Mietrecht
Urteile
(2) Eigenbedarfskündigungen und das Vorliegen einer besonderen Härte
BGH Urteil – AZ VIII ZR 167/17 –
In dem zweiten, hier vorgestellten Fall hat der Bundesgerichtshof ein Urteil des Landgerichts Halle aufgehoben und zur weiteren Sachaufklärung an das Landgericht zurückverwiesen. Das Landgericht hatte die Mieterin und ihren Mitmieter und Lebensgefährten auf die Eigenbedarfskündigung ihrer Vermieterin zur Räumung der von ihnen gemieteten Doppelhaushälfte verurteilt. Die Mieter bewohnen das Haus zusammen mit dem volljährigen Sohn der Mieterin und mit dem Bruder des Mieters, welchen sie gemeinsam pflegen. Dieser leidet ausweislich eines zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit eingeholten und von den Mietern im Prozess vorgelegten Gutachtens an Schizophrenie, Verhaltensstörungen, Inkontinenz und Demenz.
Die Vermieterin machte mit ihren Kündigungsschreiben aus dem Jahr 2015 geltend, selbst in die Wohnung einziehen zu wollen, um sich künftig täglich um die Pflege und Betreuung ihrer in der Nähe des Hauses lebenden alten Großmutter kümmern zu können. In ihrer Klageschrift teilte sie sodann mit, sie wolle mit ihrem Lebensgefährten in das Haus ziehen, weil dessen 3-Zimmer-Wohnung für beide zu eng sei. Außerdem wolle sie sich auch um ihre Großmutter kümmern. Diese sei zwar durch Pflegedienst, Haushaltshilfe etc. versorgt, sie wolle sich aber um die Wäsche kümmern und für Notfälle bereit stehen.
Die Mieter widersprachen der Kündigung, da sie als wahren Grund der Kündigung den bis ins Jahr 2015 bestehenden Streit über Mängel vermuteten. Außerdem machten sie Härtegründe geltend und verlangten die Fortsetzung des Mietverhältnisses gemäß § 574 BGB, da sowohl der Mieterin als auch dem Bruder des Mieters ein Umzug aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei. Während des Berufungsverfahrens vor dem Landgericht verstarb die Großmutter der Vermieterin. Diese berief sich jedoch auf den fortbestehenden Eigenbedarf, da sie mit ihrem Lebensgefährten in das Haus ziehen wolle. Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass der im Kündigungsschreiben angegebene Eigenbedarf (Pflege der Großmutter) ein vernünftiger und nachvollziehbarer Grund für eine Kündigung gewesen sei. Dass dieser – erst nach Ablauf der Kündigungsfrist – durch den Tod der Großmutter entfallen sei, spiele keine Rolle. Die von den Mietern genannten Streitigkeiten um Mängel seien kein hinreichendes Indiz dafür, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben sei. Das von den Mietern vorgelegte psychiatrische Attest zum Gesundheitszustand des Bruders des Mieters belege nicht, dass bei einem Umzug der Eintritt eines schwerwiegenden Nachteils, eine schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigung oder Lebensgefahr drohe. Das erst in der Berufungsinstanz angebotene Beweismittel eines gerichtlich einzuholenden Sachverständigengutachtens sei als Verteidigungsmittel wegen Verspätung nicht mehr zuzulassen.
Der Bundesgerichtshof stellte dagegen klar, dass auf Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen weder beurteilt werden könne, ob Eigenbedarf tatsächlich besteht, noch, ob auf Seiten der Mieter eine Härte vorliegt, auf Grund derer sie eine Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen können. Die Gerichte hätten nämlich zur Wahrung der Belange des Mieters „den vom Mieter bestrittenen Eigennutzungswunsch des Vermieters auch darauf zu überprüfen, ob er ernsthaft verfolgt wird“. Das Landgericht hätte sich nicht allein auf den schriftlichen Vortrag der Vermieterin beziehen dürfen, sondern von dieser angebotene Zeugen vernehmen und gegebenenfalls die Vermieterin dazu selbst anhören müssen. Außerdem hätte es den Vortrag der Mieter zu dem Streit um Mängel des Hauses nicht übergehen dürfen. Auch habe es die von den Mietern geltend gemachten Härtegründe nicht zutreffend gewürdigt. So hätte es auch hier (siehe auch oben BGH VIII ZR 180/18) zwingend von Amts wegen ein Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand des Bruders des Mieters und zur Beurteilung der zu erwartenden Folgen eines erzwungenen Umzugs einholen müssen.