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Mietrecht

Urteile

Berechnungsmaßstab für die Ermittlung einer zu geringen Wohnfläche

Für die Beantwortung der Frage, ob die anrechenbare Wohnfläche einer Mietwohnung von der im Mietvertrag angegebenen Fläche in erheblicher Weise abweicht, können im Regelfall auch im frei finanzierten Wohnraum die Bestimmungen der §§ 42-44 II. BV als Maßstab herangezogen werden.

BGH Karlsruhe, Urteil vom 24.03.2004 – AZ VIII ZR 44/03 –
LG Köln, AG Bergisch-Gladbach,

Sachverhalt:
Die beklagte Mieterin mietete von den Vermietern ab dem 01.10.1997 nach Besichtigung der Räumlichkeiten eine im Dachgeschoss gelegene 4-Zimmer-Maisonette-Wohnung. Bei dem Obergeschoss der Wohnung handelt es sich um einen ausgebauten Spitzboden.

Im Mietvertrag vom 01.10.1997 heißt es in § 1: "Wohnfläche: 110 qm". Die monatliche Miete betrug 1.550 DM.

Im Jahr 2001 ließ die Mieterin die Wohnung ausmessen. Tatsächlich beträgt die Wohnfläche 89 qm unter Anrechnung der Dachschrägen im Spitzboden bzw. 109,03 qm bei einer Addition der reinen Grundrissflächen beider Geschosse.

Dabei entfallen auf den unteren Teil der Wohnung 69,03 qm und auf die Grundrissfläche des ausgebauten Spitzbodens 40qm. Die Mieterin minderte die Miete für die Monate August bis November 2001 um monatlich 460 DM oder 235,19 Euro, für die Monate Dezember 2001 bis März 2002 um monatlich 360 DM oder 184,07 Euro.

Mit ihrer Klage verlangen die Vermieter Zahlung der einbehaltenen Beträge in Höhe von 1677,03 Euro.

Aus den Urteilsgründen:

