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MieterEcho online 30.04.2020

Corona bedroht Wohnungslose mit und ohne Fluchterfahrungen

In diesen Corona-Zeiten sollen alle möglichst zu Hause bleiben, Abstand zu anderen halten und auf Hygiene achten, vor allem sich regelmäßig die Hände waschen. Für Menschen ohne eigene Wohnung ist all dies jedoch nicht möglich. Sie sind darum besonders davon bedroht, sich zu infizieren und dann auch andere anzustecken.


Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) wies in einer Videobotschaft am 27. April 2020 darauf hin, dass diejenigen, die auf der Straße leben müssen, immer weniger Unterstützung finden: „Obdachlose Menschen erhalten keine Spenden mehr, und wenn wir sagen ‚Bleibt zu Hause‘, dann klingt es für obdachlose Menschen wie ein Hohn, denn sie haben kein Zuhause.“ Am 29. April diskutierte die Senatorin in einer Online-Veranstaltung des  Bündnis #LeaveNoOneBehindNowhere zum Thema „Soforthilfe für wohnungslose Menschen“. Die Veranstaltung wurde mit dem Konferenztool Zoom auf Facebook und YouTube übertragen.


Das Bündnis setzt sich zusammen aus dem AK Wohnungsnot, der Berliner Obdachlosenhilfe, dem Bündnis Solidarische Stadt, dem Flüchtlingsrat Berlin und We’ll Come United Berlin und Brandenburg. Am 23. April veröffentlichte es in einem Offenen Brief an den Berliner Senat einen „10 Punkte Soforthilfeplan“ zur Unterbringung und zum Schutz wohnungsloser Menschen. Es erklärt sich gleichzeitig „solidarisch mit den Geflüchteten in den unmenschlichen Lagern an den europäischen Außengrenzen, die sofort evakuiert werden müssen“. Fast 70 Organisationen und Initiativen haben als Unterstützer*innen unterzeichnet. Betroffene, Ehrenamtliche, Beschäftigte und Verbandsvertreter*innen haben sich zusammengetan, um die Situation von Wohnungslosen mit und ohne Migrationsgeschichte zu verbessern.


Bündnis fordert Soforthilfeplan für Wohnungslose
Nach Angaben des Bündnisses sind in Berlin mindestens 50.000 wohnungslose Menschen in Sammelunterkünften untergebracht, viele Tausend leben auf der Straße. Statt Sammelunterkünften fordert das Bündnis Plätze in Ferienwohnungen, Businessapartements oder Hotels, und die Lagerpflicht für Geflüchtete aufzuheben. Grundsätzlich müsse bezahlbare Wohnraum für alle zur Verfügung stehen. Kältehilfeeinrichtungen – die am 1. Mai schließen müssen – sollen offen bleiben, so lange sie gebraucht werden. Statt ganze Einrichtungen unter Quarantäne zu stellen, müsse individuelle Quarantäne ermöglicht werden. Ein Krisenstab soll Lösungsstrategien entwickeln und die Betroffenen einbeziehen.


Senatorin Breitenbach möchte keinen Krisenstab, sondern die bestehenden Konferenzstrukturen gegen Wohnungslosigkeit ausbauen. Allerdings seien Online-Sitzungen noch nicht möglich, weil aufgrund strenger Auflagen der Senatsverwaltung Zoom nicht verwendet werden dürfe, eine andere Lösung sei in Vorbereitung und werde geprüft. Die Senatorin bezeichnete es als absurd, dass gleichzeitig gefordert würde, die Einrichtungen der Kältehilfe offen zu lassen und Leute nicht in Massenunterkünften unterzubringen, denn Kältehilfeeinrichtungen seien Massenunterkünfte. Außerdem sollten sich die Träger darüber im klaren sein, dass wenn die Leute in Hotels untergebracht würden, die Träger kein Geld mehr bekämen. Hotels seien teurer, darum müsse das Abgeordnetenhaus dann über weitere Mittel beschließen.


Politik und Verwaltung brauchen Zeit, aber die Menschen sind jetzt in Gefahr
Auch wenn sich die Senatorin dagegen verwahrte, dass sie keine politische Bereitschaft habe, die Menschen zu schützen, entstand doch der Eindruck, dass sie eher erklärte was nicht geht, statt sich an die Seite des Bündnisses zu stellen und ein gemeinsames Anliegen zu bearbeiten. Immerhin sicherte sie zu, weiter mit der Senatsverwaltung für Finanzen um die Wohnungen der öffenlichen Berlinovo zu ringen. Breitenbach wies auch darauf hin, dass die Bezirke für Wohnungslose zuständig seien, es gäbe da keine zentralen Senatsvorgaben. Das Bündnis fordert jedoch, die „Gesamtstädtische Steuerung“, die im Koalitionsvertrag vereinbart war, endlich umzusetzen. Breitenbach betonte, dies sei ein langer Prozess, jede Unterkunft in den Bezirken müsse angeschaut werden, Standards entwickelt und das dann in das Programm eingepflegt werden. Das ginge nicht von heute auf morgen. Ein schwacher Trost für diejenigen, die jetzt sofort Hilfe brauchen. Für die Wirtschaft spielt Geld keine Rolle, da können plötzlich Milliarden ausgegeben werden. Aber für die Menschen, deren Gesundheit und deren Leben in Gefahr ist?


Elisabeth Voß

 

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