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Milieuschutz in Berlin

Von Rechtsanwältin Franziska Dams


Ich habe schon oft von Milieuschutzgebieten gehört. Was versteht man darunter und wo in Berlin gibt es welche?
Es ist allgemein bekannt, dass insbesondere in den Innenstadtgebieten Berlins sehr viel modernisiert wird. Das ist in der Regel mit enormen Mieterhöhungen verbunden und hat nur allzu häufig zur Folge, dass sich nach Modernisierungen die angestammte Bevölkerung Mieterhöhungen ausgesetzt sieht, die sie nicht bezahlen kann. Der Gesetzgeber hat solche Gefahren erkannt und im Baugesetzbuch mit § 172 Absatz 1 Nr. 2 und Absatz 4 die Möglichkeit eröffnet, in einem Bebauungsplan oder durch eine sonstige Satzung Gebiete zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung festzulegen. Man spricht dann von einer sozialen Erhaltungsverordnung oder „Milieuschutzverordnung“. Bei „Milieuschutzgebieten“ handelt es sich um Gebiete, für die eine soziale Erhaltungssatzung gilt. Damit sollen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in diesem Gebiet erhalten, einer sozialen Verdrängung entgegengewirkt bzw. vorgebeugt und die gewachsenen Strukturen der angestammten Bevölkerung geschützt werden. Das heißt, die soziale Vielfalt soll erhalten bleiben und auch ökonomisch schwächeren Bevölkerungsgruppen soll es weiterhin möglich sein, ihr bisheriges Wohnumfeld zu behalten. Eine Verdrängung beispielsweise in die Außenbezirke mit den daraus resultierenden Folgeproblemen soll möglichst vermieden werden.
In Berlin gibt es derzeit 47 Milieuschutzgebiete: 2 in Charlottenburg-Wilmersdorf, 9 in Friedrichshain-Kreuzberg, 1 in Lichtenberg, 5 in Mitte, 7 in Neukölln, 13 in Pankow, 7 in Tempelhof-Schöneberg und 3 in Treptow-Köpenick.

Wie finde ich raus, ob meine Wohnung in einem Milieuschutzgebiet liegt?
Hier lohnt sich oft ein Blick ins Internet zum Stichwort Milieuschutz mit Angabe Ihres Stadtbezirks (siehe auch Link Seite 26 unten). Unabhängig davon steht Ihnen natürlich das Stadtplanungsamt als zuverlässiger Ansprechpartner zur Verfügung.

Und was bedeutet Milieuschutz? Wie wirkt er sich konkret aus?
In Milieuschutzgebieten dürfen Abriss und Änderungen (wie Modernisierungen, Grundrissänderungen oder Nutzungsänderungen) von Wohngebäuden nur mit einer Genehmigung erfolgen. Zusätzlich gilt in Berliner Milieuschutzgebieten ein Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Das bedeutet, dass Vermieter, wenn sie beispielsweise modernisieren oder die Wohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln möchten, dies zunächst beim Bezirksamt beantragen müssen. Das Bezirksamt prüft dann, ob durch die beantragten Maßnahmen die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aufgrund von Verdrängung gefährdet ist. Wird die Verdrängungsgefahr bejaht, können die Maßnahmen versagt werden.

In welchen Fällen wird eine Verdrängungsgefahr bejaht bzw. welche Maßnahmen darf der Vermieter in Milieuschutzgebieten nicht durchführen?   
Nicht genehmigungsfähig ist beispielsweise der Abriss von Wohngebäuden. Auch für die Umnutzung von Wohnungen in Gewerberaum oder für Grundrissänderungen von Wohnungen (zum Beispiel durch eine Wohnungszusammenlegung) wird keine Genehmigung erteilt.
Für Modernisierungsmaßnahmen, durch die der zeitgemäße Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung überschritten wird, wird ebenfalls keine Genehmigung erteilt. Sogenannte Luxusmodernisierungen werden deshalb grundsätzlich untersagt. Vermieter dürfen dann die Maßnahmen nicht durchführen. Tun sie es trotzdem, kann dies durch ein Bußgeld bestraft werden. Auch eine Verpflichtung zum Rückbau ist möglich.

