MieterEcho – 16.09.2011
Wohnungsbaugesellschaften steuern am Versorgungsauftrag vorbei
Gewinnorientiert und betriebswirtschaftlich optimiert: Senat hält die landeseigenen Wohnungsunternehmen weiter auf Kurs
Christian Linde
Ob Degewo, Gewobag, Howoge oder Stadt und Land: Anstatt sich ihrer ursprünglichen Kernaufgabe zu widmen, nämlich eine preisgünstige Wohnraumversorgung, steuern die landeseigenen Wohnungsunternehmen weiter rigoros Richtung Rendite. Den Kurs gibt der rot-rote Senat vor.
„Es ist uns auch im Jahr 2010 gelungen, die Degewo auf Erfolgskurs zu halten. Das Ergebnis steigt, die Verschuldung sinkt“, frohlockte Degewo-Vorstandsmitglied Christoph Beck bei der Vorstellung der Jahresbilanz Anfang Mai. Das Geheimnis des Erfolgs sei, dass die Degewo Verantwortung für die Stadt übernehme. Das habe das Unternehmen bereits 2005 in seinem „Leitbild“ festgeschrieben. „Integrative Stadtentwicklung“ lautet das Konzept. „Ziel ist es, die Menschen erfolgreich in ihr Stadtquartier zu integrieren.“ Entscheidend sei eine ganzheitliche Betrachtungsweise, ein Zusammenführen aller Akteure vor Ort. Dabei stünden Themen wie die Schaffung von mehr Bildungsangeboten, die Ansiedlung von Kreativen und die Förderung von neuen Geschäftsideen im Mittelpunkt. Den Erfolg der Strategie zeige das Brunnenviertel im Wedding. Dort habe sich der erste Bildungsverbund aus Schulen und Kitas, der mittlerweile zahlreiche Erfolge vorweisen könne, etabliert. „Heute erlebt das Quartier eine neue Anziehungskraft, was die Vermietungszahlen beweisen, zum Beispiel ziehen vermehrt junge, gut ausgebildete und einkommensstarke Familien zu“, so der Jahresbericht der Degewo.
„Anziehungskraft der Hauptstadt“
Ablesen lässt sich der „Erfolg“ der Degewo vor allem an den Zahlen. Das größte Wohnungsunternehmen Berlins schloss das Geschäftsjahr 2010 mit einem Gesamtergebnis von 16,6 Millionen Euro ab. Im vergangenen Jahr lag das Plus bei 14,9 Millionen Euro. Einer der Hauptgründe für die steigenden Gewinne dürfte sein, dass das Landesunternehmen nicht zu den preisgünstigsten Vermietern gehört. Während der Berliner Mietspiegel 2009 im Mittelwert eine Nettokaltmiete von 4,83 Euro/qm auswies, lag die durchschnittliche Nettokaltmiete bei der Degewo im vergangenen Jahr für frei finanzierte Wohnungen bei 5,06 Euro/qm und im Sozialen Wohnungsbau bei 5,17 Euro/qm. Noch höher lagen die Mieten bei neu abgeschlossenen Mietverträgen und ein Ende der Preisspirale ist nicht abzusehen. „Allgemein werden in den kommenden Jahren weitere Steigerungen erwartet, was aus dem Bestandscontrolling konkret bestätigt wird“, so die Degewo. Die anhaltenden Mietpreissprünge werden neben der gestiegenen Wohnqualität vor allem mit der „gewachsenen Anziehungskraft der Hauptstadt“ begründet. Mehr noch: „Der Berliner Wohnungsmarkt birgt nach der weitgehend überstandenen Finanzmarktkrise wegen des noch immer relativ niedrigen Mietenniveaus Entwicklungspotenziale“, hofft die Unternehmensführung.
Gewobag plant mehr Verkäufe
Dass die Mieten weiter steigen, fürchten nicht nur die Mieter/innen der Degewo, sondern auch die der Gewobag. Vor allem in Kreuzberg, wo die Gewobag zahlreiche Gebäude besitzt, sind Verkäufe, Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen und extreme Mietsteigerungen seit Jahren an der Tagesordnung. „Als landeseigenes Wohnungsunternehmen ist unser Unternehmensziel die Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum. Wir wollen preiswerte Wohnungen für unsere Mieter bereitstellen, haben dabei aber auch die Balance zwischen wirtschaftlicher Notwendigkeit und sozialer Zielsetzung zu halten. Es ist nicht unser Ziel, langjährige Mieter zu verdrängen, sondern wir begrüßen eine gute und homogene Mieterstruktur und sind auch bestrebt, diese zu erreichen beziehungsweise zu halten“, heißt es in einem Schreiben der Gewobag-Geschäftsführung an besorgte Mieter/innen. Ein Blick in den aktuell vorliegenden Geschäftsbericht des Unternehmens spricht allerdings eine andere Sprache. „Die laut Mietspiegel 2009 gegebenen Mieterhöhungsmöglichkeiten wurden umgesetzt. Darüber hinaus haben wir – insbesondere nach Aufhebung der Mietpreisbindung – Anhebungen vorgenommen. Bei Neuvermietungen wurden vorhandene Anpassungspotenziale an das marktübliche Mietniveau realisiert. Im Rahmen von Modernisierungsmaßnahmen haben wir die gesetzlichen Umlagemöglichkeiten zur Verbesserung unserer Einnahmen genutzt.“ Auch Wohnungsverkäufe plant die Gewobag. „Das Einzelprivatisierungsgeschäft aus dem Bestand erfolgt unter Federführung der Gewobag EB für deren eigene Eigentumswohnungen sowie vergleichbare Objekte der Gewobag und der Gewobag WB. Hier planen wir ungeachtet der schwierigen Rahmenbedingungen wieder einen Anstieg der Verkaufszahlen. Neben den Mietern stehen dabei sowohl selbstnutzende Dritte als auch einzelne private Kapitalanleger im Fokus unserer Verkaufsaktivitäten“, kündigt der Vorstand im Geschäftsbericht 2009 an.
