Mietrecht
Urteile
Besitzrecht des Mieters an der gemieteten Wohnung
AG Neukölln, Urteil vom 10.08.2016 – AZ 17 C 170/16 –
Der Mieter nutzte eine Wohnung in Neukölln als seine Zweitwohnung. Da die Decke der Wohnung nach einem Wasserschaden sanierungsbedürftig war, übergab er dem Vermieter im November 2012 zwecks Durchführung der nötigen Sanierungsarbeiten alle Schlüssel der Wohnung. Einiges Mobiliar des Mieters verblieb in der Wohnung. Am 23. April 2015 forderte er den Vermieter auf, ihm mitzuteilen, wann und wo er die Schlüssel für die Wohnung, den Keller und den Briefkasten wieder abholen kann. Der Vermieter teilte ihm schließlich im November 2015 mit, dass nach seiner Auffassung kein Mietverhältnis über die Wohnung mehr bestehe. Er tauschte drei Mal das Schloss zur Wohnungstür sowie das Namensschild an der Tür aus und hinderte so den Mieter am Zutritt zur Wohnung. Am 22. Juli 2016 tauschte der Mieter seinerseits das Türschloss aus, nachdem er erfahren hatte, dass die Wohnung zum Verkauf angeboten wird. Außerdem beantragte er den Erlass einer einstweiligen Verfügung, welche es dem Vermieter untersagt, die Wohnung ohne Ankündigung gegen den Willen des Mieters zu betreten und die Schlösser auszutauschen. Das Amtsgericht Neukölln gab dem Antrag des Mieters statt. Es teilte dessen Auffassung, dass das Mietverhältnis fortbesteht und der Mieter den Besitz an der Wohnung nicht endgültig aufgegeben habe. Dagegen spreche zum einen, dass sich noch Einrichtungsgegenstände von ihm in der Wohnung befänden, zum anderen habe der Mieter bereits im November 2012 schriftlich klargestellt, dass die Schlüsselübergabe ausschließlich zur Durchführung der notwendigen Sanierungsarbeiten erfolgt sei. Das Amtsgericht bestätigte auch die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit. Der Vermieter habe bereits drei Mal die Schlösser ausgetauscht und damit den Mieter an der unmittelbaren Besitzausübung gehindert. Da die Sanierungsarbeiten aber noch nicht beendet und daher eine Nutzung der Wohnung noch nicht möglich war, bestand für den Mieter kein zwingender Handlungsbedarf, die Schlüsselrückgabe zu erzwingen. Dieser sei erst mit der Kenntnis vom beabsichtigten Verkauf der Wohnung und der damit drohenden Inbesitznahme der Wohnung durch einen Käufer entstanden.
Anmerkung: Bei einer vorübergehend notwendigen Räumung der Wohnung zur Durchführung von Baumaßnahmen sollten Mieter/innen nie alle Schlüssel an den Vermieter bzw. die Hausverwaltung übergeben. Nur wenn sie auch selbst Schlüssel behalten, haben sie die Möglichkeit zu kontrollieren, was tatsächlich in der Wohnung geschieht. Für die Durchführung von Baumaßnahmen in Abwesenheit der Mieter/innen genügt die Übergabe eines Schlüsselsatzes.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Wilhelm Lodde