der Nutzung eines Balkons stehe. Der Vermieter habe auch nicht erfolgreich vorgetragen, dass die Wohnung durch den Einbau eines Balkons lediglich in einen allgemein üblichen Zustand versetzt werde. Ein solcher Zustand läge nach Ansicht des Amtsgerichts nur dann vor, wenn mindestens zwei Drittel der Wohnungen der gleichen Baualtersklasse einen Balkon aufweisen würden. Der Verweis des Vermieters auf die Nachbarwohnungen genügte insoweit nicht.
Abschließend wies das Amtsgericht darauf hin, dass mit dem erfolgten Anbau des Balkons von außen (ohne Betreten der Wohnung) keine Duldung der Maßnahme durch die Mieterin verbunden sei. Zwar habe die Mieterin der Maßnahme nicht ausdrücklich widersprochen, dies sei jedoch auch nicht erforderlich gewesen, da sie den Anbau ohnehin nicht hätte verhindern können. Von einer faktischen Duldung einer durchgeführten Maßnahme könne dann nicht ausgegangen werden, wenn eine Mitwirkungshandlung des Mieters nicht erforderlich sei.
Abgedruckt in WuM, 2002, 309