  1. Soweit die Mieterin sich darauf beruft, die tatsächliche Größe der gemieteten Wohnung bleibe erheblich hinter der im Mietvertrag angegebenen Fläche zurück, kann dies einen Mangel der Mietsache darstellen, der zu einer Mietminderung berechtigt, wenn die Abweichung mehr als 10% beträgt.
    Ein Sachmangel liegt jedoch nur vor, wenn der nach dem Vertrag vorausgesetzte Gebrauch beeinträchtigt ist. Dies ist dann der Fall, wenn der tatsächliche Zustand der Mietsache von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit nachteilig abweicht. Zur Größe der Wohnung ist in § 1 des Mietvertrags vereinbart: "Mietwohnfläche: 110 qm". Der Begriff der "Wohnfläche" ist auslegungsbedürftig. Ausdrückliche Vereinbarungen der Parteien oder eine Bezugnahme auf andere Regelungen und ihre Berechnung liegen nicht vor. Ein allgemeiner, völlig eindeutiger Sprachgebrauch für den Begriff der Wohnfläche hat sich nicht entwickelt und wird auch von den Parteien nicht vorgetragen. Wie sie den Begriff der "Wohnfläche" verstanden haben, ist daher vom Gericht nicht festgestellt. Eine verbindliche Regelung zur Berechnung der Flächen von preisfreiem Wohnraum fehlt.
    Grundsätzlich ist der Begriff der "Wohnfläche" im Wohnraummietrecht auch bei frei finanziertem Wohnraum anhand der Bestimmungen der vorliegend für preisgebundenen Wohnraum noch anwendbaren §§ 42 bis 44 II. Berechnungsverordnung (BV), die ab dem 01.01.2004 durch die aufgrund § 19 Abs. 1 Satz 2 WoFG erlassene Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche vom 25.11.2003 (BGBl. I S. 2346) im wesentlichen gleichlautend ersetzt worden sind, auszulegen und zu ermitteln. Zwar beziehen sich die genannten Vorschriften ihrem Wortlaut nach nur auf den öffentlich geförderten Wohnraum und nicht auch auf den frei finanzierten Wohnungsbau. Sie führen jedoch in der Praxis zu sachgerechten Ergebnissen und werden in größerem Umfang auch für die Ermittlung der Wohnflächen im preisfreien Wohnraum herangezogen. Die Vorgaben, nach denen aufgrund der II. BV und der Wohnflächenverordnung die Wohnfläche zu berechnen ist, sind nicht durch die Preisbindung des Wohnraums bedingt und stehen damit in keinem inneren Zusammenhang.
    Es liegt auf der Hand, dass auch im frei finanzierten Wohnungsbau ein erhebliches praktisches Bedürfnis für die Anwendung eines allgemein anerkannten Maßstabs für die Wohnflächenberechnung im Mietrecht besteht. Diesem Interesse kann durch die Heranziehung der II. Berechnungsverordnung Rechnung getragen werden. Im Regelfall werden deshalb ihre Vorschriften auch für Fälle der vorliegenden Art maßgebend und eine entsprechende stillschweigende Vereinbarung der Vertragsparteien im Zweifel anzunehmen sein.
  2. Nach den Vorschriften der DIN 283 einerseits und der §§ 42 bis 44 BV sind die Grundflächen von Räumen und Raumteilen übereinstimmend mit einer lichten Höhe von mindestens 1 Meter und unter 2 Metern zur Hälfte anrechenbar; Räume und Raumteile mit einer lichten Höhe von weniger als 1 Meter sind nicht zu berücksichtigen. Unstreitig beläuft sich im vorliegenden Fall die danach unter Berücksichtigung der Dachschrägen im Spitzboden ermittelte Wohnfläche nicht auf 110qm, sondern nur auf 89qm, so dass ein zur Minderung berechtigender Mangel vorläge.
    Die angestellten Erwägungen schließen es allerdings nicht aus, dass die Parteien dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall eine von den obigen Ausführungen abweichende Bedeutung beimessen. Ebenso ist es möglich, dass ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich oder nach der Art der Wohnung nahe liegender ist. Es erscheint bei einer Maisonette-Wohnung mit Dachschrägen im ausgebauten Spitzboden auch denkbar, als Wohnfläche die reine Grundfläche der Wohnung nach der DIN 277 (DIN 277 - Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau, Ausgabe 1973/1987) anzusetzen, ohne dabei einen Abzug von Flächen mit einer lichten Höhe unter 2 Meter vorzunehmen. Die tatsächliche Grundfläche der angemieteten Wohnung beträgt unstreitig 109,03qm.
    Da die nach §§ 133, 157 BGB gebotene Auslegung, wie die Vertragspartner den Begriff der "Wohnfläche" verstanden haben, im bisherigen Prozessverlauf nicht ausreichend erörtert worden ist und die Sache aus anderen, noch auszuführenden Gründen ohnehin zurückverwiesen werden muss, erscheint es sachgerecht, die erforderliche Vertragsauslegung - gegebenenfalls nach ergänztem Parteivorbringen - dem Tatrichter zu übertragen. Dabei wird eine bestehende örtliche Verkehrssitte, die Wohnfläche nach einer der oben genannten Bestimmungen zu berechnen, zu berücksichtigen sein.
    Die Ansprüche der Mieterin scheitern nicht daran, dass die Flächenabweichung ihr etwa bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben wäre (§ 539 BGB a.F.). Selbst wenn die Beklagte gewusst hätte, dass die lichte Höhe unter Dachschrägen nach den aufgeführten Vorschriften nicht oder nur zum Teil berücksichtigt wird, konnte von ihr nicht erwartet werden, allein nach dem optischen Eindruck die anrechenbare Wohnfläche gemäß DIN 283 oder § 44 II. BVO auch nur annähernd einzuschätzen.

Hinweis:
Zu Wohnfläche wurden vom BGH drei weitere Urteile VIII ZR 192/03 und VIII ZR 133/03 und VIII ZR 295/03 verkündet.