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Mietrecht

Urteile

Anbietepflicht bei Eigenbedarf

Kündigt der Vermieter eine vermietete Wohnung wegen Eigenbedarfs, so hat er dem Mieter eine vergleichbare, im selben Haus oder in derselben Wohnanlage ihm zur Verfügung stehende Wohnung, die vermietet werden soll, zur Anmietung anzubieten. Auf andere Wohnungen erstreckt sich die Anbietepflicht nicht. Kommt der Vermieter seiner Anbietepflicht nicht nach, so ist die Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam.

BGH Karlsruhe, Urteil vom 09.07.2003 – AZ VIII ZR 276/02 –
LG Berlin, AG Charlottenburg,

Sachverhalt:
Die Beklagten sind Mieter einer 95 m2 großen Drei-Zimmer-Wohnung in B. , D.-straße, die der Kläger einem Zwangsversteigerungsverfahren erworben hat. Der Kläger hat den Beklagten mit Schreiben vom 30.11.1999 wegen Eigenbedarfs zum 30.11.2000 gekündigt und nimmt sie auf Räumung der Wohnung in Anspruch. Die Kündigung hat er damit begründet, er benötige die Wohnung für die sechsköpfige Familie seines Bruders. Ergänzend hat er ausgeführt, die Wohnung könne durch einen Mauerdurchbruch auf fünf Zimmer mit insgesamt 122 qm Wohnfläche erweitert werden. Der Bruder des Klägers ist selbst Eigentümer einer Drei-Zimmer-Wohnung in der B. U.-straße und zweier Ein-Zimmer-Appartements in B. ;seiner Ehefrau gehört dort ein Mehrfamilienhaus. Sämtliche Wohnungen sind vermietet. Die Mieter der Drei-Zimmer-Wohnung in der U.-straße hat der Bruder des Klägers zum 31.01.2002 aus dem Mietvertrag entlassen und mit den bisherigen Untermietern ein Hauptmietverhältnis abgeschlossen.

Aus den Urteilsgründen:

  1. Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass auch der Bruder des Klägers Familienangehöriger im Sinne von § 564 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB ist. Jedenfalls bei Geschwistern besteht noch ein so enges Verwandtschaftsverhältnis, dass es eines zusätzlichen einschränkenden Tatbestandsmerkmals, wie etwa einer engen sozialen Bindung zum Vermieter, nicht bedarf.
  2. Zutreffend ist auch der weitere Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach der wegen Eigenbedarfs berechtigt kündigende Vermieter dem Mieter eine andere ihm zur Verfügung stehende freie Wohnung im selben Haus zur Anmietung anbieten muss, sofern diese weiterhin vermietet werden soll. Anderenfalls ist die ausgesprochene Kündigung rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam. Dies ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt. Bei der Kündigung einer Mietwohnung wegen Eigenbedarfs ist zwar grundsätzlich die Entscheidung des Vermieters, wie er eine ihm gehörende Wohnung nutzen will, zu respektieren (vgl. auch BVerfG NJW 1994, 435). Es kann jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Kündigung von Wohnraum in die Lebensführung eines Mieters besonders stark eingreift. Der Vermieter ist deshalb gehalten, diesen Eingriff abzumildern, soweit ihm dies möglich ist. Ausnahmsweise ist eine Kündigung daher dann rechtsmissbräuchlich, wenn dem Vermieter eine andere Wohnung im selben Anwesen zur Vermietung zur Verfügung steht und er diese dem Mieter nicht anbietet, obwohl er sie wieder vermieten will.
  3. Die Anbietpflicht des Vermieters erstreckt sich jedoch nicht auf jede andere, ihm zur Verfügung stehende Wohnung. Diese Verpflichtung beschränkt sich vielmehr auf eine im selben Haus oder in derselben Wohnanlage befindliche Wohnung. Die Anbietpflicht dient dem Ziel, dem Mieter zu ermöglichen, eine Wohnung in seiner vertrauten häuslichen Umgebung zu beziehen. Dagegen besteht ihr Zweck nicht darin, dem Mieter nach einer berechtigten Kündigung die ihn belastende Wohnungssuche abzunehmen, wie das Berufungsgericht meint. Im gegebenen Fall liegen die Voraussetzungen einer Anbietpflicht schon deshalb nicht vor, weil sich die vom Berufungsgericht als Alternativwohnung herangezogene Wohnung des Bruders des Klägers in der U.-straße nicht in derselben Wohnanlage wie die gekündigte Wohnung befindet. Deshalb kommt es für die Entscheidung auf die Frage, ob als Ersatzwohnung eine Wohnung in Betracht kommen kann, die nicht dem Vermieter, sondern dem begünstigten Familienangehörigen gehört, nicht mehr an.

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