Was bedeutet zeitgemäßer Ausstattungsstandard? Muss ich zum Beispiel den Einbau einer Dusche in meinem Bad zusätzlich zur vorhandenen Badewanne dulden?
Um einen zeitgemäßen Ausstattungszustand soll es sich bei sogenannten allgemein üblichen Maßnahmen handeln. Dies sind Änderungen, die der Anpassung an den heutigen Wohnmindeststandard dienen. Hierzu zählen im Allgemeinen:
- Ersteinbau einer Sammelheizung (inklusive Warmwasserversorgung)
- Ersteinbau eines Badezimmers
- Einbau von Aufzügen
- Erstanbau eines Balkons, sofern dieser nicht größer als 4 m² ist
- Grundausstattung mit Sanitär-, Frischwasser-, Abwasser- sowie Elektroinstallationen
- Einbau von Doppel- bzw. Isolierglasfenstern, sofern die Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) eingehalten werden
- Einbau von Antennen-, Kabelfernseh- und Gegensprechanlagen
- Maßnahmen zur Wärmedämmung (soweit sie aus rechtlichen Gründen zwingend erforderlich sind)
Die vorgenannten Maßnahmen sind auch im Milieuschutzgebiet zulässig und werden in der Regel auflagenfrei genehmigt. Aber auch das wird größtenteils schon zu drastischen Mietsteigerungen führen. Nicht genehmigt werden hingegen üblicherweise:
- nicht erforderliche Grundrissänderungen (hierzu zählen beispielsweise Grundrissänderungen, die folgendes beinhalten: Veränderung der ursprünglichen Zimmeranzahl oder der Wohnfläche, Verlegung und Neubau von Kammern, Schaffung von Wohnküchen und Veränderungen von bereits voll ausgestatteten Bädern)
- Wohnungsteilungen und Wohnungszusammenlegungen (und zwar auch bei Zusammenlegung von bereits bestehendem mit neu geschaffenem Wohnraum wie bei einer Dachgeschoss-Maisonette)
- Nutzungsänderungen von Wohnraum zu Gewerbe oder zu Ferienwohnungen        - Schaffung von zur Wohnung gehörigen Stellplatzanlagen
- Maßnahmen zur Energieeinsparung, die über die Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) an bestehenden Gebäude hinausgehen    - Einbau von Einbauküchen
- Einbau von Zweitbädern
- Einbau eines Badezimmers mit getrennter Dusche und Wanne; Gästetoiletten    - Einbau einer Klimaanlage oder eines Innenkamins
- Anbau einer Loggia
- Anbau von Balkonen mit mehr als 4 m² Nutzfläche oder Balkonen, die wegen der Eigenart der Konstruktion oder des Materials besonders kostenaufwendig sind, sowie von Terrassen oder Wintergärten
- Einbau einer Fußbodenheizung
- Installation von Elektrogeräten wie Geschirrspüler, Kühlschrank, Waschma-schine
Beachten Sie: Die Kriterienkataloge in den einzelnen Bezirken sind ähnlich, aber nicht identisch. Deshalb empfehle ich, im Einzelfall beim zuständigen Stadtplanungsamt anzufragen.