Sanierung als Standortfaktor
Auch die Howoge hat Großes vor. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft beabsichtigt, ihren Wohnungsbestand im Pankower Ortsteil Buch offenbar auf Kosten ihrer Mieter/innen wettbewerbsfähig zu machen. Schockte die Howoge vor knapp einem Jahr die Mieter/innen noch mit einer Modernisierungsankündigung, die eine Verdoppelung der Mieten zur Folge haben sollte, sind es im kürzlich erfolgten zweiten Anlauf „nur“ noch etwa 70%. Ein zweifelhafter Erfolg der rot-roten Koalition, die Nachbesserungen bei der Neuberechnung der Modernisierungsumlage gefordert hatte. Bei den Gebäuden in Buch, die die Howoge im Sommer 2009 von der Gesobau für rund 70 Millionen Euro erworben hatte, handelt es sich überwiegend um unsanierte Plattenbauten. Die Häuser verfügen nicht über die allgemein übliche Ausstattung. Die Leerstandsquote liegt nach Unternehmensangaben bei 20%. Insgesamt 1.200 Wohnungen sollen bis 2013 saniert werden. Die Howoge plant in ihren Beständen Investitionen in einem Umfang von rund 100 Millionen Euro. Die zukünftige Miethöhe liegt nach Darstellung der Howoge im Rahmen der Vorgaben des Senats für die kommunalen Wohnungsunternehmen. Die Nettokaltmiete soll demnach zukünftig für Wohnungen mit einer Wohnfläche bis 40 qm „voraussichtlich“ 6,60 Euro/qm betragen, für Wohnungen zwischen 40 und 60 qm rund 6 Euro/qm und für Wohnungen von 60 bis 90 qm etwa 5,40 Euro/qm. Die Betriebskosten werden mit 2,20 Euro/qm beziffert. Die beabsichtigten Baumaßnahmen, die unter anderem die Dämmung der Außenwände, den Austausch der Fenster und den Einbau neuer Heizungsanlagen beinhalten, zielen jedoch nicht nur auf Wohnwertverbesserungen für die derzeitigen Mieter/innen ab. „Das Sanierungsprojekt Buch verfolgt neben der Gebäudesanierung mit zeitgemäßen Wohnstandards und energieeffizienter Gestaltung auch sehr wesentlich das Ziel der Wohnumfeld-, Kiez- und Stadtteilentwicklung“, stellt die Howoge klar. Vor allem Wettbewerbsaspekte bilden das Leitmotiv. „In den nächsten Jahren wird der Wissenschafts- und Biotechnologie-Campus in erheblichem Umfang baulich erweitert, was auch weitere hochqualifizierte Arbeitskräfte anzieht, die in Buch arbeiten und leben möchten. Der Kontrast zwischen dem modernen Wissenschafts-, Wirtschafts- und Klinikstandort Buch, wachstumsstark und innovativ, und den übernommenen Plattenbauwohnungen könnte nicht größer sein“, klagt die Howoge. Leben in den Wohnungen aktuell vor allem Geringverdiener/innen, soll der Wohnungsbestand auf absehbare Zeit in erster Linie für eine zahlungskräftige Klientel attraktiv sein. „Ein wichtiger Anspruch an das wohnungswirtschaftliche Konzept der Howoge besteht darin, innerhalb der einzelnen Sanierungsabschnitte eine nachfragegerechte Angebotsstruktur zu schaffen.“
Massiver Druck vonseiten der Politik
Darüber dass in Berlin Wohnungsunternehmen, die eigentlich dem Gemeinwohl verpflichtet sein sollten, vor allem auf Renditekurs gehalten werden, gab Ingo Malter, einer der Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land, kürzlich bei einer Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Auskunft. Während der Tagung zum Thema „Gemeinwohl statt Rendite. Zur Zukunft öffentlicher Unternehmen in Berlin“ klagte Malter: „Anstatt auf eine sozialorientierte Wohnraumversorgung zu orientieren, setzt die Politik die Wohnungsbauunternehmen nach wie vor massiv unter Druck. So fordert der Senat von uns immer noch Personalabbau.“ Aber leider ist ein Kurswechsel durch eine veränderte Koalition allein wohl kaum zu erwarten.