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Mietrecht

Urteile

Anbietepflicht des Vermieters bei Kündigung wegen Eigenbedarfs

Der wegen Eigenbedarfs kündigende Vermieter muss auch die im gleichen Haus zum Tausch zur Verfügung stehende eigene Wohnung dem gekündigten Mieter zur Anmietung anbieten. Das Angebot muss zu konkreten Bedingungen erfolgen. Die Anbietepflicht entfällt nicht dadurch, dass der Vermieter nachträglich von seiner Absicht, die eigene Wohnung wieder zu vermieten, Abstand nimmt, um sie nunmehr einem Familienangehörigen zur Verfügung zu stellen.

LG Berlin, Urteil vom 19.11.2001 – AZ 61 S 620/00 –

Der Vermieter hatte die Wohnung des Mieters wegen Eigenbedarfs gekündigt, da er sie für sich selbst nutzen wollte. Die von ihm im selben Haus bewohnte und nunmehr frei werdende Wohnung wollte er zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung anderweitig vermieten. Mit der Klage wollte der Vermieter die Verurteilung des Mieters zur Räumung der Wohnung erreichen. Während des laufenden Verfahrens änderte er seinen Entschluss und wollte die frei werdende Wohnung nunmehr nicht vermieten, sondern einem Familienangehörigen überlassen.

Das Landgericht Berlin hat die Räumungsklage abgewiesen. Es ließ in der Entscheidung offen, ob der geltend gemachte Eigenbedarf tatsächlich bestanden hat und deshalb grundsätzlich geeignet war, das Mietverhältnis der Parteien zu beenden. Das vom Vermieter verlangte Räumungsbegehren war nach Ansicht des Landgerichts unter Berücksichtigung des Rechtsentscheids des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 27. Januar 1993 (WM 1993, 105) rechtsmissbräuchlich, so dass der Vermieter dieses nicht durchsetzen konnte.

Das Landgericht Berlin führte in seiner Begründung unter Bezugnahme auf den Rechtsentscheid des OLG Karlsruhe aus, dass der wegen Eigenbedarfs kündigende Vermieter verpflichtet sei, dem gekündigten Mieter eine nach Zugang der Kündigung frei gewordene andere Wohnung im selben Haus zur Anmietung anzubieten. Unterlasse er dies, sei sein Räumungsbegehren rechtsmissbräuchlich. Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes hätte der Vermieter die bisher von ihm selbst bewohnte Wohnung dem Mieter mit einem konkreten Vermietungsangebot anbieten müssen. Zwar sei die von ihm selbst bewohnte Wohnung im wörtlichen Sinne noch nicht "frei geworden", jedoch stand nach Ansicht des Landgerichts bereits bei Zugang der Kündigung fest, dass die (vom Vermieter bewohnte) Wohnung gerade durch Umsetzung des Eigenbedarfs aufgegeben und anderweitig vermietet werden sollte. Eine solche Konzeption gebiete es nach Ansicht des Landgerichts ebenso wie eine nach Zugang der Kündigung tatsächlich frei gewordene Wohnung, dass das für den Mieter einschneidende Lösungsrecht des Vermieters im Hinblick auf den langfristigen und personenbezogenen Charakter des Mietverhältnisses so schonend wie möglich ausgeübt wird und die damit für den Mieter verbundenen Nachteile so gering wie möglich gehalten werden. Die sogenannte "Anbietepflicht" des Vermieters beziehe sich deshalb auch auf die zum Tausch zur Verfügung stehende eigene Wohnung des Vermieters. Der Vermieter hatte diesem aus Treu und Glauben folgenden Gebot nicht ausreichend genügt und die Wohnung auch nach einem ausdrücklichen Hinweis des Gerichts nicht zu konkreten Bedingungen angeboten, sondern ein Vertragsangebot trotz des ausdrücklich geäußerten Interesses des Mieters davon abhängig gemacht, dass dieser zuvor den Räumungsanspruch anerkenne. Ein hinreichend konkretes Angebot sei jedoch erforderlich, da andernfalls nicht überprüfbar sei, ob der Vermieter seiner Verpflichtung nachgekommen sei, die Wohnung zu angemessenen Bedingungen anzubieten.

Das Landgericht wies in seinem Urteil ausdrücklich darauf hin, dass dem Vermieter auch dann, wenn er bei Zugang der Kündigung noch nicht wusste, wie sich die ortsübliche oder marktgerechte Miete zum Ablauf der Kündigungsfrist entwickeln würde, eine Obliegenheit treffe, die frei werdende Wohnung anzubieten. Bei Freiwerden einer Alternativwohnung könne der Mieter ohnehin nicht erwarten, dass der Vermieter diese bis zum Ablauf der Kündigungsfrist für ihn vor halte. Wenn der Vermieter die Alternativwohnung zur umgehenden Anmietung zu den augenblicklich angemessenen Bedingungen anbiete, müsse der Mieter bereit sein, sich gleichzeitig mit der Einigung über die Mietvertragsbedingungen auch zur Räumung seiner bisherigen Wohnung zu verpflichten, ohne die Kündigungsfrist auszuschöpfen. Aus diesen Überlegungen heraus forderte das Landgericht, dass der Vermieter den Mieter (unverzüglich) ein Angebot auf Abschluss eines neuen Mietvertrages über die dann frei werdende Wohnung hätte machen müssen. Umstände in der Person des Mieters, welche die Neubegründung eines Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar machen könnten, waren für das Landgericht nicht ersichtlich.

An dieser Rechtslage änderte sich nach Ansicht des Landgerichts auch dann nichts, wenn der Vermieter die bislang von ihm inne gehaltene Wohnung deshalb nicht mehr an den Mieter überlassen könne, weil er sie nunmehr seinen Söhnen überlassen wolle. Es stellte klar, dass der Verstoß gegen Treu und Glauben darin liege, dass der Vermieter in der Zeit bis zur Kenntnis von dem neuen Verwertungswunsch für die ehemals von ihm bewohnte Wohnung es unterlassen habe, diese dem Mieter anzubieten. Der einmal entstandene Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit werde durch einen späteren Wegfall der Alternativwohnung nicht beseitigt.

Das Landgericht wies ferner darauf hin, dass der Mieter auch nicht dadurch ausreichend geschützt werde, dass er womöglich Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter geltend machen könne, wenn sich der Vermieter nach seinem Auszug nicht auf einen Vertragsschluss zu objektiv angemessenen Bedingungen einlasse. Die Rechtsprechung zur sogenannten "Anbietepflicht" sei nicht primär auf die Vermögensinteressen des Mieters gerichtet, sondern darauf, die durch Wohnungssuche, Umzug und Wohnumfeldwechsel insgesamt entstehenden Belastungen zu vermeiden. Der Verweis auf einen Schadensersatzanspruch würde diesem schützenswerten Interesse des Mieters nicht gerecht werden. Im Übrigen vertrat das Landgericht die Ansicht, dass dem Mieter aus der Verletzung der "Anbietepflicht" ein Schadensersatzanspruch nicht zustehen könne. Denn die "Anbietepflicht" stelle keine Verpflichtung dem engeren Sinne sondern lediglich eine Obliegenheit des Vermieters dar, deren Verletzung nur zu Rechtsnachteilen des Vermieters (Unwirksamkeit der Kündigung) nicht aber zu Ansprüchen des Mieters führen könne.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Berndt Hintzelmann

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 291