Wie laufen die Genehmigungsverfahren ab und wie erfahre ich überhaupt, welche Maßnahmen genehmigt wurden?
Vor der Durchführung der geplanten Maßnahmen müssen Vermieter einen Antrag auf Durchführung stellen. Die Behörde verlangt dann die Einreichung eines Wohnungsbogens mit der Aufschlüsselung der Mieten vor und nach der Durchführung der beantragten Maßnahmen. Das Stadtplanungsamt informiert dann die Mieter/innen über die Antragstellung. Diese haben die Möglichkeit, innerhalb einer vom Bezirksamt gesetzten Frist zu den geplanten Maßnahmen Stellung zu nehmen. Zusätzlich erfolgen Hinweise zu entsprechenden Beratungsangeboten. Sofern Ihnen bereits eine Modernisierungsankündigung vorliegt, sollten Sie die angekündigten Maßnahmen unbedingt mit den Maßnahmen vergleichen, die laut Schreiben des Bezirksamts beantragt worden sind. Teilweise weichen die beantragten Maßnahmen von den durch den Vermieter angekündigten Maßnahmen ab. Stellen Sie das fest, sollten Sie das Amt hierüber unbedingt informieren. Gegebenenfalls lohnt es sich auch, die Modernisierungsankündigung des Vermieters dort einzureichen, um auf die Widersprüche hinzuweisen.
Geht Ihnen die Modernisierungsankündigung des Vermieters bereits vor dem Informationsschreiben des Bezirks zu, sollten Sie auch diesbezüglich nachhaken. Nehmen Sie in derartigen Fällen Kontakt zum Stadtplanungsamt auf und erkundigen Sie sich dort unter Vorlage der Ankündigung, ob überhaupt eine entsprechende Genehmigung für die Maßnahmen erteilt wurde.
Vermieter haben – unabhängig von der Frage der Wirksamkeit der Modernisierungsankündigung – ohne die erhaltungsrechtliche Genehmigung keinen Anspruch auf die Duldung der Maßnahmen.

Nach welchen Kriterien prüfen die Bezirksämter den Antrag des Vermieters?
Bezirksämter prüfen die Anträge der Vermieter nach folgenden Kriterien:

  •  Verordnungsmiete: Die zukünftige Miete inklusive Modernisierungsumlage wird abgeglichen mit der sogenannten „Verordnungsmiete“, die auf wissenschaftlicher Grundlage ermittelt wurde und als Prüfindikator dient. Wenn die Verordnungsmiete nicht überschritten wird oder sich der Vermieter verpflichtet, auf die Umlegung der die Verordnungsmiete überschreitenden Kosten zu verzichten, werden die Maßnahmen in der Regel genehmigt. Übersteigt die Miete nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen voraussichtlich die Verordnungsmiete, deutet dies auf eine drohende Verdrängung hin. Sofern der Vermieter nicht auf die Umlage verzichtet, erfolgt eine weitere Prüfung hinsichtlich des zeitgemäßen Ausstattungszustands.
  •  Zeitgemäßer Ausstattungszustand: Welche Modernisierungsmaßnahmen im Einzelnen (siehe oben) durchgeführt werden sollen, wird genau geprüft. Wird die Wohnung beispielsweise noch mit Kohleöfen beheizt oder ist in der Wohnung bislang kein Bad vorhanden, führt die Durchführung dieser Maßnahmen zur Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands. Diese Maßnahmen werden in der Regel auch dann genehmigt, wenn hierdurch die Verordnungsmiete überschritten wird. Wird durch die Maßnahme der zeitgemäße Ausstattungsstandard überschritten, wie etwa beim Einbau einer Videosprechanlage, erfolgt keine Genehmigung.
  •  Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV): Auch dies stellt ein weiteres Prüfkriterium dar. Dienen die geplanten Maßnahmen der Anpassung an die baulichen oder anlagentechnischen Mindestanforderungen der Energieeinsparverordnung, wird die Genehmigung erteilt. Um die Prüfung zu ermöglichen, muss der Vermieter einen Maßnahmenplan zur energetischen Sanierung vorlegen.

Muss ich fürchten, dass meine Miet- in eine Eigentumswohnung umgewandelt werden kann oder geht das in Milieuschutzgebieten nicht?

Für Milieuschutzgebiete sieht § 172 BauGB einen besonderen Schutz vor Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen vor. Hierzu können die Landesregierungen Umwandlungsverordnungen befristet auf jeweils fünf Jahre erlassen. Hiervon hat das Land Berlin Gebrauch gemacht und am 3. März 2015 (Verordnungsdatum)  die Umwandlungsverordnung mit Geltung für alle Milieuschutzgebiete erlassen. Sie gilt seit 14. März 2015 und tritt am 12. März 2020 außer Kraft, sofern sie nicht verlängert wird.
Wichtig ist: Wurde für ein Gebäude bereits vor dem 3. März 2015 beim Grundbuchamt ein Antrag zur Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum nach § 1 WEG gestellt, gilt die Umwandlungsverordnung nicht.
Wurde der Antrag nach dem 14. März 2015 gestellt, gilt: Eine Umwandlungsgenehmigung wird nur dann erteilt, wenn dem Eigentümer ein Verzicht auf die Umwandlung auch unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Dies soll dann der Fall sein, wenn die Kosten der Bewirtschaftung des Gebäudes im bestehenden Zustand nicht durch seine Erträge oder den Nutzwert für den Eigentümer aufgewogen werden können. Weitere Ausnahmen sind möglich, wenn eine der nachgenannten Kriterien erfüllt ist:

