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Mietrecht

Urteile

Abgrenzung von Gewerbe- und Wohnraummietrecht bei gemischt genutzten Räumen

Bei einem Mietvertrag über Wohnräume und ein Ladengeschäft ist Wohnraummietrecht (mit den dafür geltenden Kündigungsschutzvorschriften) anzuwenden, wenn die zum Wohnen und die gewerblich genutzten Flächen etwa gleich groß sind, der Mieter seinen Lebensunterhalt durch das in den gemieteten Räumen ausgeübte Gewerbe nicht bestreiten kann und sich auch aus sonstigen Umständen – insbesondere aus dem Mietvertrag – kein Überwiegen der gewerblichen Nutzung ergibt.

AG Tempelhof-Kreuzberg, Urteil vom 05.09.2011 – AZ AZ: 14 C 202/11 –


Der Mieter mietete im Jahr 1985 Räume im     1. Obergeschoss und Erdgeschoss eines Hauses in Kreuzberg. Der (einheitliche) Mietvertrag trägt die Überschrift „Mietvertrag für Wohnräume und 1 Ladengeschäft“. In einer Zusatzvereinbarung zwischen Vermieterin und Mieter aus dem Jahr 2000 heißt es unter anderem: „Mietgegenstand sind das Ladengeschäft (...) mit integriertem Wohnraum im 1. OG mitte und 1. OG rechts mit einer Gesamtfläche von 115,00 qm. Zur vermieteten Sache gehört der unter den Ladenräumen liegende und bereits durch Herrn (...) genutzte Keller.“ Die Fläche der im 1. OG liegenden Wohnräume beträgt 40 qm. Der unter dem Ladengeschäft befindliche Keller hat eine Größe von 50 bis 60 qm.

Der Mieter wohnt im 1. Obergeschoss und betreibt im Laden im Erdgeschoss einen Gemischtwarenladen für gebrauchte Bücher und Haushaltsgegenstände, die er unter anderem überwiegend günstig aus Wohnungsauflösungen erhält und billig weiterverkauft oder tauscht.    


Im Dezember 2010 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis ordentlich zum 30. September 2011 und verklagte den Mieter auf Räumung und Herausgabe der Wohnung und des Ladengeschäfts. Sie meinte, dies sei möglich, da es sich überwiegend um ein Gewerbemietverhältnis handele. Das sehe man daran, dass die Einnahmen aus dem Ladengeschäft die Lebensgrundlage des Mieters bildeten. Der Mieter konnte dagegen darlegen, dass ihm der Laden kein zum Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen abwirft und er daneben von Unterstützung durch seine Mutter lebt sowie einen Teil der Miete von seiner Freundin und Untermieterin erhält. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg wies die Klage der Vermieterin ab und stellte klar: Zunächst sei zur Abgrenzung von Wohnraummiete und Gewerbemiete der Wille der Parteien bei Vertragsabschluss maßgeblich und bei Gleichwertigkeit der beiden Verwendungszwecke sei Wohnraummietrecht anwendbar. Der Vertrag und die Zusatzvereinbarung selbst sprächen im vorliegenden Fall nicht für eine überwiegende gewerbliche Nutzung, da der Vertrag als „Mietvertrag für Wohnräume“ überschrieben sei und auch die gewerblich genutzten Flächen die als Wohnraum genutzte Fläche jedenfalls nicht wesentlich überstiegen.

Zwar könne sich auch aus der tatsächlichen Nutzung der gemieteten Räume eine überwiegend gewerbliche Nutzung ergeben, insbesondere dann, wenn der Mieter auf die Nutzung der Räume zur Bestreitung seines Lebensunterhalts angewiesen ist. Das konnte das Amtsgericht hier jedoch nicht feststellen, da der vom Mieter betriebene Laden angesichts des Zuschnitts von Warenangebot und Kundschaft nicht in erster Linie auf die Erzielung eines Gewinns ausgerichtet sei. Nach Auffassung des Amtsgerichts war folglich Wohnraummietrecht anzuwenden. Dadurch war die Kündigung des Vermieters unwirksam, da eine Kündigung von Wohnraummietverhältnissen nur bei Vorliegen bestimmter Gründe – vor allem Eigenbedarf des Vermieters – zulässig ist.


Mitgeteilt von Rechtsanwalt Burkhard Draeger


Anmerkung: Die Kündigungsbeschränkungen in Wohnraummietverhältnissen gelten nicht bei Mietverträgen über Gewerberäume. Bei gemischter Nutzung von Mieträumen sowohl zu Wohnzwecken als auch zum Betrieb eines Gewerbes ist daher stets im Einzelfall zu klären, ob die Wohnraumnutzung oder die gewerbliche Nutzung überwiegt. Davon hängt ab, ob insgesamt Wohnraummietrecht anzuwenden ist. Siehe hierzu auch Seiten 23 bis 26.