MieterEcho online 26.06.2013
Die „graue Wohnungsnot“
Neue Studie belegt dramatischen Mangel an bezahlbaren altersgerechten Wohnungen
In Deutschland droht mittelfristig ein dramatischer Mangel an altersgerechten Wohnungen. Das ist die Kernaussage einer aktuellen Studie, die das Pestel Institut für Systemforschung im Auftrag des Bündnisses „“Wohnen 65plus“ erarbeitet hat. Dem Bündnis gehören Verbände der Bauwirtschaft, die Gewerkschaft IG BAU, der Deutsche Mieterbund und der Sozialverband VdK an.
Studienleiter Matthias Günther verwies am Dienstag in Berlin auf die demografische Entwicklung. 2035 werden rund 24 Millionen Menschen älter als 65 Jahre sein, 40 Prozent mehr als jetzt. Entsprechend wird auch die Anzahl der Pflegebedürftigen auf bis zu 3,5 Millionen steigen. Auf der anderen Seite gebe es viel zu wenig barrierefreien und vor allem bezahlbaren Wohnraum für Senioren, was die Grundvoraussetzung für selbstbestimmtes Leben im Alter und häusliche Pflege wäre.
Günther verwies in diesem Zusammenhang auf die Armut, die immer mehr Menschen im Alter erwartet. Wie auch der Sozialverband VdK geht das Institut davon aus, dass im Jahr 2035 mindesten 25 Prozent aller Senioren auf staatliche Grundsicherungsleistungen angewiesen sein werden. Daher müsse die Schaffung preiswerten altersgerechten Wohnraums „oberste Priorität“ haben. Es sei sozial und ökonomisch gleichermaßen nicht vertretbar, wenn Menschen nur deswegen in teure stationäre Pflegeeinrichtungen verbracht würden, weil es keinen geeigneten Wohnraum für sie gebe, bzw. kein Träger für Umbau- und Mietkosten aufkommen will. Ohnehin sei die Schaffung von Kapazitäten für stationäre Pflege in entsprechenden Größenordnungen nicht realisierbar.
Auch der Direktor des Deutschen Mieterbundes (DMB), Lukas Siebenkotten, verlangte anlässlich der Vorstellung der Studie schnelles staatliches Handeln. Die Einkommenssituation von Senioren werde sich immer mehr verschlechtern. Grund dafür seien in erster Linie gebrochene Erwerbsbiografien vieler Menschen, der ausufernde Niedriglohnsektor sowie das pauschal abgesenkte Rentenniveau. Wer 35 Jahre sozialversicherungspflichtig für einen Monatsbruttolohn von 2500 Euro arbeite, erreiche als Rentner gerade mal das Grundsicherungsniveau von durchschnittlich 800 Euro. Doch auch wer ein paar hundert Euro mehr erhalte, werde kaum in der Lage sein, auf dem „freien Markt“ angebotene, altersgerechte Wohnungen zu bezahlen. Daran würde sich selbst bei Umsetzung derzeitig diskutierter Modelle für Mindestrenten wenig ändern.
Die Verbände gehen davon aus, dass der Bestand an seniorengerechten Wohnungen bis 2020 von jetzt 700.000 auf 2,5 Millionen erhöht werden müsste. Der jährliche Förderbedarf für diesen Zeitraum wird in der Studie mit 540 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Neben zinsverbilligten Krediten und Direktzuschüssen für Neu- und Umbauten hält Siebenkotten auch verstärkte Direktinvestitionen der in kommunalem Besitz befindlichen Wohnungsbaugesellschaften für notwendig.
Rainer Balcerowiak
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