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Mietrecht

Urteile

Berliner „Mietendeckel“ nichtig

1. Das Grundgesetz enthält – von der Ausnahme des Art. 109 Abs. 4 GG abgesehen – eine vollständige Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten entweder auf den Bund oder die Länder. Doppelzuständigkeiten sind den Kompetenznormen fremd und wären mit ihrer Abgrenzungsfunktion unvereinbar. Das Grundgesetz grenzt die Gesetzgebungskompetenzen insbesondere mithilfe der in den Art. 73 und Art. 74 GG enthaltenen Kataloge durchweg alternativ voneinander ab.
2. Regelungen zur Miethöhe für freifinanzierten Wohnraum, der auf dem freien Wohnungsmarkt angeboten werden kann (ungebundener Wohnraum), fallen als Teil des sozialen Mietrechts in die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG.
3. Mit den §§ 556 bis 561 BGB hat der Bundesgesetzgeber von der konkurrierenden Zuständigkeit für das Mietpreisrecht als Teil des bürgerlichen Rechts abschließend Gebrauch gemacht.

BverfG Beschluss vom 25.03.2021 – AZ 2 BvF 1/20, 2 BvL 4/20, 2 BvL 5/20 –

Wie bekannt, haben kurz nach Einführung des MietenWoG Bln („Mietendeckel“) 284 Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU und FDP ein „Normenkontrollverfahren“ beim Bundesverfassungsgericht angestrengt und die Feststellung beantragt, dass der Mietendeckel mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig sei. Sie hatten Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht hat am 25. März 2021 unter anderem beschlossen: „Das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin (MietenWoG Berlin) in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung vom 11. Februar 2020 (…) ist mit Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Artikel 72 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig“. Das Gericht stellte klar, dass Regelungen zur Miethöhe für freifinanzierten Wohnraum in die „konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit“ für das bürgerliche Recht im Sinne von Art. 74 Grundgesetz fallen. Da der Bundesgesetzgeber mit seinen Regelungen über die Miethöhe im Allgemeinen (§§ 556 ff. BGB) und insbesondere in §§ 556d ff. BGB (Mietpreisbremse) von der „konkurrierenden Zuständigkeit für das Mietpreisrecht (…) abschließend Gebrauch gemacht“ habe, sei insofern eine „Sperrwirkung“ eingetreten. Daher verbleibe für die Regelungen zur Miethöhe nach dem Berliner Mietendeckel kein Raum. Die Bundesländer seien von Regelungen zur Festlegung der Miethöhe in diesem Bereich vielmehr ausgeschlossen. Dies gelte bereits unabhängig davon, „ob die landesrechtliche Regelung den §§ 556 ff. BGB widerspricht, sie ohne inhaltlichen Widerspruch ergänzt oder nur wiederholt“. Das Berliner Gesetz verbiete darüber hinaus nach dem BGB zulässige Mieterhöhungen, nach dem BGB zulässige Staffel- oder Indexmieten würden eingefroren und damit außer Kraft gesetzt, auch die Möglichkeit von Mieterhöhungen nach Modernisierungsmaßnahmen würden im Vergleich zu den Regelungen im BGB weiter eingeschränkt. Damit trete das Berliner Gesetz „neben das Regelungsregime der Mietpreisbremse gemäß §§ 556d ff. BGB“ . Dass die „Berliner Regelung die von ihr vorgenommene Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen Vermietern und Mietern über ungebundenen Wohnraum auch mit verwaltungs-, ordnungs- und strafrechtlichen Instrumenten abzusichern bzw. durchzusetzen versucht“ , berühre „ihren im Kern bürgerlich-rechtlichen Gegenstand nicht. (…) Diese öffentlich-rechtliche bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Einkleidung ändert nichts daran, dass die Vorschriften des Gesetzes (…) der Sache nach Regelungen der Rechtsverhältnisse zwischen Vermietern und Mietern darstellen und damit Teil des Privatrechts sind“ . Auch die sozialpolitischen Zielsetzungen deckten sich nahezu vollständig mit jenen, die den Bundesgesetzgeber zum Anlass seiner Regelungen über die höchstzulässige Miete veranlasst hätten. Nachdem der Bundesgesetzgeber diesen Bereich „abschließend geregelt“ habe, fehle also dem Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass des „Mietendeckels“.  Daran ändere auch Art. 28 der Verfassung von Berlin, der ein „Recht auf Wohnen“ als Staatsziel nennt, nichts. Die Kompetenzverteilung des Grundgesetzes bilde nämlich auch „einen zwingenden Rahmen 
für den Landes(verfassungs-)gesetzgeber, den dieser nicht unterlaufen darf“ .