  •  das Grundstück gehört zu einem Nachlass und es soll Wohnungseigentum/Teileigentum zugunsten von Miterben oder Vermächtnisnehmern begründet werden (§ 172 Absatz 4 Nr. 2 BauGB);
  • das Wohnungseigentum/Teileigentum soll zur eigenen Nutzung an Familienangehörige des Eigentümers veräußert werden (§ 172 Absatz 4 Nr. 3 BauGB);
  • Ansprüche Dritter auf Übertragung von Wohnungseigentum/Teileigentum, zu deren Sicherung vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist (§ 172 Absatz 4 Nr. 4 BauGB), können ohne Genehmigung nicht erfüllt werden;   
  • das Gebäude wurde im Zeitpunkt der Antragstellung auf  Begründung von Wohnungseigentum/Teileigentum nicht zu Wohnzwecken genutzt (§ 172 Absatz 4 Nr. 5 BauGB) oder (hierbei handelt es sich um den Hauptanwendungsfall)
  • der Eigentümer verpflichtet sich, innerhalb von 7 Jahren ab Begründung des Wohnungseigentums Wohnungen nur an Mieter/innen zu veräußern (§ 172 Absatz 4 Nr. 6 BauGB).

Sie sehen, das ist eine schwierige Materie, Sie sollten sich unbedingt in einer unserer Beratungsstellen beraten lassen, wenn Sie von solch einem Problem betroffen sind.


Bin ich im Milieuschutzgebiet besser oder schlechter vor Eigenbedarfskündigungen geschützt?
In ganz Berlin gilt die Kündigungsschutzklausel-Verordnung. Das heißt, wird eine Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt und die Wohnung anschließend verkauft, sind die Mieter/innen ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Veräußerung und Eintragung des Vermieters im Grundbuch 10 Jahre vor einer Kündigung wegen Eigenbedarfs oder wegen Hinderung an einer wirtschaftlichen Verwertung geschützt. Vermieter können somit erst 10 Jahre nach ihrer Eintragung als Eigentümer im Grundbuch wegen einer der vorgenannten Gründe kündigen. Aber es gilt eine Besonderheit für Milieuschutzgebiete: Hat sich der Eigentümer verpflichtet, innerhalb von 7 Jahren ab Begründung des Wohnungseigentums Wohnungen nur an Mieter/innen zu veräußern, verkürzt sich nach § 172 Baugesetzbuch Absatz 4 Nr. 6 die Kündigungssperrfrist um fünf Jahre. Hintergrund hierfür ist, dass die Umwandlung in Eigentumswohnungen nur mit vorheriger Genehmigung bei Vorlage einer der oben genannten Ausnahmekriterien möglich ist. Nach Ablauf dieser Frist von 7 Jahren greift dann die auf 5 Jahre verkürzte Kündigungssperrfrist. Effektiv sind die Mieter/innen in Milieuschutzgebieten damit mit insgesamt 12 Jahren besser vor Eigenbedarfskündigungen geschützt als „normale“ Mieter/innen, die lediglich 10 Jahre Schutz genießen. Beachten Sie: Es besteht keine Verpflichtung, die Wohnungen in dieser Zeit den Mieter/innen tatsächlich zum Kauf anzubieten. Die Eigentümer können auch einfach die Frist verstreichen lassen und die Wohnung dann am freien Markt anbieten. Den Mieter/innen bleibt es dann natürlich unbenommen, von ihrem gesetzlichen Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen.

 

Bitte beachten Sie: Der Beitrag wurde im MieterEcho Nr. 398 / November 2018 veröffentlicht und gibt die Rechtslage zum Zeitpunkt der Drucklegung wieder!