MieterEcho online 08.09.2017
Wirtschaftlichkeitsgrenzen beim Vorkaufsrecht?
Friedrichshainer Mieter/innen bangen, dass sie der Spekulation eines Luxemburger Investors zum Opfer fallen könnten. Sie hoffen darauf, dass der Bezirk sein Vorkaufsrecht geltend macht.
Über den anstehenden Verkauf ihres Hauses erfuhren die MieterInnen der Matternstr. 4 in Friedrichshain mehr oder weniger zufällig. Nach einer Mieterhöhung verlangte Mieter Martin Strubelt Einsicht ins Grundbuch. Just am Vortag, dem 26. Juli 2017, war der Kaufvertrag mit der Albert Immo 5 S.a.r.l. mit Sitz in Luxemburg eingetragen worden. Bislang ist der Verkauf aber nicht vollzogen. Da sich das Haus im sozialen Erhaltungsgebiet Petersburger Platz befindet, muss der Bezirk den Verkauf erst prüfen und genehmigen. Die Mieter/innen fordern vom Bezirk, über die städtische Wohnungsbaugesellschaft WBM das Vorkaufsrecht auszuüben. Von der Luxemburger Immobiliengesellschaft erwarten sie nichts Gutes, schon allein deshalb, weil sie bereit ist, für das Mietshaus mit 33 Wohnungen 5,1 Millionen Euro zu zahlen, was einem Quadratmeterpreis von 2.800 Euro entspricht. Demgegenüber stehen Kaltmieten von durchschnittlich 6, 43 Euro/qm. "Die Käufer würden eine so geringe Rendite erzielen, dass es sich bei dem Geschäft vermutlich um Spekulation handelt", meint Strubelt. Um die Rendite zu erhöhen, müssten die Mieten kräftig steigen, doch da wohnwertsteigernde Maßnahmen im Milieuschutzgebiet nur begrenzt erlaubt sind, ist es vorstellbar, dass der Käufer das Haus lieber entmieten und in Einzeleigentum umwandeln möchte. Ein Drittel der Bewohner/innen haben geringe oder prekäre Einkommen oder sind auf Arbeitslosengeld oder Grundsicherung angewiesen. Modernisierungen wurden seit Anfang der 1990er Jahre in Eigenleistung durchgeführt, so dass sie nicht auf die Mieten aufgeschlagen werden konnten und können.
Doch das Missverhältnis aus relativ günstigen Mieten und einem überhöhten Kaufpreis könnte nun auch dem Vorkauf durch den Bezirk und die landeseigene WBM im Weg stehen, befürchtet Strubelt. Nach Informationen der Mieter/innen habe auch die WBM Wirtschaftlichkeitsgrenzen. Wenn der Kaufpreis das mehr als 35fache der Jahreskaltmiete betrage, sei dies für die kommunale Wohnungsbaugesellschaft schlichtweg zu teuer, der Faktor müsse auf maximal 26 gesenkt werden.
"Wir haben eine große Versammlung im Haus gehabt und Szenarien durchgerechnet, auch, welche Mieterhöhungen wir uns in welchem Zeitraum vorstellen könnten", sagt Strubelt. "Wir sind voll verhandlungsbereit, haben aber nichts zu sagen."
Der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt betont, dass es keinen Richtwert für den Kaltmietenfaktor beim Kauf gibt. Letztendlich müsse jedes Haus einzeln begutachtet werden. "Darüberhinaus ist es wichtig, dass der Bezirk und seine Partner unberechenbar bleiben für die spekulativen Immobilienentwickler, damit diese keine Gegenstrategien entwickeln können." Über eine Höchstgrenze beim kommunalen Kauf schwieg auch Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen kürzlich gegenüber der Berliner Zeitung. Die Finanzverwaltung will die Bezirke mit einem Topf von 100 Millionen Euro bei der Ausübung des Vorkaufsrechts unterstützen, allerdings müssten die Käufe finanziell tragfähig bleiben.
Die Albert Immo 5 S.a.r.l hat nach Informationen der Mieter/innen noch bis Mitte September Zeit, eine Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen. Darin müsste sie sich auf die soziale Erhaltungssatzung verpflichten, also etwa auf die Aufteilung in Einzeleigentum sowie auf bestimmte Modernisierungsmaßnahmen zu verzichten. Die Mieter/innen der Matternstraße 4 hoffen eigentlich, dass der Investor nicht unterzeichnet, da sie sich lieber bei der WBM wiederfinden würden.
Über die verschiedenen Gesellschaften mit den Namen Albert Immo 1 S.a.r.l bis Albert Immo 5 S.a.r.l. ist bislang nicht viel bekannt. Ihren Firmensitz haben sie in Windhof in Luxemburg, die Gesellschaften 3 bis 5 wurden zwischen Mitte Juni und Anfang 2017 registriert, haben dieselben Geschäftsführer und jeweils ein Grundkapital von 90.000 Euro.
Jutta Blume